Ein Mann der kleinen Kunstwerke
Mit sechzig ist man noch nicht unbedingt weise, aber doch schon ziemlich abgeklärt. Und wenn Horst Hille sich den Hemingway-Bart streicht und in voller Überzeugung sagt: „Bloß kein Stress, das macht mich alle“, dann kommt damit so ein Stück Abgeklärtheit durch. Auch die Distanz, die er zum eigenen Dasein findet, klingt wahrhaftig und vor allem ehrlich. Und vielleicht auch ein wenig schlitzohrig. „Stell dir vor, du stirbst heute, was für ein schönes Datum dann auf deinem Grabstein steht!“
Das Datum 13. August, das in der Geschichte der Deutschen mehr und mehr zum Profilierungsexkurs für Politiker avanciert, bildete für Horst Hilles Leben immer Zäsuren. Am 13. August des Jahres 1941 wurde er im sudetendeutschen Aussig geboren, am 13.August des Jahres 1961 baute man die Mauer in Berlin und brachte ihn so um die Freude des 20. Geburtstages. Am 13. August 1971 bezog er Atelier und Wohnung auf der Kottenleite Nr. 32 in Radebeul, wo er heute immer noch wohnt und arbeitet. Und am 13. August 2001 ist Horst Hille nun erfolgreich 60 geworden. Erfolgreich deshalb, weil er es als absoluter Autodidakt geschafft hat, sich in der Kunstszene – nicht nur Radebeuls – einen Namen zu machen. „Da musste zum Horschtel gehen, der macht das“, war schon in der Jugend ein geflügeltes Wort unter Horst Hilles Kollegen, Freunden und Bekannten. „Horschtel“ hatte das, was man ein „glückliches Händchen“ nennt und die Friemelei machte ihm vor allem Spaß.
In Radebeul besuchte er die Grundschule bis zur achten Klasse und lernte dann ab 1956 drei Jahre lang Bauhandwerker. Zehn Jahre war Horst Hille auf dem Bau, bis er dann urplötzlich 1969 alle Brücken hinter sich abbrach und beschloss, von dem zu leben, was ihn schon immer nebenbei umgetrieben hatte – von der Kunst nämlich. Ausschlaggebend für diesen Entschluss war u.a. seine Bekanntschaft mit dem gestandenen Maler Gunter Herrmann. Der glaubte, in Horst Hille ausreichend Talent für eine künstlerische Laufbahn entdeckt zu haben. Gleichzeitig lernte Horst Hille über den Malerkollegen eine für ihn völlig neue Welt kennen. Im offenen Haus der Herrmanns verkehrten u.a. Leute wie Ralf Winkler alias A.R. Penck. „Und dann war man auf einmal so in diesen Kreisen drin“, erinnert sich Horst Hille an diese Jahre. Mit so manchen Dingen von damals kann er bis heute allerdings noch immer nichts anfangen. Nie konnte er sich bspw. für die gegenstandlose oder abstrakte Malerei begeistern. „Ich war immer der Form verhaftet. Und in der Malerei hört es bei mir bei Rembrandt auf“.
Dem winzigen Detail, dem filigranen Moment in der Malerei gehört Hilles ganze Aufmerksamkeit. Das hat er über die Jahre beibehalten – malt in Aquarelltechnik immer wieder den Blick aus seinem Atelierfenster auf die Weinberge und druckt in der Grafik immer wieder Radebeuler Motive en miniatur. Unter Kennern hat er sich einen guten Namen mit seinen frech-erotischen Arbeiten gemacht. Die reißt man ihm förmlich aus den Händen.
Horst Hille hat auch die DDR-Preise beibehalten, verkauft seine Kunst nicht billig, aber äußerst preiswert. Gewissermaßen ist das auch seine Antwort darauf, wie gleichgültig ihn politische Veränderungen lassen. Reisen waren ihm nie ein besonderes Bedürfnis – „die Bilder musst du im Kopf drin haben, das ist Reise genug“ – und mit wenig auszukommen hat er über die Jahrzehnte lernen müssen.
Im Herbst diesen Jahres wird es eine Horst Hille-Personalausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie geben – anlässlich seines 60. Geburtstages.Die Kleinplastiken allerdings, die Haus und Garten bewohnen – Uhus, Raben, Liebespaare u.a.m. – wird man dort vergeblich suchen. Sie entstehen meist, wenn draußen schönes Wetter ist. Horst Hille erklärt das mit dem Satz „Wenn die Sonne schön scheint, dann klopp ich wieder mal‘n Stein“. Mögen in den nächsten Jahren noch viele dazukommen.
W. Zimmermann