Der Leserbrief von Herrn D. aus Coswig im Juniheft, der nur einen Aspekt des Problems aufzeigt, hat mich als ehemaligen Mitarbeiter der unteren Denkmalschutzbehörde Radebeul veranlasst, auch meine Gedanken dazu niederzuschreiben.
Weggang, sh. Überschrift, trifft’s nicht ganz, die Denkmalschutzbehörde ist ja nicht von sich aus weggegangen. Ihr ist der Arbeitsplatz in Radebeul gestrichen worden. Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als habe der Oberbürgermeister (OB) eine für die Denkmalpfleger unpopuläre Maßnahme getroffen, wonach die Radebeuler Denkmalobjekte (ca. 1300!) nun ab Juli 2012 vom Landkreis Meißen aus, genauer gesagt von Großenhain, beraten, geprüft und beschieden werden sollen. Hätte er mich während meiner Dienstzeit auch in die „Verbannung“ schicken können? – aber ja, es ist ja eine freiwillige Aufgabe! Man fragt sich, welche andere Behörde ist noch eine freiwillige, falls die Geldsuche damit noch nicht beendet ist? Das könnte man Herrn OB Wendsche erst mal übel nehmen, zumal er vorhatte, mit dem eingesparten Geld die Landesbühnen zu retten – frei nach dem Motto: tausche Kultur gegen Kultur – zu reichen scheint’s aber nicht. Eigentlich bleibt nur die Frage, warum hat der OB eine ihm anheim gestellte Entscheidung gerade jetzt getroffen. Radebeul ist auch nicht die erste Stadt, die nun ohne eigene Denkmalpflege auskommen muss, Bautzen hat, glaube ich, um 2000 damit angefangen.Dahinter könnte sich aber auch ein Stück weit verbergen, dass ihm die Arbeit der Denkmalpfleger nicht gefallen hat. Das kann sowohl mit den längeren Bearbeitungsfristen für denkmalpflegerische Steuervorteile, als auch mit an Denkmalbescheiden hängenden Forderungen (Auflagen) zusammenhängen. Aber die Denkmalschutzbehörde darf und muss nach Denkmalschutzgesetz in den denkmalschutzrechtlichen Genehmigungen Auflagen (wie z.B. Versagung eines Denkmalabbruchs, baugeschichtliche Erforschung, Untersuchung von historischen Farbbefunden oder die Festlegung eines bestimmten Materials zur Dachdeckung) formulieren, die dann vom Bauherrn zu beachten sind. Damit ist diese Behörde eine Eingriffsbehörde, d.h., sie greift in die sonst üblichen Rechte von Eigentümern und Bauherren ein. Ziel dieses Handelns ist aber immer der Erhalt möglichst vieler Kulturdenkmale am jeweiligen Ort. Die meisten Bauherren sehen das ein, bzw. wollen selbst im Sinne des Denkmalschutzes wirken, andere akzeptieren das notgedrungen und einige wenige gehen gegen die Entscheidung in Widerspruch – soweit seit Jahren übliche Praxis. Ziel ist es keineswegs, die Denkmaleigentümer zu verärgern, so mag es dem OB aber vorgekommen sein, nachdem sich über all die Jahre ein paar Bürger und Investoren bei ihm beklagt hatten. Leider ist es so, dass jeder glaubt, bei der Wissenschaft Denkmalpflege mitreden zu können, bzw. dem Denkmalpfleger oft nicht glaubt – bei der Wissenschaft Medizin ist das anders, dem Arzt glaubt man meistens. Doch der Denkmalpfleger ist ja im übertragenen Sinne Arzt für alte Häuser, also für die Kulturdenkmale! Hat Herr Wendsche vielleicht nicht wahrgenommen, welche sichtbaren Erfolge eine seit 1991 erfolgreich betriebene Denkmalpflegearbeit für das Stadtbild gebracht hat, zumal er selbst in einem Kulturdenkmal wohnt? Ist nicht die steigende Tendenz von Radebeulbesuchern auch auf die gepflegten Kulturdenkmale – Dorfkerne, Winzerhäuser und Villen – und damit u.a. auch auf die Arbeit der Denkmalschutzbehörde zurückzuführen? Nein, natürlich schafft das eine Behörde nicht allein, es gehören verständnisvolle Bauherren genauso dazu wie eine wissenschaftliche Begleitung durch das Landesamt für Denkmalpflege, kurz LfD.
