Der Besitz an Weinbergen und Ländereien ist im Laufe der Geschichte seit dem Mittelalter wechselhaft und vielfältig, läßt sich aber im Rahmen dieser Bearbeitung nicht erfassen. Sicherlich hat es an Stelle des heutigen Gebäudes schon Vorgängerbauten gegeben, ohne daß jedoch zur Zeit ein exakter Nachweis möglich ist. Uns interessiert der Bau, der zwischen 1742 und 1745 unter Oberlandweinmeister Friedrich Roos als barocke Anlage nach Brand des Vorgängerbaues entstand. Unter Roos hatte der Besitz wohl die größten Ausmaße gehabt. Der 1745 vollendete Barockbau besaß einen betonten Mittelbau von 8 Achsen und 2 Geschossen mit mittigem Haupteingang, Dachreiter, darin Turmuhr mit Glockenspiel (bis 1924) und Schlagwerk. Nach Ost und West schlossen sich Seitenflügel mit zurückgesetzten Baufluchten und niedrigeren Firstlinien an. An der Ostseite, 8 Achsen, 2 Geschosse, waren Wohnräume angeordnet, während sich westlich an den Mittelbau eine Orangerie mit wohl ebenfalls 8 Achsen anschloß. lnsgesamt wurde eine symmetrische Anlage angestrebt, wobei funktionelle Unterschiede der Flügel einer strengen Symmetrie entgegenstanden. Man kann davon ausgehen, daß es im Grundstück noch verschiedene Wirtschaftsgebäude gegeben haben muß – Weinpresse, Ställe, Schuppen – diese lassen sich jedoch heute nicht mehr nachweisen. Im 18. Jahrhundert wurde eine in der Hauptachse des Gebäudes nach Süden bis zur Meißner Straße verlaufende Allee angelegt, die weitestgehend der heutigen Ludwig-Richter-Allee entspricht. Ein großes rundes Wasserbecken, welches in der Hauptachse lag, erscheint vor der Jahrhundertwende auf alten Fotos, muß dann durch den Straßenbau verschüttet worden sein und wurde beim Bau des Eigenheimes Brettschneider, Ludwig-Richter-Allee 36, in den 70er Jahren wiedergefunden, jedoch aus Unkenntnis beseitigt. Das Gebäude diente im Laufe des18.und 19. Jahrhunderts verschiedenen begüterten, zum Teil adligen Familien als ständiger oder Sommerwohnsitz mit repräsentativer Ausstattung. Eine gleichzeitige wirtschaftliche Funktion als Zentrum von Weinbergen und Obstanbau darf jedoch nicht übersehen werden – der große, als Tonnengewölbe unter dem gesamten Gebäude verlaufende Weinkeller, der jetzt als Kohlen- und Heizungskeller bzw. zur Kartoffeleinlagerung genutzt wird, ist Zeugnis dafür. 1737 wird von Jakob Krause eine zum Besitz gehörende große Baumpresse genannt. Es lassen sich in Radebeul noch mehrere derartige Landsitze, die im äußeren Erscheinungsbild, Nutzung und Alter vergleichbar sind, nachweisen: Haus Sorgenfrei, Haus in der Sonne, Wackerbarths Ruhe oder Haus Kynast. Der wohl prominenteste unter den Besitzern ist Minister Graf Heinrich von Brühl, der den Sitz als einen unter vielen 1763 erwirbt, jedoch noch im selben Jahr am 28.10.1763 stirbt. Die Nutzung änderte sich eigentlich erst wesentlich nach der Reblauskatastrophe von 1885. ln deren Folge kam der Weinbau in ganz Radebeul zum Erliegen, eine Parzellierung und Bebauung mit Wohngrundstücken setzte ein. Ab 1878 zeichnet sich in Altfriedstein schon eine neue Nutzung ab, als Carl Lamsbach die Wasserversorgung über einen Tiefbrunnen mit Dampfmaschine (Verbleib unbekannt) neu gestaltet und eine Pension als Sommerfrische einrichtet. Die Kapazität wird 1895 vergrößert, indem die Orangerie (West?ügel) aufgestockt wird. Das gepflegte Anwesen der Pension ist in einem im Stadtarchiv vorhandenen Werbeprospekt dokumentiert. 1901 jedoch setzt unter der Dresdner Baufirma Schilling & Gräbner eine einschneidende Parzellierung mit neuen Straßenzügen ein. Die o.g. Firma erwirbt auch Altfriedstein und läßt 1903 den Westflügel und Teile des Mitteltraktes abreißen. Neue Straßen begrenzen den stark reduzierten Besitz nun auf drei Seiten, wobei für die damals Brühlstraße heißende nördliche Straße eine hohe Stützmauer mit Treppe, Grotte und Delphinbrunnen (um 1985 entwendet) errichtet wird. Trotz des empfindlichen Verlustes durch Abriß muß eingeschätzt werden, daß die beim Umbau durch die Fa. Schilling & Gräbner entstandenen Bauteile, wie Krüppelwalmdach auf der Westseite, halbrundes Dachgiebelfenster mit Putzornament, die neue Eingangssituation mittels kleiner Laube mit zwei Bögen und die einläufige, gußeiserne Haupttreppe wertvoll und erhaltenswert sind. Ab 1928 ist eine Nutzung als städtisches Rentnerheim für zunächst 10 Insassen nachgewiesen. Auch nach dem Kriege bleibt diese Nutzung bestehen. Die Dichterin Jeanne Berta Semmig (geb. 1867) lebt von 1945 (ausgebombt in Dresden) bis zu ihrem Tode 1958 hier. Zwischenzeitlich nutzt um 1961 die Landesbühne Sachsen das Objekt als Wohnheim. Die letzte Nutzung war wie das Objekt Neufriedstein Pflegeheim des Rates der Stadt Radebeul, Abt. Gesundheitswesen. Seit 1989 steht das Haus leer und müßte renoviert werden.
Dietrich Lohse
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