Im Mai wird die ›Vorschau‹ 20. Im Laufe des Jahres werden wir deshalb ab und zu auf unsere Anfänge zurückblicken und an treue Begleiter erinnern. Einer unserer treuesten Begleiter war der Druckfehlerteufel. Gleich auf der zweiten Seite des ersten Heftes schlug er zu. Als Urheber der Titelgrafik war dort »Architekt Thilo Hänsch« genannt. Gemeint war natürlich Thilo Hänsel, dessen Federzeichnungen alle Ausgaben von 1990 zieren sollten. Auch er wurde ein treuer Begleiter der ›Vorschau‹, deshalb haben wir ihn gebeten, zum Jubiläumsjahrgang wieder Titelillustrationen beizusteuern.
Die Lust am Zeichnen hat Thilo Hänsel (* 1939) schon während der Grundschulzeit in Oberschöna gepackt und seitdem nicht wieder losgelassen. Eigentlich wollte er sein Hobby zum Beruf machen, Grafik und Buchkunst studieren. Als das nicht klappte, riet ihm sein Freiberger Lehrer Werner Küttner, es mit der Architektur zu versuchen, was er auch tat. Gern erinnert er sich daran, dass die Architekturstudenten an der TU Dresden damals von Professoren wie Walter Howard, Georg Nerlich und Walter Hentschel, bei dem er Hilfsassistent wurde, ein gerüttelt Maß an künstlerischer Bildung mit auf den Weg bekamen. Ab 1965 war Thilo Hänsel dann dreieinhalb Jahrzehnte als »Gesellschaftsbauer« tätig, lange beim Kreisbaubetrieb Dresden-Land. Der Zeichenstift hat in dieser Zeit nie geruht und danach erst recht nicht mehr.
Anders als man beim Rückblick auf die ›Vorschau‹ von 1990 vermuten könnte, interessieren den Zeichner Thilo Hänsel, seit 1966 Radebeuler, nicht nur die markanten Baudenkmale der Lößnitz, mit denen er sich zum Teil auch von Berufs wegen oder während seiner Mitarbeit im »Aktiv für Bau- und Denkmalpflege« zu befassen hatte. Vielmehr will er zeichnend all dem nachspüren, was unsere Stadt ausmacht. Er nimmt sich dabei immer neue Aufgaben vor, mal den Lößnitzgrund mit seinen Mühlen, mal die dörflichen Wurzeln, die großen und kleinen Türme der Stadt, Villenstraßen, Elb- und Weinbergslandschaften, die Kirchen und Gottesäcker etc. Aus einigen dieser Themen sind im letzten Jahrzehnt Buchprojekte entstanden, aus einigen schon Bücher: das »Lößnitzgrundbuch« (2003), die »Elbigramme« (2006), der »Höhenwind« (2008), immer in Kooperation mit dem Poeten und Freund Thomas Gerlach. In seiner dicken Radebeuler Skizzenmappe hat Thilo Hänsel so manche Ecke festgehalten, der sonst vielleicht kaum jemand Beachtung schenkt, der eilige Passant schon gar nicht. Vor allem solche Blätter, teilweise schon von dokumentarischem Wert, haben wir gemeinsam mit dem Künstler für die ›Vorschau‹-Titel 2010 ausgewählt.
Nicht nur unsere Titelillustrationen stehen – wie jedes Jahr – unter einem neuen Motto. Diesmal hat sich auch der Rahmen geändert. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge haben wir uns von unserem 1991 eingeführten alten Layout verabschiedet. Nicht aus Eitelkeit oder Neuerungswahn. Wir haben dabei in erster Linie an Sie, unsere geschätzten Leser gedacht. Das Auge liest ja schließlich mit.
F. A.
[V&R 1/2010, S. 12]