Die Hölle bleibt geschlossen. Umjubelte Premiere der »Zauberflöte« an den Landesbühnen

Leidenschaftlich und voller Zorn gibt sich die Königin der Nacht ganz und gar unversöhnlich. »Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen«, singt sie mit kraftvoller Stimme und man möchte ihr in diesem Moment eher nicht im Wege stehen. Sarastro heißt ihr Gegenspieler und der ist der Herr der Priesterschaft des Sonnenkreises. Um eben jenen Sonnenkreis entzündet sich die Rivalität zwischen Sarastro und der Königin der Nacht. Wie leicht könnte in diesem Konflikt die aufkeimende Liebe zwischen Pamina und Tamino zerrieben werden. Was zum Glück eines harmoniesüchtigen Publikums und vor allem dank der Musik des Genies Wolfgang Amadeus Mozart natürlich nicht geschieht. All das konnte der Zuschauer am 16. Oktober an den Landesbühnen Sachsen erleben, als die mittlerweile fünfte Inszenierung der wohl bekanntesten Mozart-Oper Premiere hatte.

Zwölf Jahre liegt die letzte Inszenierung der »Zauberflöte« am Radebeuler Theater inzwischen zurück. Ein Dutzend Jahre nur, in denen sich die Gesellschaft aber radikal gewandelt hat. Schon von daher wurde es Zeit für eine neue Lesart dieser Märchenoper, die bei näherem Hinschauen eigentlich alles andere als ein Märchen erzählt. Vielmehr ist es eine Art »unendlicher Geschichte« über die zahllosen Wirrnisse innerhalb der Menschengemeinschaft.

Natalie de Montmollin, Norman D. Patzke, Hannah Schlott und Silke Richter (LBS/Martin Krok)

Nicht nur für das Radebeuler Theater ist es ein Glücksfall, dass eine gerade mal 31 Jahre junge Regisseurin sich zugetraut hat, ihre Sicht auf die Probleme der Gegenwart in die wunderbare Musik Mozarts einzubinden, was ihr überzeugend gelungen ist. In Therese Schmidts Inszenierung bleibt die wahre Hölle verschlossen, auch wenn die Königin der Nacht noch so droht und wütet. Die Botschaft lautet eher: Konflikte kann, ja sollte man anders lösen als durch Gewalt und Intrige. Dabei krempelt die Regie die Fabel jenes Wielandschen Märchens aber keineswegs um, das Mozarts Librettist Schikaneder als Vorlage wählte. Sie betrachtet nur alles, was geschieht, aus einem etwas andern Blickwinkel. Das beginnt schon damit, dass der Vogelmensch Papageno aus einer Art Gewächshaus heraus die Szenerie betritt und die »listige Schlange« in Taminos Träumen eher als Plüschtier daherkommt.

Bühnenbild wie auch Kostüme (Stefan Wiel) sind von großartiger Konsequenz geprägt. Zwischen den Akten finden keine Umbauten statt, alles optisch Notwendige wird im Interieur eines einzigen Raumes mit verschiedenen Ebenen versammelt. Hagen Erkrath gibt dem Sarastro nicht nur durch seinen reifen Bass die notwendige Würde. Christina Poulitsi als Königin klettert in ihrer berühmten Arie mühelos die Koloraturtreppe hinauf. Norman D. Patzke ist ein äußerst munterer und auch recht furchtloser Papageno. Die Knabenrollen sind tatsächlich mit Knaben besetzt, die auch wahrhaft gut singen können. Judith Hofmann ist eine bezaubernde Pamina, in die sich Tamino geradezu zwangsläufig verlieben muss. Die Kostüme des Chores wirken zwar durchweg etwas farblos, doch stimmlich bringen die Damen und Herren sich erstaunlich wirkungsvoll ein. Das Orchester unter Stabführung von GMD Michele Carulli unterstreicht mit großartigem Gespür auch für die ganz leisen Töne den guten Gesamteindruck der Inszenierung, die vom Premierenpublikum begeistert aufgenommen wurde.

W. Zimmermann

[V&R 11/2010, S. 18f.]

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