Am 25. Juli jährt sich zum 100. Mal der Todestag Julius Wilhelm Graebners. Der 1858 in Durlach (Baden) Geborene studierte in Karlsruhe und Dresden Architektur. Nach seiner Rückkehr aus Berlin 1889 war er zusammen mit Rudolf Schilling (1859-1933) in der gemeinsamen Architektenfirma „Schilling & Graebner“ tätig. Sein Kompagnon Schilling war der Sohn des berühmten Bildhauers Johannes Schilling (1828-1910), zu dessen Hauptwerken neben den Vier Tageszeiten an der Treppe der Brühlschen Terrasse und dem Reiterstandbild für König Johann von Sachsen auf dem Theaterplatz in Dresden auch die Germania auf dem Niederwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein zählt.
Mit dem gut vernetzten und geschäftstüchtigen Rudolf Schilling und dem entwurfsstarken Julius Graebner avancierte die gemeinsame Dresdner Firma schnell zu den führenden sächsischen Architekturbüros und wurde besonders für den modernen protestantischen Kirchenbau in Deutschland wegweisend. Daneben entstanden Geschäftshäuser, Wohnsiedlungen, Landhäuser und Kureinrichtungen. Stilistisch ist die für die Zeit um 1900 charakteristische Abkehr von den Neostilen des 19. Jahrhunderts und die Hinwendung zur Moderne sichtbar.
Anlässlich des 100. Todestages Julius Wilhelm Graebner wird der Kunsthistoriker Dr. Tobias Michael Wolf in Radebeul einen Vortrag über Leben und Werk des bedeutenden Dresdner Architekten halten. Der Vortrag beleuchtet neben dem beruflichen Werdegang Julius Graebners besonders die stilgeschichtliche Einordnung des Oeuvres. Auch die wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Denkmalpflege, die unter dem Einfluss Cornelius Gurlitts entstanden, werden thematisiert: der Wiederaufbau der Kreuzkirche in Dresden nach dem Brand 1897, der Schutzvorbau für die Goldene Pforte am Freiberger Dom von 1902/03 und die Umgestaltung der Jacobikirche in Chemnitz 1911.
Ein besonderes Augenmerk wird natürlich auf die Bauten der Architekten in der Lößnitzstadt gelegt. So begründeten Schilling & Graebner mit der 1891/92 in Neurenaissanceformen gestalteten heutigen Lutherkirche in Radebeul ihren Ruf als fortschrittliche protestantische Kirchenarchitekten, indem sie sich bewusst von den Stilvorgaben des Eisenacher Regulativs lösten. Ein anderes Arbeitsfeld, das des Villen- und Landhausbaus, wird eindrucksvoll in der von der Architektenfirma ab 1899 projektierten und gebauten Villenkolonie Altfriedstein in Niederlößnitz auf dem Gelände des alten Weingutes repräsentiert. Neben der Gesamtplanung traten Schilling und Graebner dabei auch als Projektentwickler auf und gründeten eine eigene Vermarktungsgesellschaft, deren Werbeschriften die Gestaltungsvorstellungen der Zeit repräsentieren. Städtebaulich greift die Siedlung zeittypische Tendenzen des Städtebaus mit der Rückbesinnung auf die malerische Stadtplanung auf. Auch die geplanten und ausgeführten Bauten zeigen die Vielfalt der zeitgenössischen Strömungen der Reformarchitektur, zu deren Hauptvertretern Rudolf Schilling und Julius Graebner gerechnet werden müssen.
Dr. Tobias Michael Wolf
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Der Vortrag findet am Freitag, 31. März 2017, im Großen Saal des Kulturbahnhofs in Radebeul statt. Wolf studierte Kunstgeschichte an der TU Dresden und schloss mit einer Magisterarbeit über die Villenkolonie Altfriedstein in Niederlößitz, einem damals unbekannten Werk der Architektenfirma „Schilling & Graebner“, ab. Er ist beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen als Bezirkskonservator tätig.