Jahreswechsel

von Thomas Gerlach

Als ich auf meine Bank kam, um den Jahres-Wechsel einzulösen, wurde ich weggeschickt: Banken geben nicht, die nehmen, erinnerte ich mich. Schließlich hatte uns die überregionale Presse bis zum Überdruss vorgeführt: Gehörte Radebeul noch bis vor reichlich 20 Jahren zum Tal der Ahnungslosen, hat es sich nun zum Hort der Glücklichen gemausert, wo die Leute so reich sind, daß eigentlich alle Gartenzäune aus purem Gold sein müßten. Das sind sie aber nicht, und es sähe wohl auch nicht schön aus – aber darum geht’s hier schon lange nicht mehr.

Die öffentlichen Meinungsmacher sind dabei so stark von ihrer Mission überzeugt, daß sie glauben, daß wir glauben. Sie können nicht wissen, daß es einmal das Selberdenken gewesen ist, das sie hierher geführt hat – und zwar UNSER Selberdenken.

Selberdenken erfordert Selberhinsehn, und da müssen wir – entgegen der öffentlichen Meinung – Verarmung konstatieren – Verarmung nicht unbedingt in finanzieller Hinsicht, aber beinahe in jeder anderen – Verarmung, die sich zeigt in Verlusten an Vielfalt und Originalität.

Da wird am Bahnhof in Radebeul Ost ein Haus weggerissen, das zwar nicht unbedingt schlecht, aber eben alt war, und, nachdem es viele Jahre lang grob vernachlässigt worden war, nicht mehr sehr schön aussah. In Form einer vorgehängten Fassade soll es am schönen neuen Haus als Erinnerung erhalten blieben. Der Eindruck, heißt es, der Eindruck bleibt. Und damit sei ja alles gut.

Ist es das wirklich?

Die Weiberwirtschaft in Altkötzschenbroda weicht einem Steakhouse, das Cafe Storch einem italienischen Restaurant. Originalität weicht Beliebigkeit, Austauschbarkeit. Marktwirtschaft, wird uns dazu erklärt, Marktwirtschaft ist nun mal so. Und das sei schließlich gut so.

Ist es das wirklich?

Eine hochweise Staatsregierung hat festgestellt, daß das Musiktheater der Landesbühnen am besten gefördert werden kann, wenn das Orchester ausgegliedert wird …
Ums Geld – und zwar um nicht vorhandenes – geht es auch bei der für 2012 anstehenden endgültigen Einführung der sogenannten Doppik in den kommunalen Haushalten. Sie sollen, die kommunalen Haushalte, künftig wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden – die sie nun aber mal nicht sind. Das weiß hierzulande jeder, nur die Träumer im Finanzministerium scheinen das nicht zu wissen. Es ist beschlossen, und damit ist es gut.

Ist es das wirklich?

(Mit dem Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft hatte die DDR kurz vor ihrem Ende Ähnliches versucht…)

Ein ganzes langes neues Jahr liegt vor uns – wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen, kann es nur besser werden …

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