Bei der Vorbereitung der Veranstaltung „Häuser und ihre Besitzer“, die diesmal am 19. Mai bei paradiesischem Wetter im schön restaurierten Gartensaal des „WEINGUTES AUST“ auf der Weinbergstraße 10 in Radebeul stattfand, stieß ich einige Zeit vorher im „Magazin für die Denkmalkultur in Deutschland“ auf einen Artikel mit schönen Abbildungen unserer Weinbergslandschaft. Sie wurde hier sogar als „GESCHENK DER GÖTTER“ bezeichnet. Das war fast eine Lobpreisung, vor allem deshalb, weil diese Auszeichnung von der Chefredakteurin selbst kam.
Bei den Abbildungen fehlten mir allerdings zwei wichtige Beispiele dieser „göttlichen“ Gegend: die Hoflößnitz und das Meinholdsche Turmhaus. Gerade sie, die fürstliche und die großbürgerliche Ansiedlung prägen und prägten nach wie vor das Herzstück der Lößnitz. Sie will ich hier beschreiben und unseren Vereinsabend für Sie, verehrte Leser, ein wenig nacherlebbar machen. Zuerst ein bisschen Geschichte:
Weinbau gab es in der Oberlößnitz schon um 1400. Bereits 1563 wird ein Presshaus unterhalb der Weckischen Hohenberge erwähnt. Die besten Lagen waren meist im kurfürstlichen Besitz. Ab 1615 bis 1735 wird durch Zukäufe dieser Besitz beträchtlich erweitert. Unter den Kurfürsten Georg I. und Georg II. entsteht 1648 das Haus Hoflößnitz. Um die Attraktivität dieses Ortes besser genießen zu können, stieg man gern zum 1672 erbauten Lusthaus (Spitzhaus) hinauf, das aber erst ab 1710 zum Hofe gehörte. Man hatte von hier aus eine herrliche Fernsicht bis hin zum Dresdner Schloss. Die Ausflüge der königlichen Familie nach Hoflößnitz waren aber nur selten im Jahr.
In der Zwischenzeit mussten Verwalter und Winzer für die Weingüter sorgen. Unweit des Hauses Hoflößnitz entsteht 1650 auf der jetzigen Weinbergstraße 1 (einst Hausgasse 1) ein eingeschossiges Winzerhaus mit Weinkeller und Presshaus, der erste Teil des späteren Meinholdschen Turmhauses. Das Haus wird 1715 in einer Zeichnung dokumentiert. Zu Zeiten der fürstlichen Winzerfeste werden hier vor allem Wagen und Pferde untergebracht. Um 1720 wird das Haus zur jetzigen Hoflößnitzstraße zu erweitert. Man hat nun zwei Blickachsen, eine zur Hoflößnitz- und eine zur Weinbergstraße. In der Mitte entsteht ein hoher Eckturm auf achteckigem Grundriss mit einer Turmhaube (Laterne). 1750 kommt ein Uhrwerk mit Glocke dazu. Der hohe Turm prägt nun entscheidend diesen Ort und steht mit seiner Höhe und seiner baulichen Besonderheit in Korrespondenz zu den fürstlichen Bauten. 1727 übernimmt der Landbauschreiber Joachim Ossenfeld das Weingut und lässt es zum Herrensitz ausbauen. Seine Familie veräußerte es wenige Jahre später an den Dresdner Kaufmann Johann Martin Kühn und von ihm übernimmt 1792 der Hofbuchdrucker Carl Christian Meinhold mit seinen Nachfahren das Grundstück und behalten es bis zum Jahr 1975. Die vergoldete Wetterfahne trägt noch immer seine Initialen CCM und das Haus noch immer seinen Namen.
Wer war Carl Christian Meinhold? Hier ein kleine Zusammenfassung: Am 12. April 1740 in Marienberg im Erzgebirge als Sohn eines Bergarbeiters geboren, entwickelte er schon früh Charaktereigenschaften, wie eiserne Energie, Anspruchslosigkeit und Fleiß, die einen Besuch in einem Lyzeum und weitere Lebensstationen möglich machten. Mit 15 Jahren ging Meinhold nach Leipzig, dem Hauptplatz des Buchhandels. Hier begann er eine Buchdruckerlehre, die er mit 19 Jahren erfolgreich beendete und die ihm half, den Schritt nach Dresden zu wagen, um dort in der Hofbuchdruckerei „Stössel und Krause“ zu arbeiten. Nach dem Tod von Karl Krause (1772) wurde Meinhold Faktor und Seele vom Geschäft und nach dem Ableben der Wittwe Stössel konnte er schließlich die Druckerei mit allem Zubehör und allen Rechten kaufen. Somit waren alle größeren staatlichen Aufträge bei ihm. 1783 ersuchte Meinhold um die Verleihung des Hofbuchdruckerprivilegs, das ihm am 2. März 1784 von Friedrich August zugesprochen wurde. In relativ kurzer Zeit erweiterte er seinen Betrieb um ein vielfaches.
