Ausstellung mit Werken von Dieter Beirich, Horst Hille, Dieter Melde und Paul Wilhelm
Die aktuelle Ausstellung der Stadtgalerie bildet den Auftakt zum diesjährigen Dreifachjubiläum:
35 Jahre Stadtgalerie, 25 Jahre Städtische Kunstsammlung und 20 Jahre Stadtgalerie Radebeul am neuen Ort in Altkötzschenbroda. Unter dem Motto „Neueste Schenkungen“ für die Städtische Kunstsammlung Radebeul werden von Dieter Beirich, Horst Hille, Dieter Melde und Paul Wilhelm Bilder, Grafiken, Collagen, Objekte, Studienblätter, Skizzenbücher und Dokumente präsentiert.
Der innere Zusammenhang erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Die Konstellation ist eher zufälligen Ereignissen geschuldet. Doch es lohnt sich herauszufinden, was die Schöpfer der ausgestellten Werke unterscheidet und was sie verbindet. Mit Ausnahme von Dieter Melde waren die genannten Künstler bereits mehrfach mit Personalausstellungen sowohl am alten als auch am neuen Galeriestandort vertreten und sind dem Besucherstamm der Stadtgalerie vertraut.
Der Begriff Städtische Kunstsammlung wurde im Jahr 1992 geprägt und steht im Zusammenhang mit dem löblichen Vorsatz der Stadt, alljährlich ein kleines Budget für Kunstankäufe in den Haushalt einzustellen. Die fachliche Betreuung der Sammlung erfolgt durch die Mitarbeiter der Stadtgalerie. Wie und wohin sich die Kunstsammlung seit 1992 entwickelt hat, wird Thema der großen Jubiläumsausstellung sein, welche ab Mitte September in der Stadtgalerie zu sehen ist.
Nach der überraschenden Karl-Sinkwitz-Schenkung im Jahr 2012 konnte die Städtische Kunstsammlung – vor allem im Verlaufe der letzten zwei Jahre – einen beachtenswerten Zuwachs verbuchen. Der Erwerb des vermutlich um 1930 geschaffenen Gemäldes „Bildnis Marion Wilhelm, sitzend nach rechts“ war nur möglich, weil der Verkäufer einen Preisnachlass gewährte und der Förderkreis der Stadtgalerie 1.500 Euro zum Ankauf beigesteuert hat. Zu Paul Wilhelms „Selbstbildnis mit Hut“ aus dem Jahr 1950, bildet es eine sehr schöne Ergänzung, obwohl zwischen dem Entstehen beider Werke ein Zeitraum von zwei Jahrzehnten liegt. Das Künstlerselbstbildnis hatte Prof. Dr. h.c. Werner Schmidt der Stadt Radebeul bereits 2009 geschenkt und mit dem Zusatz versehen, dass diese Schenkung als eine Würdigung der besonderen Verdienste um die Radebeuler Kunstsammlung zu verstehen sei. Paul Wilhelm (1886-1965) erfuhr bereits zu Lebzeiten eine hohe Wertschätzung. Anlässlich seines 60. Geburtstages wurde er 1946 zum Professor (ohne Lehrstuhl) ernannt. Zu seinem 70. Geburtstag verlieh ihm die Stadt Radebeul die Ehrenbürgerschaft. Zwei Jahre nach dem Ableben des Künstlers erfolgte 1967 die Umbenennung der Brühlstraße in Prof-Wilhelm-Ring. Paul Wilhelm hinterließ ein sehr umfangreiches Werk an Gemälden und Aquarellen. Grafische Blätter sind eher selten. Bedeutende Arbeiten befinden sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und in der Nationalgalerie Berlin. In der Radebeuler Sammlung ist Paul Wilhelm allerdings nur rudimentär vertreten, sodass die Gestaltung der Gedenkausstellung 2011 zum 125. Geburtstag recht schwierig war, denn von den Verwaltern seines künstlerischen Nachlasses wurde der Stadtgalerie kein einziges Exponat als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Unterstützung erfolgte stattdessen durch verschiedene Museen und viele kunstinteressierte Einzelpersonen. Der Aufwand hatte sich gelohnt. In sechs Wochen kamen 1.955 Besucher. Ein absoluter Besucherrekord!
Sehr populär war auch ein anderer Radebeuler Künstler, welcher viel zu früh verstarb. Horst Hille (1941-2015), liebevoll auch „Horschtl“ genannt, stellte für viele Menschen so etwas wie eine Institution dar. Sein Atelier stand (fast immer) für jeden offen. Der gelernte Maurer blieb dem Volke mit seiner Kunst zeitlebens verbunden. In Radebeul hatte der 1941 in Aussig (heute Usti nad Labem in Tschechien) Geborene seine zweite Heimat gefunden. Hier ging er zur Schule. Hier erlernte er den Maurerberuf, den er auch eine Zeit lang ausgeübt hat. In der Beschäftigung mit Malerei, Grafik und Kleinplastik fand er zunehmend ein neues Betätigungsfeld. Für seine Aufnahme in den Verband Bildender Künstler bürgten Werner Wittig und Gunter Herrmann. Durch die Anerkennung als freischaffender Bildender Künstler galt der Autodidakt fortan nicht mehr als „arbeitsscheu“. Seine Miniaturgrafiken waren auf Grafikmärkten heiß begehrt. Die detailreichen Tafelbilder, gemalt in altmeisterlicher Manier, nahmen die mitunter skurrilen Erscheinungen des DDR-Alltags ins Visier. Reichlich Stoff für den Chronisten des Alltags bot sich auch nach dem Mauerfall. Kaum waren Hammer und Zirkel aus dem Ährenkranz herausgefallen, wurden die Bockwurstesser, Medaillenträger und Datschenbesitzer von Glücksrittern, Spekulanten und Wohlstandsspießern abgelöst. Seit dem Ableben von Horst Hille, welcher am 26. Januar 2015 verstarb, wird der künstlerische Nachlass durch seine langjährige Lebenspartnerin Ute Gebauer verwaltet. Zu Beginn dieses Jahres übergab sie an die Städtische Kunstsammlung die Ölbilder „Großer Feiertag“ von 1992 sowie „Trabant-DDR-1989“ und „Trabant-0-1991“, beide mit dem Entstehungsjahr 1991 datiert. Wichtig war für Ute Gebauer, dass Horst Hilles Werke mit gesellschaftlichem Bezug in öffentlichen Besitz gelangen.
