Kleine Glosse vom Immobilienmarkt

Das muss mal gesagt werden: Der Radebeuler Immobilienmarkt hat’s nicht leicht, gerade jetzt! Die meisten lohnenden Immobilien sind in den letzten reichlich 20 Jahren saniert und verkauft worden und die wenigsten Villen in Ober- und Niederlößnitz sind wieder auf den Markt gekommen, d.h., ganz wenige werden vom Erstbesitzer (bezogen auf den Zeitpunkt nach der Wende) erneut zum Verkauf angeboten. Das wäre dann vielleicht jemand der im Osten gut verdient hat und sich nun am Starnberger See zur Ruhe setzen möchte, warum nicht? Also, das sind wirklich ganz wenige, denn einigen gefällt es ja hier auch recht gut und ich weiß gerade nicht so genau, wie sich die Preise an o.g. See in Bayern entwickeln. Unsanierte Villen sind hier derzeit kaum am Markt – eine Hand voll fielen mir vielleicht noch ein, die haben aber einen mehr oder weniger versteckten Pferdefuß. Sie liegen entweder zu nahe an der Meißner Straße oder haben keine durch Hanglage begünstigte Aussicht, bzw. es ist ein zu großes oder zu kleines Grundstück. Sie wissen ja, die drei wichtigsten Wertkriterien eines Hauses sind 1. die Lage, 2. die Lage und 3. die … ! Sonst wären sie ja längst an den Mann, respektive die Frau (oh Verzeihung, in diesen Kreisen spricht man, glaube ich, von Herren und Damen), gebracht worden. Sollte weiterhin Nachfrage bestehen und die Ware knapper werden, würde das zu einem Anstieg der Preise führen – bei geringerem Umsatz wäre dennoch mit höherem Gewinn zu rechnen. Aber stimmt die Rechnung so? Nun wird auch noch an der Waldstraße, also hinter der Mauer, weiter neu gebaut. Dort hofft ein kleiner Teil der Makler auf Gewinn, aber was bleibt den anderen? Außerdem habe ich den Eindruck, dass Radebeul mit knapp 34 000 Einwohnern einen gewissen Sättigungsgrad erreicht hat – die Million (ich spreche immer noch von Einwohnern), was Dresden zu überholen hieße, ist weit weg! Sagen wir’s doch: Noch eine schlechte Nachricht für Makler, sie können einem schon leid tun.

„Winzer-Villa“ in Radebeul

Wenn in solcher Situation dann ein Objekt, ein eher bescheidenes Landhaus etwa in der Mitte der Länge der Winzerstraße, auf den Markt geworfen wird, muss man sich, das ist ganz klar, etwas Besonderes einfallen lassen. Man muss aus der Kenntnis des Marktes das Gebäude einem gängigen Typus zuordnen, auf den die Leute abfahren. Erfahrungsgemäß gehen in Radebeul Jugendstilvillen gut, aber auch Winzerhäuser aus dem 17. oder 18. Jahrhundert mit ländlichem Charme sind für den Makler keine Ladenhüter. Schade nur, dass besagtes, angegrautes Häuschen weder der einen, noch der anderen Kategorie zuzurechnen ist. Auch gern genommene Attribute wie „mitten im Weinberg“ (die bildliche Darstellung auf der Tafel zeigt einen erfundenen solchen, ist wohl künstlerische Freiheit) oder „mit Elbblick“ treffen an dieser Stelle nicht ganz zu. Ist also guter Rat teuer?

Egal ob es nun der Architekt oder der Makler war, einem fiel etwas ganz Neues ein und nun steht schon über ein Jahr WINZER-VILLA auf der Bauträgertafel. Ich kann mir schwer etwas Konkretes darunter vorstellen und komme bei jedem Spaziergang hier erneut ins Grübeln. Historisch gesehen waren Winzer einfach Dienstleister in Sachen Wein und wohnten eher bescheiden, sie hatten keine Villa. Das um 1890 erbaute Landhaus entstand zur Zeit der Reblauskatastrophe, da suchten wohl die meisten Winzer einen anderen Job! Sollten es jetzt nun Betriebswohnungen etwa für Wackerbarthwinzer in einer Villa werden? Wohl eher nicht. Sollte es ein Wohnsitz für einen Millionär, getarnt als Winzer, sein, ihm würde ja eine Villa gefallen? Ob sich die werte Kundschaft unter dem blumigen Titel etwas vorstellen kann, ist auch fraglich, sie steht, wenn ich mich nicht täusche, gerade nicht Schlange vor dem Haus. Ist es zum Schluss gar nur ein Vermarktungstrick, der auf höheren Gewinn abzielt? So ähnlich funktioniert es ja auch in der Autoindustrie. Der neue Haustyp wirft ein paar Fragen auf und ich bin gespannt, ob das fertig sanierte Haus einige davon beantworten kann.

Der Baufortschritt entwickelt sich eher zäh, man könnte fast von Stagnation seit einem Jahr sprechen. Bei dem Haus spielt m.E. Denkmalschutz keine Rolle, kann also auch nicht die Stagnation herbeigeführt haben. Sicherlich, das muss nicht mit dem komplizierten Haustitel zusammenhängen, da können noch ganz andere Gründe dahinter stecken. Trotzdem ein kleiner Tipp von mir: Versucht doch mal das Haus unter einem normalen, passenderen Titel, so wie das früher die Baufirma Große auch gemacht hatte, zu vermarkten, beispielsweise kleine Villa und das wäre mathematisch gesprochen schon aufgerundet!

Dietrich Lohse

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