1777, also mit 37 Jahren, heiratete Meinhold Johanna Schnabel, die Tochter des Hofküchenschreibers. Aus dieser als sehr glücklich bezeichneten Ehe gingen sechs Söhne und neun Töchter hervor. Für die Sommeraufenthalte dieser großen Familie kaufte Meinhold 1792 deshalb einen Weinberg in der Lößnitz und ein Grundstück dazu. In der Beschreibung der Kunstdenkmäler von Dresdens Umgebung durch Cornelius Gurlitt heißt es: „Meinholds Weinberg“, Obere Bergstraße 75, Ecke Hoflössnitzstraße, zweigeschossiger Bau, Grundform rechtwinklig, das Erdgeschoß massiv, das Obergeschoß in verputztem Fachwerk, in der südwestlichen Ecke ein Vorbau mit Korbbogentür, die Wetterfahne in Form einer weiblichen Figur (Fama), Schlagglocke von 1750, zwei anmutigen Figuren auf den gebogten Torflügeln, den „Sommer“ und den „Winter“(1750).
CCM prägte die Formung des Hauses und die Gestaltung des Grundstückes entscheidend. Er ließ die Fassaden im „Zopfstil umgestalten, einen Barockgarten anlegen, die Toreinfahrt neu regeln und verschiedene Nebenbauten errichten. Diese wurden nach seinem Tod im Jahre 1840 durch seine Nachfolger im Jahre 1851 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Carl Eduard Johne (1822-1873), der Architekt und Semperschüler, baute eine große zweigeschossige Villa im toskanischen Stil mit Anklängen an den Schweizer Stil an die Stelle der alten. Im Inneren der Villa entstand 1853 ein breite Treppe und ein geräumiger Gartensaal mit einer schönen Ausmalung. Ein Brunnenhaus entstand, gespeist von der Strakenwasserleitung. Der Architekt Johne war mit Anna Emilie Meinhold verheiratet und gehörte zur Familie, wie auch alle weiteren Besitzer des Meinholdschen Turmhauses bis 1975.
CCM hatte schon früh, 1809, drei seiner Söhne in sein Geschäft einbezogen: Christian Immanuel, Karl Traugott, und August Ferdinand. Das Privileg der Hofbuchdruckerei ging an alle weiteren Meinholds bis zur Auflösung des Königreiches über.
In einer Denkschrift zum 150-jährigen Bestehen heißt die Firma später C.C.Meinhold und Söhne GmbH Dresden. Im Februar 1945 wurden alle Druckereien und auch die Wohnhäuser der Familie in Dresden durch die Bombenangriffe in Schutt und Asche gelegt. Der letzte Radebeuler Mitbesitzer der Druckerei Friedrich Ernst Meinhold starb 1945. Damit ging das Zeitalter einer bemerkenswerten bürgerlichen Familie unter. Seine hervorragenden Druckerzeugnisse hatten den Verlag deutschlandweit berühmt gemacht. In allen Schulen Sachsens waren seine Schulwandbilder für alle Unterrichtsfächer vorhanden und seine Märchenrollbilder besonders beliebt. Paul Hey, ein bayrischer Kunstprofessor, lieferte die Entwürfe dafür. Leider gibt es heute kaum noch Beispiele aus dieser Zeit, nur in der Schule Radebeul-Naundorf sind neun Bilder als große farbige Glasfenster noch gut erhalten geblieben.
Nicht so gut ging es dem Grundstück auf der Weinbergstraße 10. Es war zwar 1936 unter Denkmalschutz gestellt worden und es erfolgten auch zwischen 1964-68 verschiedene Sicherheitsmaßnahmen, aber alle Sanierungen gingen nur schleppend voran. Das Grundstück drohte zu verfallen. Der letzte junge männliche Verwandte Wilfried Thenius war im Krieg geblieben, seinem Vater, dem Geographielehrer Dr. Thenius fehlten Material und Handwerker. Aber es fehlte vor allem an jugendlicher Initiative, Tatkraft und Sachverstand.
Alle diese drei wichtigen Eigenschaften hatte in den Augen von Frau Thenius, die nach dem Tod ihres Mannes weiter das Grundstück bewohnte, nur ein junger Mann, den sie schon als Kind kannte: Ulrich Aust (1942-1992). Er, der engagierte Architekt und spätere Zwingerbaumeister und seine Frau Elisabeth Aust, die Restauratorin, brachten nicht nur alle guten Eigenschaften und Interesse mit, sondern auch den Mut und die Hoffnung, dass alles gut gehen möge. 1975 kauften sie das Grundstück von Frau Thenius.
Betrachtet man das schöne Herrenhaus heute, nach 40 Jahren, so wie wir an diesem sommerlichen Abend, sieht man vor allem den Glanz und nur noch wenig von den Mühen. „Alles musste erneuert werden“, erzählt Frau Aust: „Dächer, Wände, Fenster, Elektrik, Abwasser. Gebäude wurden abgerissen, Mauern versetzt, Brunnen ausgebuddelt. Die „Geschenke der Götter“ machten es auch dem Glücklichen nicht leicht. Meist muss man sich alles schwer verdienen.
In dem Sinne wünschen wir der gesamten Familie Aust viel Glück und Durchhaltevermögen. Wir danken dem Besitzer für seine Gastfreundschaft und den Mitarbeiterinnen für ihre freundliche Unterstützung.
Gudrun Täubert in Zusammenarbeit mit André Schröder