Ende Januar bot Mara Woldt, Tochter des 2015 verstorbenen Dresdner Künstlers Dieter Melde, der Städtischen Kunstsammlung an, einige Werke ihres Vaters als Schenkung zu überlassen, da dieser in Radebeul-Zitzschewig aufgewachsen war. Beziehungen zu Dieter Melde existierten nur punktuell. Über viele Jahre beteiligte er sich am Radebeuler Grafikmarkt. Er war Mitglied in Dieter Beirichs Zeichenzirkel und besuchte die Abendkurse der Dresdner Kunsthochschule. Nach dem Studium der Theatermalerei und -plastik arbeitete er am Deutschen Theater Berlin und im Trickfilmstudio Dresden. Im Jahr 1978 erfolgte die Aufnahme in den Verband Bildender Künstler. Anschließend war er als freischaffender Maler, Grafiker und Restaurator tätig. Für die Verbandsaufnahme hatten übrigens Heinz Drache und Gunter Herrmann gebürgt. Eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Schaffen von Dieter Melde erfolgte unsererseits erst nach dessen Tode. Plötzlich gab es Zugang zu vielen Dingen, der zu Lebzeiten wohl niemals möglich gewesen wäre. Das hinterlassene künstlerische Werk spricht für die Experimentierfreudigkeit und Konsequenz mit der Dieter Melde bestimmte Themen bearbeitete, bis sich seine Phantasie schließlich wieder an einer neuen Problematik entzündete. Die Schenkung umfasst Arbeiten verschiedener Schaffensphasen. Darunter zwei frühe Stadtlandschaften in feinen Graunuancierungen aus den 1970er Jahren. Einige der Objektcollagen bestehen aus Nägeln, Farbtuben und Streichholzschachteln, welche von einer pastosen Holzasche-Schlemme überzogen sind. Bilder mit floral bis skriptural anmutender Ornamentik erinnern an die Muster von Teppichen. Skizzenbücher und Studienblätter geben Einblick in künstlerische Prozesse. Die Auseinandersetzung mit dem Gesamtschaffen des Künstlers hat für alle Beteiligten gerade erst begonnen.
Dass diese vierwöchige Ausstellung spontan in unseren Ausstellungsplan eingeschoben wurde, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der großzügigen Schenkung von Dieter Beirich, welche er Anfang Oktober des vergangenen Jahres an die Kunstsammlung übergab. Ein Großteil des Konvolutes besteht aus neueren Arbeiten, die nach 2000 entstanden sind. Beirichs Blätter, auf denen vorwiegend Berglandschaften und Baumgruppen dargestellt sind, verglich der Kunstkritiker Heinz Weißflog mit Musik in unterschiedlichen Variationen, die sich auf wenige Themen beschränkt. Die Motive, durchaus lokalisierbar, sind reduziert auf Wesentliches, lösen sich scheinbar spielerisch auf in Farbe und Gefühl. Das Spätwerk des 81-jährigen Malers ist das Credo eines lebenslangen künstlerischen Reifeprozesses. Dieter Beirich äußerte 2010 in einem Interview, dass ihn ab 1980 der Zerfall der DDR sehr bewegt habe. Das Malen in der Natur war so etwas wie Flucht. Künstlerisch frei und unbeschwert arbeiten konnte er erst als Rentner. „In den letzten Jahrzehnten war ich viel in den Bergen. (…) Auf der Höhe ist man frei“. Die Präsentation seiner Werke in der Stadtgalerie zu erleben und die Resonanz des Publikums am Tag der Ausstellungseröffnung authentisch zu spüren, bedeuteten Dieter Beirich sehr viel. Gekommen waren auch Mara Woldt und Ute Gebauer sowie Vertreter des Förderkreises der Stadtgalerie. Der zweite Bürgermeister Winfried Lehmann bedankte sich im Namen der Radebeuler Stadtverwaltung bei allen, die mit diesen Schenkungen zur Bereicherung der Städtischen Kunstsammlung beigetragen haben. Mara Woldt wiederum brachte während der Eröffnungsveranstaltung ihre Freude zum Ausdruck über die Wertschätzung, welche in Radebeul der Kunst und den Künstlern entgegengebracht wird, denn die Bedeutung der Kunst läge eben nicht in ihrem Marktwert, sondern Kunst sei eine Einladung zu Sinn und Sinnlichkeit, zu Witz und Nachdenklichkeit. Diesen großen Vertrauensvorschuss gilt es nun durch Taten einzulösen.
Karin (Gerhardt) Baum
Die Ausstellung wurde am 10. Februar eröffnet und ist bis zum 12. März zu sehen.