Nach 1990 haben die Bürger und die Stadtverwaltung von Radebeul in Eigeninitiative, verbunden mit viel Eigenkapital und Fördergeldern, in Altkötzschenbroda ein urbanes Kleinod für die Stadt, die auch oft das Sächsische Nizza genannt wurde und wird, geschaffen. Dieses Kleinod wurde durch die Jahrhundertflut 2002 bedroht, teilweise zerstört und wiederum mit viel Eigeninitiative, Eigenkapital und staatlichen Fördergeldern so aufgebaut, dass es weiterhin eine Perle im städtischen Ensemble von Radebeul und damit ein touristischer Anziehungspunkt weit über die Landeshauptstadt Dresden und den Freistaat Sachsen hinaus ist. Deswegen ist es verständlich, dass der Staat (das sind wir, und nicht nur das Volk, wie vor 1990) dieses Kleinod vor zukünftigen Hochwasserschäden schützen möchte und den Auftrag zum Bau eines Hochwasserschutzes erteilt hat. Vielleicht verständlich ist auch noch, dass im ersten Ansatz eine Lösung gefunden wird, die technisch und ökonomisch optimal, allerdings landschaftsarchitektonisch schlecht ist und keine Bürgernähe, sondern Abschottung ausstrahlt. Der Staat soll und muss verantwortungsbewusst mit den Steuergeldern der Bürger umgehen. Völlig unverständlich ist aber, wie seitens der Verantwortlichen von Stadt und Land die Öffentlichkeit in dieses Bauvorhaben, das das Gesicht von Altkötzschenbroda wesentlich verändern wird, einbezogen bzw. nicht einbezogen wird.
Mit Betroffenheit habe ich in Vorschau & Rückblick, Heft12/2010, in dem Beitrag von Karin Funke gelesen, dass die Pläne bis zum 18. November im technischen Rathaus auslagen und die Widerspruchsfrist der Betroffenen am 2. 12. 2010 abgelaufen ist. Warum, frage ich, hat die Stadtverwaltung nicht die Chance genutzt und die Bürgerschaft breit und intensiv, auch in den Medien, über das geplante Bauvorhaben informiert? Warum ist dazu keine Ausstellung im Foyer des technischen Rathauses als Information und Diskussionsgrundlage für die Bürger initiiert und realisiert worden? Warum hat man die Bürger für so eine Ausstellung nicht zur Mitarbeit aufgerufen, um Zeit- und Kostenaufwand in Grenzen zu halten? Formal gesehen ist natürlich bis jetzt alles dem Verwaltungsrecht entsprechend abgelaufen, Informationspflichten und Fristen sind eingehalten.
In Radebeul werden u. a. Kunstpreise, Bauherrenpreise und sogar ein Couragepreis verliehen. In der Sparkasse und in Autohäusern der Stadt werden Kunstausstellungen durchgeführt. Sollte dort nicht mal eine Ausstellung zu einem aktuellen, die Bürger der Stadt bewegenden Thema möglich sein. Ich kann nur hoffen, dass der Zug noch nicht endgültig abgefahren ist und seitens der Planenden bei der Landestalsperrenverwaltung, der Stadtverwaltung und durch eine Mitsprachemöglichkeit der Betroffenen sowie der Bürger von Radebeul noch eine technisch sinnvolle sowie landschaftsarchitektonisch gute und damit bessere Lösung als die derzeitige gefunden wird. Oder wollen Erstere in Sachsen ein Stuttgart 21 bzw. sollen Letztere nach der kleinen Hufeisennase suchen? – mit Sicherheit ein Vorgehen, das den Staat und damit uns mehr kosten wird als eine von allen Beteiligten gemeinsam getragene Lösung.
Dr. Volker Gerhardt
[V&R 1/2011, S. 22f.]