Reinhold Langner – „zum Zweiten“ (Teil1)

Ist eine komische Überschrift, oder? Wenn es hier um einen Künstler geht, könnte man an die Versteigerung eines Bildes denken. Ja, könnte man, aber ich habe die Überschrift gewählt, weil mein Vorschau-Kollege Wolfgang Zimmermann in V+R 10 und 11/94 zu Reinhold Langner bereits ein paar biografische Daten und Aussagen zu seiner Kunst – er war in erster Linie Bildhauer – veröffentlicht hatte, sozusagen Langner zum Ersten. In der Zwischenzeit ist zu Langner, er starb 1957, zwar nicht viel Neues hinzugekommen. Ein wenig aber schon und ich will versuchen, eine eigene Sicht auf den Künstler und sein vielseitiges Werk zum Ausdruck zu bringen.

Foto: E. Kesting

Ein Schwerpunkt war für mich die Tatsache, dass es meines Wissens mindestens drei plastische Arbeiten Langners in Radebeul gibt, bzw. gab, er aber nie hier gewohnt hatte. Hinzu kam auch der Besuch einer sehenswerten Ausstellung über Langner im Einnehmerhaus Freital vor einem Jahr.
Geboren worden war Gottlob Erich Reinhold Langner am 21. November 1905 in Weinböhla. Seine Biografie ist nicht restlos erschlossen, so dass ich in unterschiedlichen Quellen voneinander abweichende Angaben fand, so war sein Geburtsort mal Dresden-Cotta, ein anderes Mal Weinböhla, was ich vom dortigen Standesamt / Archiv bestätigt bekam. Seinem Vater, er war Holzbildhauer gewesen, wollte Reinhold nacheifern, erlernte aber erst einmal den Maurerberuf. Er hatte auch kurz überlegt, nun Architekt zu werden. Da er an Vaters künstlerischem Handwerk aber immer noch Interesse hatte, folgte nach dem ersten Beruf des Maurers der eines Holzbildhauers und anschließend ein Studium an der Kunstakademie Dresden. Eine Assistentenstelle bei Prof. A. Winde an dieser Akademie musste er aber nach 1933 aufgeben, weil er Mitglied in der SPD-nahen Arbeiterjugend war. Es folgten schwierige Jahre der Selbständigkeit in der Kunst, ohne Ausstellungen und mit wenig Gewinn. Im Untergrund arbeitete er im antifaschistischen Widerstand mit, so versteckte Langner 1939 eine verfolgte jüdische Person eine Woche lang im Atelier an der Bürgerwiese. Langner bezog mit seiner Familie, Frau Gertrud und den zwei Töchtern Ute und Isa, ein Haus in Dresden-Briesnitz, Hammeraue 27. 1943, mitten im 2. Weltkrieg, wurde er überraschend wieder an die Akademie berufen und mit leitender Tätigkeit betraut. Später folgte die Berufung zum Professor. Das kann man eigentlich nur der Not zuschreiben, die an der Akademie herrschte, als fast alle anderen Akademieangehörigen einberufen oder gefallen waren. Und gleich nach dem Krieg folgte die Berufung zum kommissarischen Leiter der Dresdner Kunsthochschulen. So eine Karriere über das Kriegsende hinaus findet man nicht so oft und spricht für sein großes fachliches Vermögen und einen festen Charakter, glaube ich. 1946 schließlich wurde ihm eine gehobene Tätigkeit als Referent der Kunstverwaltung des Landes Sachsen angetragen, die jedoch schon ein Jahr später erlosch. In der Zeit wurde er Mitglied der SED, hoffte aber vergeblich auf eine „demokratische Kultur“ im Osten und die deutsche Wiedervereinigung. Ab 1947 übernahm Langner dann einen Lehrauftrag für Bauplastik / Architektur an der damaligen TH Dresden, was ihm wohl mehr Freude machte als die Arbeit in der Landespolitik. Hier galt es zunächst Trümmer zu beseitigen, aufzubauen und den Lehrbetrieb wieder zum Laufen zu bringen. Schließlich kam 1951 noch die Leitung des Volkskunstmuseums (früher Oskar-Seyffert-Museum) hinzu, was ihm bis zu seinem Lebensende aber eher eine Herzenssache gewesen sein dürfte. Er widmete sich besonders der erzgebirgischen Volkskunst und räumte ihr einen breiteren Platz im Museum ein. Ein viel beschäftigter Mann also und es blieb noch Zeit, künstlerisch zu arbeiten. Prof. Reinhold Langner starb kurz nach dem Tod seiner jüngeren Tochter am 11. Januar 1957 mit nur 51 Jahren viel zu früh.
