Radebeuler Herbst- und Weinfest – die Anfangszeit im morbiden Altkötzschenbroda

oder Zu jeder Feier Schuhe von Meyer

Altkötzschenbroda an einem Sonntagabend im August. Zwei pinkfarbene Telefonzellen künden von post-modernen Zeiten. Aus der Dachrinne des ehemaligen Gasthofes „Goldener Anker“ wuchert Moos und allerlei Grünzeug. Der „Ratz-Batz-Möbelabholmarkt“ läßt vermuten, daß hier kein Dornröschen schläft und „Kinderlachen schönstes Lachen“ mußte „Meyers Schuherlebnis“ weichen. Grelle Reklame beginnt die Spuren der Vergangenheit zu übertönen. Die Zeit läßt sich nicht anhalten. Doch die verblassenden Schriftzüge an altem Gemäuer wie „Roh-Eis Verkauf Rudolf Küttner“ oder „Destillation Reinhold Senf“ sollten wir bewahren für die, die nach uns kommen. Romantischer Reiz des Verfalls wohin das Auge schaut, denn nahezu lückenlos erhalten ist die ursprüngliche Bebauung des Dorfangers. Dichtgedrängt schmiegen sich die Bauernhöfe aneinander. Lebendig und natürlich wirken deren Fassaden durch ihre feinen erdfarbenen Tonabstufungen. Große Tore schirmen die Bewohner ab von der Außenwelt. Ein wenig abweisend und respekteinflößend zugleich. Überwindung hat es uns gekostet, als wir im vorigen Jahr von Hof zu Hof zogen und darum baten deren Innenleben den neugierigen Blicken fremder Menschen preiszugeben. Besessen waren wir von der Idee, ein Fest in und um Altkötzschenbroda zu gestalten, so wie wir es aus Erzählungen, von vergilbten Fotos und alten Dokumenten des Stadtarchivs her kannten. Voller Zurückhaltung und Skepsis hörte man uns artig zu. An Versprechungen aus dem Rathaus aber glaubte in Altkötzschenbroda schon lange niemand mehr. Umso größer war die Überraschung, als dann tausende Besucher kamen. Das Gesicht Altkötzschenbrodas hatte sich verändert. Die bröckelnden Fassaden bildeten die schönste Festkulisse. Zwei Tage wurde über und unter der Erde gefeiert. Menschen kamen miteinander ins Gespräch, und wer dabei war, gerät noch heute ins Schwärmen. Nun ist ein Jahr vergangen und unsere Gedanken kreisen wieder um Altkötzschenbroda. Anwohner, Mitglieder der Friedenskirchgemeinde, die Puppentheatersammlung, das Sächsische Staatsweingut, der Handels- und Gewerbeverein und zahlreiche Kollegen aus der Stadtverwaltung bringen viele gute Ideen ein und wollen die Organisatoren unterstützen. Nicht nur das Kirchweihfest, auch ein Geschäftsjubiläum fällt in diese Zeit. Die Feinbäckerei Büchner ist seit 80 Jahren in Familienbesitz. Frischer Blechkuchen nach alten sächsischen Rezepturen, reichverziertes Teegebäck und natürlich Dresdner Stollen sorgen für Kundschaft von Striesen bis Friedewald. Die jetzigen Inhaber, Günter Gellermann und seine Frau Gisela, eine gebürtige Büchner, fühlen sich sehr wohl und geborgen in Altkötzschenbroda. Und natürlich lassen sie sich etwas Besonderes für das Herbst- und Weinfest einfallen. Gegenüber wohnt der Bauer Reiche, Bei ihm wird gebaut und gezimmert. Bis Ende September soll alles fertig sein, Wieder flott gemacht wird nach langer Pause auch „Schwarzes Weintonne“. Der Dorfanger, das Kirchgelände, die Streuobstwiesen, das Elbufer, die Festwiese und das Hohe Haus mit seiner Parkanlage werden in das Festgeschehen einbezogen. Pech hat, wer Bierzelt. Diskosound und Schnäppchen-Angebote sucht. Denn unser Fest soll mit einheimischen Traditionen und der uns umgebenden Landschaft im Einklang stehen. Ruhig und fröhlich soll es zugehen – für ältere Menschen und junge Familien gleichermaßen angenehm. Gäste aus ganz Deutschland, aus Italien und den östlichen Nachbarländern werden erwartet und sind uns herzlich willkommen.
Karin Gerhardt

Festprogramme sind ab Mitte September in allen Radebeuler Buchhandlungen, im Rathaus, in Kultur- und Freizeiteinrichtungen erhältlich. Weitere Informationen erfolgen über das Festbüro mit Sitz im Bildungs- und Kulturamt, Körnerweg 3.
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