Wilhelm Rudolph – Dresden 45 Zeichnungen, Lithographien, Holzschnitte

»Strich um Strich wie Wunden«

Zum dritten Mal lädt die Ausstellung Dresdner Kunst Besucher und Kunstfreunde aus nah und fern an den Lößnitzhang, diesmal zur Ehrung des großen Dresdner Realisten Wilhelm Rudolph (1889 – 1982) und zum Gedenken an den Untergang Dresdens in der Bombennacht des 13. Februar 1945 und an die vieltausend Toten dieses mörderischen Angriffs.

Wilhelm Rudolph, in Hilbersdorf bei Chemnitz gebürtig, hat schon früh in seiner Kindheit den im Kreise seiner armen Weberfamilie ungewöhnlichen und nur durch persönliches Talent und privates Mäzenatentum gestützten Entschluß gefaßt, Maler zu werden. Das Studium an der Akademie bei Bantzer und Sterl führte ihn nach Dresden, einer Stadt, die er nach Heimkehr aus dem 1. Weltkrieg kaum noch verlassen hat. Als Maler, insbesondere aber als Holzschneider, hat er sich schon früh, in den zwanziger und dreißiger Jahren, einen Namen gemacht. Auch hat er schon in seinen Ausbildungsjahren erste Erfahrungen mit Tuschfederzeichnungen, ausgeführt mit der Rohrfeder, erworben. Willensstärke und Talent widmet Rudolph dem einzigen ihm darstellenswert Erscheinenden: der Wirklichkeit. Gegenstand ist »alles was sichtbar ist«, Tiere und Landschaften, die Größe der unberührten Natur, aber auch Porträts sind bevorzugte Sujets.

Unter den kunstvergessenen Nationalsozialisten wegen seiner frühzeitig antifaschistischen Wesensart als Professor der Dresdner Kunstakademie 1938 nicht weiter beschäftigt, hat er schon lange vor der Katastrophe im Auftauchen alliierter Aufklärungsflugzeuge über der Stadt das aufziehende Unheil gespürt. Auch der erste Angriff auf das Dresdner Elektrizitätswerk im Oktober 1944 war ihm gleichsam eine Ankündigung des Kommenden.

Der vernichtende Angriff in der Nacht des 13. Februar 1945 zerstörte einen Großteil seines bisherigen Werkes, wie auch der geschnittenen Holzstöcke und nur mit Mühe gelang es Wilhelm Rudolph und seiner Frau einige persönliche und künstlerische Habseligkeiten aus den Trümmern seines Wohnhauses zu bergen, darunter Tusche, Rohrfeder und Zanders-Bütten Papier und wohl auch einige Holzschnittplatten.

Das füglich Gerettete erweist sich in der Hand des Meisters als das einzige, was notwendig war, die vernichtete Existenz Dresdens, dieses einzigartigen italienisch-deutschen Barocktraumes nördlich der Alpen, aufzuheben und mit erregt-besonnenen Strichen in mehr als 200 Tuschfederzeichnungen festzuhalten. Rudolph hat rasch beginnend nach den Schreckenstagen des Februar in einer Art Zwangszustand Straße um Straße, Plätze und Gebäude der Überreste der von ihm so geliebten Stadt in diesen inzwischen berühmten Rohrfederzeichnungen gezeichnet. Parallel dazu hat er in Handzeichnungen die Menschentrümmer, die Heimatlosen und Vertriebenen, die »Trümmer der Wehrmacht« und die vor dem »Aus« stehenden Ausgebombten festgehalten.

Einige wenige, rare Beispiele dieses in der Zeichenkunst in der Mitte des 20. Jahrhunderts als einsamer Monolith aufragenden Werkes zeigt die Ausstellung.

Paar in Trümmern . 1945/46 . Feder, Tusche . 25,2 × 32,7 cm
Bild: Repro G. Klitzsch

Das Dresdner Kupferstichkabinett vereint unter dem Titel »Das zerstörte Dresden« die von Rudolph zusammengestellte Gesamtfolge von 150 Rohrfederzeichnungen wie auch weitere Zeichnungskonvolute.

Moritz Strasse . 1945 – 47 . Holzschnitt . 30,8 × 40,4 cm
Bild: Repro G. Klitzsch

Den Zeichnungen fehlt es trotz der technisch schwierigen Darstellung anonymer Steinhäufungen niemals an Individualität. Das gilt gleichermaßen auch für die in der Ausstellung gezeigten Lithographien, die den Zeichnungen am nächsten stehen, und es gilt auch für die auf der Grundlage des Zeichnungswerkes entstandenen Holzschnitte, die Rudolph gleichfalls schon 1945 – 47 geschaffen hat.

Auch in den Trümmern und Ruinen, in den skelettierten Gebäuderesten und Fassaden, aus denen die Fensterhöhlungen, toten Augen gleich, hervorstarren, bewahren die Straßenzüge und Plätze den Formwillen ihrer Schöpfer, zugleich die Banalität des Menschengemachten bloßlegend und so die geistige Kraft des barocken Dresden auch in der totalen Zerstörung dem Schauenden noch einmal vor Augen führend.

Erhard Frommhold schreibt 1976:
»Natürlich wird nun der Holzstock von ihm … zerrissen, das Messer wütet förmlich im Holz, um Risse und Schraffuren expressiv herauszukratzen. Das Atmosphärische beherrscht nicht nur die skeletthaften Fassaden, die Trümmerlandschaften, sondern auch die in ihnen herumgeisternde Figuren. Die Feder umreißt nicht nur Formen, sie bringt neue Strukturen alter Fassaden hervor, indem sie schwarze Schatten setzt wie Dunkelheiten felsiger Höhlen. Der Stift führt Architektur wieder auf Elementares, auf die zerbrochene Hülle des menschlichen Lebens zurück.« Die Kraft der Zeichnungen und Holzschnitte Wilhelm Rudolphs hält den Terrorangriff und die unmenschliche Zerstörung des Gesamtkunstwerkes »Dresden« und seiner Bewohner über das Gedächtnis unserer Eltern und Großeltern hinaus gegenwärtig. Zu ihrer Wirkung bedürfen sie – wie alle Kunst – der Öffentlichkeit. Den Angriffsopfern, allzumeist Frauen, Kinder und Ältere, ihrem Gedächtnis ist diese Ausstellung gewidmet. Ihres Opfers war sich auch Wilhelm Rudolph bei seiner immensen Arbeit stets bewußt: die Wirklichkeit einer in der Fläche zerstörten Stadt mit den Mitteln seiner Kunst festzuhalten und Zeitgenossen und Nachgeborenen zu überliefern. Sie sind Teil der Seele dieser Stadt geworden. Ihrer zu gedenken, nicht nur am 13. Februar, ist ein Teil unserer Menschlichkeit. Wilhelm Rudolph war nicht der Einzige, der Bilder des zerstörten Dresden geschaffen hat, aber er war der Einzige, dessen Ergriffenheit von der Wirklichkeit in einem solchen Ausmaß überwunden wurde, daß aus ihr eines der größten Zeichnungs- und Holzschnittwerke in der Mitte des 20. Jahrhunderts erwuchs. Sie sind herzlich eingeladen, in dieser Ausstellung große graphische Gestaltungskunst zu erleben, aber auch einen Moment innezuhalten und gewahr zu werden, wes Sie hier eigentlich ansichtig werden.

GK

Ausstellung Dresdner Kunst l Hohe Straße 35 l 01445 Radebeul-West
Ausstellung vom 11.2. – 6.5.2018 l geöffnet Sa, So 11 – 18 Uhr
Ostersonntag (1.4.) geschlossen

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