Dass er an der Technischen Hochschule sehr geschätzt wurde, erklärte mir ein ehemaliger Student. Mein Freund Architekt Klaus Kaufmann, der damals eine Assistentenstelle an der TH hatte, half 1958 mit, eine Langner-Gedächtnis-Ausstellung im Albertinum aufzubauen, die am 11. Januar 1958 geöffnete wurde. Nach dieser Ausstellung von künstlerischen Arbeiten Langners geriet er m.E. zu Unrecht bald in Vergessenheit, andere Kunstrichtungen wurden vom Staat bevorzugt, bald kam dann der „Bitterfelder Weg“!
In Radebeul hatte Langner nie gewohnt, aber was verband ihn mit unserer Stadt? Es waren zwei Freunde: da waren der Architekt Otto Röder und auch der damalige Intendant der Landesbühnen Sachsen Herbert Krauss.
Mit Röder zusammen, der in Radebeul auf der August-Bebel-Str. 16 wohnte, schuf er in den späten 30-er Jahren mindestens für drei Trafohäuser hölzerne Stützen mit Figuren – am Dürerplatz in Dresden ein größeres Haus mit 8 Figuren aus dem Volk (1945 Totalverlust), an der Dresdner Grundstraße ein Trafohaus mit Wartehalle und 4 Figuren und schließlich das Trafohäuschen in Radebeul an der Kreuzung Augustusweg / Nizzastraße mit 2 solchen Figuren, einer Gärtnerin und einem Winzer – durchaus passend für Radebeul. Die beiden Figuren waren in den 80-er Jahren plötzlich demontiert worden und verschwunden. Nun sah jeder, dass die Stützen gar keine statische Funktion hatten, aber der Schmuck fehlte eben. Nach längeren Bemühungen des damaligen Aktivs für Denkmalpflege konnten die Holzfiguren in einer Werkstatt wieder aufgefunden werden, einen Auftrag zur Aufarbeitung hatte jedoch niemand erteilt – irgendwie mysteriös!
Interessant ist, dass Langner auf ein günstiges Altmaterial – ausgemusterte Holz-Elektromasten (zumeist Kiefer) – zurückgriff und es für seine Schnitzkunst sekundär verwendete und so veredelte. Er muss wohl zu dem Zeitpunkt in einer
wirtschaftlichen Lage gewesen sein, die ihm den Weg zu edlerem Ausgangsmaterial versperrte. Röder und Langner ergänzten sich in ihrem Schaffen über mehrere Jahre, man kann von einer Partnerschaft sprechen.
Es existiert eine weitere vergleichbare figürliche Schnitzerei in Radebeuler Privatbesitz, die jedoch aufgrund des Zuschnitts nie als Stütze vorgesehen war. Hier erkennen wir eine junge Frau, die ein kleines Tier (Wiesel?) trägt. Langner bezog die Struktur des Holzes, also auch Astansätze, in die Gestaltung bewusst ein und erreichte so eine Steigerung des weiblichen Ausdrucks. Wenn man genau hinschaut, erkennt man an Farbresten, dass Langner diese Figur ursprünglich in Farbe (wohl Lasur) angelegt hatte, diese jedoch inzwischen abgewittert ist. Zuerst hatte Otto Röder diese Plastik besessen.

Dietrich Lohse (Fortsetzung folgt)

Weitere Literatur:
„Reinhold Langner“, Katalog zur Gedächtnisausstellung 1957/58, Herausgeber TH Dresden
„Reinhold Langner“, Verl. der Kunst Dresden, 1960
„Dresden – von der Königlichen Kunstakademie zur Hochschule für Bildende Künste“

Teil 2 des Beitrages

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