»Tief bewegt nahm er in einer festlichen Veranstaltung in Schloß Wackerbarth die hohe Auszeichnung entgegen. ›Dieser Tag ist wohl die Krönung meines Lebens. Aber alle, die mit mir gestritten und gekämpft haben, möchte ich mit einbeziehen in diese große Ehrung. Vor allem meine Frau Helene, die mir in all den Jahren zur Seite stand…‹« So lesen wir heute in einer Tageszeitung von damals. Damals, das war im Dezember 1965, und der aus Anlass seines 70. Geburtstages mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Radebeul Geehrte war der in vielfältiger Weise um die Stadt verdiente langjährige Vorsitzende der Ortsgruppe des Kulturbunds Hellmuth Rauner.
Die Eckdaten der Biographie von Albert Hellmuth Rauner, geboren am 21. Dezember 1895 in Chemnitz, verstorben am 25. November 1975 in Radebeul, wo er seit 1933 gelebt hatte, sind im Stadtlexikon nachzulesen. Auch die ›Vorschau‹, die alte wie die neue, hat zu runden Jubiläen schon mehrfach sein Porträt gezeichnet. Was für ein Leben! Reich an Höhen und Tiefen und immer »sozial« und »demokratisch« geprägt (Rauner war seit 1922 Mitglied der SPD). Statt eines biographischen Abrisses hier einige Episoden und Erinnerungen, die den Menschen Hellmuth Rauner charakterisieren:
Nach 1945 war das Backen von Brot eine besonders wichtige Aufgabe. Zur Einweihung eines neuen Backbetriebes in Ottendorf-Okrilla sollte jeder Abgeordnete ein Brot erhalten. Doch Hellmuth Rauner, damals Präsident des Kreistages, widersprach: Im Kreis gab es zig Alten- und Kinderheime, Pflegebedürftige, Ausgebombte, Umsiedler – sie sollten mal etwas mehr Brot bekommen. Manche der Abgeordneten knurrten, die meisten stimmten ihm zu. So kamen die Brote einem sozialen Zweck zugute. Neben der unmittelbaren Not der Nachkriegszeit hatte der Funktionär aber auch die Zukunft im Blick. Als Pläne diskutiert wurden, Rebflächen umzuackern, um dafür Kartoffeln und Gemüse anzubauen, »…damit die Kinder satt würden«, wehrte sich Rauner dagegen. Der Gedanke zog zwar, doch die Zerstörung der Lößnitzlandschaft wollte er nicht dulden und mit verantworten. Schon 1950 war der kritische Genosse seine Funktion als Kreistagspräsident wieder los und konnte sich fortan umso intensiver der Kulturarbeit widmen.
Sohn Ulrich erinnert sich, dass mancherlei Ideen am runden Tisch im Wohnzimmer des Elternhauses in der Käthe-Kollwitz-Straße konkrete Gestalt annahmen, so zum Beispiel die Aufsehen erregenden Radrennen um den »Avanti-Preis«. Hellmuth Rauner arbeitete ein Netzwerk der Verantwortlichkeiten aus, und die Organisation klappte. Frau Helene war die Seele dieses Hauses sowie der Familie und hielt ihm, dem Vielbeschäftigten, den Rücken frei. Und die Kinder – kamen sie nicht zu kurz? Sie konnten über all ihre Probleme mit ihrem Vater sprechen; es hätten auch noch mehr sein können! Immer hatte er Zeit und ein offenes Ohr für seine Söhne.
Zu zahlreichen Künstlern, für die er ein verständnisvoller Gesprächspartner war, hatte Hellmuth Rauner freundschaftliche Kontakte, so zu Rudolf Nehmer, Bernhard Kretzschmar und Walter Howard. Zu diesem sagte er einmal: »Wenn Du schon in Radebeul wohnst, dann solltest Du auch der Stadt etwas hinterlassen!« War es der Anstoß zu den »Sternguckern«? Herzlich waren die fast nachbarschaftlichen Beziehungen zum Maler Paul Wilhelm und dessen Frau Marion, der »Wilhelmine«, wie sie von Rauners liebevoll genannt wurde. Paul Wilhelm hatte Hellmuth Rauner und seine Kinder portraitiert, und auch »Die Weinlese« gehört zum Ambiente im Wohnzimmer der Familie.
Hellmuth Rauner wollte immer etwas Positives für seine Heimatstadt – Radebeul war es bald geworden – bewirken, und er setzte dabei darauf, dass »bei einer zielbewussten Lenkung der Bereitschaft unserer Bürger Großes und Vorbildliches geschaffen werden kann«. Er ging mit bestem Beispiel voran. Seine 1970 entstandenen Pläne zur kulturellen Entwicklung Radebeuls gingen bis in das Jahr 2000, doch sie wurden als Utopien abgetan.
Rauner – vielseitig interessiert – war als Vorsitzender der Ortsgruppe des Kulturbundes (1947-1964) der beste Sachwalter für breit gefächerte Hobbys. Philatelie, Numismatik, Fotografie, Natur- und Heimatfreunde, Denkmalpflege, Gerhart-Hauptmann-Archiv etc. hatten im Kulturbund ihre Dachorganisation und konnten selbstständig agieren. Auch die Indianistikfreunde fanden hier ihre Heimstatt sowie die Pirckheimer-Gesellschaft. Fritz Treu wurde von Hellmuth Rauner zu deren Leitung ermuntert: »Du schaffst das!«
Rauners Vorliebe galt dem Wein und allem »Zubehör«. Als Pfadfinder und noch als jung Verheirateter war er ihm abhold gewesen: »In mein Haus kommt kein Wein!« Doch der spätere Küfermeister hatte seinen Sinn gewandelt, liebte Geselligkeit und Fröhlichkeit, machte Weinproben zum Erlebnis, auch wegen der Geschichten drumherum, die er gern zum Besten gab. Er wurde zum Sammler von Gläsern, Humpen, Weinetiketten, Büchern. »Ich sammle aus Freude am Sammeln und um diese Freude weiterzugeben an den Betrachter.« Wie groß muss seine Enttäuschung gewesen sein, als er feststellte, dass Teile seiner »Weinsammlung«, die er dem Heimatmuseum Hoflößnitz übereignet hatte, verschwunden waren. Auch das »Verschwinden« der ›Vorschau‹, die er in den 50er Jahren mit aus der Taufe gehoben hatte, hatte er erleben müssen. Er ließ sich in seinem Engagement nicht beirren und setzte sich bis zum Lebensende weiter für die Bewahrung des kulturellen Erbes ein. Und für den Wein – »DE VITE VITA« ist über einem Weinstock in sein Grabkreuz auf dem Friedhof an der Johanneskapelle geschnitzt, ein lateinisches Wortspiel, das man etwa so übersetzen könnte: »Von der Rebe kommt der Genuss des Lebens.«
Lässt sich ein Fazit über Hellmuth Rauner ziehen? Das haben schon Zeitgenossen getan, die seine Herzensgüte, Aufrichtigkeit, Anständigkeit, Aufgeschlossenheit, Rührigkeit, sein Verantwortungsgefühl und auch seine kritische Distanz hervorhoben. Und was würde er zu unserer Zeit sagen? Er wäre über die Vereinigung beider deutscher Staaten glücklich! Sie hätte seinen Lebenstraum von Frieden – Freiheit – Einheit ergänzt!
Noch wir Heutigen haben dem Ehrenbürger Hellmuth Rauner manches zu danken.
Erika Krause (IG Heimatgeschichte)
[V&R 10/2010, S. 16-18]