Anfangs haben wir gedacht, dass Sachsen eines der besten Denkmalschutzgesetze der Bundesrepublik hat. Aber darin ist schon verankert, dass eine Große Kreisstadt (diesen Status hat Radebeul) selbst mit hoher Zahl von Kulturdenkmalen den Denkmalschutz nur als „freiwillige Aufgabe“ übernehmen kann. Das hat Radebeul 1995 unter einem anderem OB getan und nun kann sich unser heutiger OB auf der gleichen Gesetzesgrundlage und mit knapper Mehrheit im Stadtrat dieser Aufgabe wieder entledigen – juristisch sauber, aber ein unangenehmer Beigeschmack bleibt. Das war schon mal eine Schwachstelle im viel gepriesenen Sächsischen Denkmalschutzgesetz und dann ist es über die Jahre noch ein paar Mal geändert worden, meist zum Nachteil der örtlichen Denkmalschutzbehörden. Die beste Zeit für Denkmalschutzarbeit waren wohl die 90er Jahre. Am dicksten kam es 2007, glaube ich, als die höhere Denkmalschutzbehörde beim Regierungspräsidium abgebaut wurde und die unteren Denkmalschutzbehörden deren Aufgaben mit übernehmen mussten. Seit dem dürfen die unteren Denkmalschutzbehörden u.a. auch für kommunale Kulturdenkmale Genehmigungen erteilen, d.h., die örtlichen Denkmalpfleger dürfen ihren jeweiligen OBs nun Auflagen für stadteigene Kulturdenkmale stellen. Dazu kam auch das von Herrn D. aufgezeigte Verfahren zur steuerrechtlichen Anerkennung von Leistungen an Kulturdenkmalen, wobei eine große Menge von unbearbeiteten, bzw. angearbeiteten Anträgen vom RP an die unteren Behörden abgegeben wurde. Gleichzeitig gingen aber nun auch laufend neue Anträge ein. Da können schon mal drei Jahre Wartezeit oder mehr eintreten. Weiter kam dazu die Vergabe und Kontrolle von Fördermitteln für denkmalgerechte Bau- und Sanierungsmaßnahmen. Das sollte eigentlich freundliche Gesichter bei Bauherren machen, wenn da nicht die Tendenz bei der Einstellung von Fördermitteln über die Jahre fallend wäre. Dass das alles nur mit personeller Verstärkung der unteren Denkmalschutzbehörden gehen kann, wurde erst verspätet festgestellt!Hat hier das Sächsische Innenministerium bei der Änderung des Denkmalschutzgesetzes etwa mit „heißer Nadel“ gestrickt, oder wollte man dem Denkmalschutz „die Flügel stutzen“? Leider gab es zu wenig kritische Meinungen von unten während der Lesung der Gesetzesänderung, bzw. man hat diese Wenigen nicht gehört.
Ja, und schließlich wurde diese kritische Phase im Denkmalschutz noch zeitgleich von der letzten Gebietsreform in Sachsen überlagert, d.h., es entstanden neue Zuständigkeiten. So auch bei den Gebietsreferenten des LfD, also unseren fachlichen Beratern, in Radebeul. Das hat sich leider auch auf die denkmalpflegerische Beratung im Detail ausgewirkt – bei Herrn X hätte ich den Balkon am Denkmal sicherlich genehmigt bekommen, so der eine Bauherr, nun geht das bei Frau Y nicht! Darunter hat leider auch die Kontinuität der Denkmalarbeit gelitten.
Spätestens hier muss die Schuldfrage an dem Dilemma der Denkmalpflege und warum sie nun „ferngesteuert“ ihre Arbeit an Radebeuler Kulturdenkmalen durchführen muss, gestellt werden. Ich denke, es liegt am wenigsten an der Denkmalschutzbehörde selbst, es liegt nur zum Teil am OB, der die Weiche nun in Richtung Großenhain gestellt hat, es liegt wohl aber am Innenministerium, das im Vorfeld der Änderungen des Denkmalschutzgesetzes nicht alle Folgen bedacht hat. Alles unter der Überschrift: Sparzwang um jeden Preis!
Da ich nicht weiß, ob der OB seinerseits auch Dankesworte an die von ihm auf weite Reise geschickten Denkmalpflegerinnen fand, will ich an dieser Stelle noch einmal den mir im Amt nachgefolgten Kolleginnen, Frau Ploschenz, Frau Löwlein und Frau Wobst für ihre gute Arbeit unter erschwerten Bedingungen herzlich danken. Stellvertretend für eine größere Zahl in den letzten Jahren in Radebeul gepflegter Denkmale möchte ich hier nur die Objekte Figurengruppen in der Eduard-Bilz-Straße, Borstraße 14 und Meißner Straße 45 in Erinnerung rufen. Für Frau Ploschenz und Frau Wobst wünsche trotz erschwerter Bedingungen (ich schätze mal 30 km) alles Gute in Großenhain und hoffe, dass keine negativen Auswirkungen für Radebeuls Denkmallandschaft eintreten werden.
Dietrich Lohse