Beitrag zum Naundorfer Dorf- und Schulfest am 19.-21. Juni 2015

Die Geschichte der Naundorfer Schulturnhalle und die Geschichte des Naundorfer Lehrers Kurt Max Stopp

Beide Geschichten, die Geschichte eines Hauses und die Geschichte eines Lehrers, berühren sich eng. Sie kreuzen sich nicht nur in der gleichen Zeit, am gleichen Ort und in der gleichen Straße, sie sind auch inhaltlich miteinander verwoben. Ich will Sie Ihnen, verehrte Leser, versuchen, sichtbar zu machen.

Zuerst zur Geschichte der Schulturnhalle, deren 100-jähriges Bestehen in diesem Jahre feierlich begangen wird.

Nachdem am 12. Juli 1905 die neue Naundorfer Schule auf der Bertheltstraße 10 eingeweiht wurde, mussten die fast 5oo Naundorfer Schulkinder noch zehn Jahre auf eine eigene Sporthalle warten. Aber das Warten lohnte sich, bekamen sie doch 1914/15 die modernste Schulturnhalle, die es damals in der Lößnitz gab. Später, im Jahre 1925/26, wurde noch eine Hausmeisterwohnung angebaut und auf deren Galerie ein großer Kinoapparat aufgestellt.

Die im Schul- und Turnhallenbau schon sehr erfahrene Architektengemeinschaft Gebr. Kießling hatte nicht nur eine große, sich zum Schulhof öffnende und mit vielen modernen Geräten ausgestattete Turnhalle geplant, sondern die Turnhalle auch mit einer Bühne versehen. Damit war ein Ort für das Chorsingen und Theaterspielen gefunden.

Zwei getrennt voneinander liegende und von außen betretbare Umkleidekabinen machten sogar das Mädchenturnen möglich. Das wurde nicht nur mit Begeisterung von den Mädchen angenommen, sondern war etwas Neues in dieser Zeit.

Neu im Jahr 1914 war auch, dass die geistliche Ortsschulaufsicht in eine weltliche umgewandelt wurde. Die einfache Volksschule Naundorf mit acht Lehrern wurde zu einer mittleren erhoben und ein Direktor eingestellt. Dieser erste Direktor hieß Paul Kurze und kam aus Riesa. Er unterrichtete unter anderem auch Religion. Erinnerungen an ihn gibt es noch. Von Rudolf Bergner, einem früheren Schüler, wurde er als gewichtiger Mann mit Glatze und Klemmer beschrieben, „der bei Ärger ganz schön brüllen konnte, so dass man ihn im ganzen Hause hörte“. Aber der genannte Direktor hatte auch andere Seiten: „ Die letzte Schulstunde im Jahr bei Herrn Direktor Kurze war die schönste für mich“, berichtet mir eine frühere Schülerin , „da erzählte Herr Kurze Märchen und das war so eindrucksvoll, dass diese Erinnerung daran bis heute in mir weiterlebt.“

Max Stopp (1914/15) und um 1940 Foto: I. Schwabe

Max Stopp (1914/15) und um 1940
Foto: I. Schwabe


Bei vielen alten Naundorfern ist die Erinnerung an ihre Schulzeit nicht so sehr mit Herrn Direktor Kurze, sondern vielmehr mit dem Vater dieser Schülerin verbunden, mit dem Lehrer Kurt Max Stopp. Von ihm kann man sagen: „Er lebte noch lange in den Herzen seiner Schüler fort.“
Foto: I. Schwabe

Foto: I. Schwabe


Max Stopp kam 1912, kurz vor Beginn des Turnhallenbaus, an die Naundorfer Schule. Zu dieser Zeit gab es Lehrerüberschuss in Sachsen und es war nicht leicht, eine Lehrerstelle zu bekommen. Als damals 22-jähriger hatte der aus Chemnitz stammende Max Stopp schon Amtszeiten in mehreren Dresdner Schulen, in Radeberg, Lomnitz und Schönfeld hinter sich. „Nach diesen bewegten Vikarjahren“, so schreibt er selbst, „wurde ich Ostern 1912 in Naundorf bei Kötzschenbroda als Hilfslehrer in den Mittelklassen eingestellt. Im Herbst 1913 legte ich meine Wahlfähigkeitsprüfung ab und war nun berechtigt, mich um eine ständige Lehrerstelle zu bewerben. Da brach der Weltkrieg aus. Als ungedienter Landsturmmann wurde ich zunächst im Schuldienst weiter verpflichtet. Zwei Jahre Kriegsdienst folgten“.
Riegenturnen Foto: I. Schwabe

Riegenturnen
Foto: I. Schwabe


Vorher, im Oktober 1914, beurteilt ihn der Direktor Kurze. Er bescheinigt ihm Klugheit, methodische Begabung und erzieherische Einflussnahme. Über seinen Umgang mit Kindern schreibt er: „Der Verkehr mit den Kindern ist freundlich und liebevoll, ohne dass es an straffer Zucht mangelt. Die Kinder bringen ihm warme Zuneigung entgegen.“
Turnverein, um 1918 Foto: I. Schwabe

Turnverein, um 1918
Foto: I. Schwabe


Ähnliches berichten später seine Schüler über ihn: „Der väterliche Typ eines Lehrers war Max Stopp. Bei allen hatte er einen guten Ruf. Dazu war er Vorsitzender der Deutschen Turnerschaft“. Das stimmt nicht ganz, denn Max Stopp war ehrenamtlicher Vorsitzender des DTSB bis zum Jahr 1939.
Turnerriege, 1939 Foto: I. Schwabe

Turnerriege, 1939
Foto: I. Schwabe


Unter seiner Leitung fanden Schau- und Bühnenturnen, aber auch Theateraufführungen und Faschingsbälle statt. Mit der neuen Schulsporthalle und seinem intensiven Einsatz hatte die Sportbewegung in Naundorf einen mächtigen Zulauf bekommen und einen Höhepunkt erreicht.

Max Stopp selbst stand in dieser Zeit im Zenit seines Lebens. Er hatte 1921 geheiratet, eine Familie gegründet und ein Haus auf der Bertheltstr. 6 gebaut, wenige Meter von seiner geliebten Schule und der Sporthalle entfernt. Denken seine früheren Schüler beim Vorbeigehen an diesem Haus an ihn, so bleibt die Erinnerung an einen, der mit Leib und Seele Lehrer war. Seine Tochter ergänzt: „Mein Vater, Max Stopp, war aber auch mit Leib und Seele Familienvater. Er wanderte gerne mit uns, spielte Tischtennis und ordnete sich einem Familienleben unter, das oft von der Krankheit der Mutter geprägt war.“

Max Stopp selbst fasst in einem Brief an seinen Sohn sein Leben wie folgt zusammen: „Ich hatte Grund genug, meinem Schicksal dankbar zu sein, obgleich es mich mein Leben lang sattsam gepiesackt hat. Herzensnöte und Herzensfreude habe ich kennen gelernt. Größte Befriedigung verschaffte es mir, dass ich so lange Vater sein konnte, als ihr mich zu Eurer Menschwerdung brauchtet.“

Max Stopp wusste nicht, dass das sein letzter Brief sein sollte. Wenige Tage später starb er, am 28. Januar 1950. Er war noch nicht 60 Jahre alt.

Seine Entlassung aus dem Schuldienst 1945 hat ihn psychisch sehr belastet und könnte zu seinem frühen Tod beigetragen haben.

Gudrun Täubert

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