Editorial Augustheft 2013

„Radebeul sieht rot“ oder „Die Entdeckung der Langsamkeit“.
Als kurz nach der Wende die ersten Reisen in die Städte des westlichen Teils von Deutschland führten, gab es für Auge und Sinn so manches zu entdecken. Teils staunend, teils verwundert nahm ich die überaus dichte „Verampelung“ aller Wegenetze wahr.
Fraglos hat in den letzten beiden Jahrzehnten der Verkehr auch in unseren Gefilden deutlich zugenommen. Allerdings überkommt mich wartend in ausdauernden Rotphasen so mancher Zweifel, in wie fern die dreifarbige Signalanlage den Verkehr nun reguliert, oder – welch Sakrileg – vielleicht doch manchmal eher behindern könnte. Insbesondere in autoleeren späten Abendstunden stellt sich die Frage nach der in Rotverschiebung tendierenden Farbspielerei. Fällt eine Grünphase ganz aus, sollte man ebenso nicht verwundert sein – dann fädelt sich ein vorrangiges öffentliches Verkehrsmittel in den Verkehrsfluss ein.
Im Zuge des ?aufortschritts auf der Meißner Straße kann man beim Durchfahren von Radebeul nun immer mehr an einer durch Ampeln rhythmisierten Kontemplation teilhaben. So gesehen eben ganz neue Eindrücke in einer altvertrauten Stadt.
Bekanntermaßen entwickelte die verdiente Verkehrshochschule in Dresden seinerzeit komplexe logistische Regulierungssysteme für japanische Großstädte. Es wäre kaum verwunderlich, wenn im Zuge der Globalisierung die entschleunigende Ampelschaltung unseres beschaulichen Ortes gar in einem „outgesourcten“ Ingenieurbüro einer chinesischen Provinz entwickelt worden wäre.
Vielleicht sollte man das Auto aber eben auch einfach mal stehen lassen und mit dem Fahrrad…an einer roten Ampel stehen.

Sascha Graedtke

 

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