Editorial Juni

Vor über zwei Jahren war das umfangreiche Bauvorhaben um die „Sidonienhöfe“ bereits Gegenstand der Betrachtung an dieser Stelle. Zu jener Zeit ragten noch rostige Eisenstäbe, als Relikt einer langjährigen Investruine der Nachwendezeit, in den Himmel eines verwahrlosten Stadtteils.
Heute kann das Projekt nun als abgeschlossen gelten. Dem Bauherrn Dr. Christoph Dross, der sich bereits in Kötzschenbroda verdient gemacht hat, ist Respekt zu zollen, sich einer derart komplexen Investition angenommen zu haben. Die Neubebauung eines kleinen Stadtteils ist freilich kein leichtes Unterfangen. Traditionalisten und architektonische Bilderstürmer liegen naturgemäß im Widerstreit – gerade in einer baulich so sensibel gewachsenen Stadt wie der Unseren.
Das Eckhaus an der Haupt-/ Sidonienstraße wurde als Denkmal zwar nicht bewahrt, orientiert sich als „Leitbau“ im Gesamterscheinungsbild aber weitgehend am einstigen Vorbild. Die ausgedehnte Neubebauung zwischen Wichern- und Sidonienstraße ist für Radebeuler Verhältnisse zweifellos zu eng, strahlt hingegen durch ihre Farbgebung und subtilen Wegestruktur eine fast unerwartete Heiterkeit aus. Unschöner Schwachpunkt stellt der wohl obligate „Schrei nach Modernismus“, im unorganisch angesetzten Riegel zwischen historisierendem Eckhaus und Bahnhof dar. Im Zusammenspiel mit dem wuchtigen Parkhaus in Richtung Bahngleise wird die kastenartige Kubatur wohl kaum dem kleinstädtischen Gepräge gerecht.
Aber: „Jedem Menschen Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann“. So gesehen sollten wir dankbar sein, das es ist, wie es ist und uns an der erwachenden Urbanität im Umfeld des Kulturbahnhofs erfreuen.

Sascha Graedtke

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