Ein bedeutendes Zeichen gegen das Vergessen

Bronzetafel: Am Eingang von Arevipharma, Meißner Str. 35

Bronzetafel: Am Eingang von Arevipharma, Meißner Str. 35


„Vorschau und Rückblick“ als Monatsheft für Radebeul und Umgebung fühlt sich seit jeher thematisch in erster Linie der Kunst und Kultur, der Architektur und der Heimatgeschichte verpflichtet. Allerdings wurde gelegentlich auch ein Blick auf die Industrie und Wirtschaft geworfen, denn schließlich trugen Ansiedlungen von Unternehmen ganz maßgeblich zur Stadtentwicklung Radebeuls bei. Dies trifft in besonderem Maße für Betriebe der pharmazeutischen Industrie zu, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Radebeul Forschung und Produktion etabliert hatten. Das nahm die „Vorschau“ in den letzten Jahren zum Anlass, verdiente Persönlichkeiten zu porträtieren und über die aktuelle Situation zu berichten.
Franz Ludwig Gehe (1810-1882) und Friedrich von Heyden (1838-1926) gebührt der Verdienst, die Gründungen der beiden größten Vorgängerfirmen des dann später unter dem Begriff AWD (Arzneimittelwerk Dresden) bekannt gewordenen Betriebes initiiert zu haben. Ab 1927 wurde Radebeul durch den Umzug der Firma Dr. Madaus & Co. aus Bonn in seiner Bedeutung als Standort der chemisch-pharmazeutischen Industrie weiter gestärkt. Das während der DDR-Zeit für viele Radebeuler und Dresdner Familien Arbeit gebende AWD wurde schließlich 1950 durch den Zusammenschluss der inzwischen volkseigenen Werke GEHE, Madaus und Wecusta (hatte ab etwa 1880 unter dem Namen Cuypers & Stalling auf der Großenhainer Straße in Dresden-Trachenberge Spezialöle produziert) gegründet. Der VEB Chemische Fabrik von Heyden blieb zunächst noch selbständig, bevor er nach einer Namensänderung in VEB Chemische Werke Radebeul 1960 mit dem Arzneimittelwerk Dresden fusionierte. Mit der Vereinigung entstand ein Kombinat, das knapp 3000 Menschen Arbeit gab, allein im Radebeuler Stammwerk waren es ca. 1500. Aber was sagt dieser kurze geschichtliche Abriss über die vielen segensreichen Entwicklungen aus, die den Menschen rund um den Globus Nutzen brachten und Radebeul unter Chemikern und Pharmazeuten in der ganzen Welt bekannt machten? Wer kennt denn (noch) die Forscher, auf deren Wirken sich dieser gute Ruf gründet(e)? Seit 1. Oktober 2012 ist links neben dem Eingang des jetzt unter dem Namen Arevipharma firmierenden Standortes auf der Meißner Straße 35 eine Bronzetafel zu sehen, die einen Beitrag dazu leisten soll, sich Radebeuls großer Vergangenheit als Zentrum der Forschung, Entwicklung und Produktion chemischer Produkte wieder bewusst zu werden. Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GdCh), die Technische Universität Dresden und die Sächsische Akademie der Wissenschaften zeichneten das Radebeuler Werk als „Historische Stätte der Chemie“ aus und gedenken damit namentlich folgender Wissenschaftler, die mit ihren Erfindungen und deren technisch-chemischen Umsetzungen Geschichte geschrieben haben: Friedrich von Heyden, Hermann Kolbe und Rudolf Schmitt (alle drei wirkten bei der Synthese von Salicylsäure mit, dem Wirkstoff in fiebersenkenden Mitteln wie z.B. Aspirin), Richard Seifert (dem Erfinder der Rezeptur für das Odol-Mundwasser) und Richard Müller (dem „Vater“ der Silicone, d.h. Kunststoffe). Damit befindet sich Radebeul in der Gesellschaft so renommierter Wirkungsstätten wie denen von Robert Bunsen in Heidelberg oder Justus von Liebig in Gießen.
Auch wenn gegenwärtig die pharmazeutische Industrie ihre Rolle als großer Arbeitgeber in Radebeul verloren hat (Arevipharma hat gegenwärtig etwa 250 Mitarbeiter), so ist deren Verbleib am vertrauten Platz auf der Meißner Straße dennoch ein Grund zur Freude. Zwar sind die Fußstapfen der Altvorderen groß, aber wer weiß: Vielleicht gelingt eines Tages einem begnadeten Erfinder eine Entdeckung, die von hier aus wiederum ihren Siegeszug um die Welt antritt! Das wäre dann bestimmt Grund für eine weitere Gedenktafel, über deren Enthüllung ich gern noch zu meinen Lebzeiten berichten würde.

Bertram Kazmirowski

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