Ruth Hohmann konzertierte in Coswig
Erwin Strittmatter hätte sie wohl eine »Anderthalbmeter-Großmutter« genannt. Viel mehr als diese Körperhöhe erreicht Ruth Hohmann tatsächlich nicht. Umso mehr erstaunt es immer wieder, über welch enormen Umfang die Stimme der Jazzsängerin, die am 19. August 2011 ihren 80. Geburtstag feiern wird, immer noch verfügt. Am 6. Februar gastierte Ruth Hohmann im Gemeindezentrum von Coswig (warum eigentlich nicht in der BÖRSE?) vor einem bestens gestimmten und wohltuend jazzbegeisterten Publikum. Begleitet wurde sie dabei vom Pianisten und Posaunisten Hartmut Behrsing und dem Bassisten Stefan Lasch. Beide gehören zum renommierten »Jazz Collegium Berlin«, in dem Ruth Hohmann bereits seit 1972 den Part der Sängerin besetzt.
Mit »I’m Confessin’ that I Love You”, einem 1930 von Doc Daugherty nach einem Text von Al Neiburg komponierten, wunderbar sanften Jazzstandard, startete die Hohmann das Konzert. Mit dem »Mackie Messer Song«, der »Sophisticated Lady« und der verruchten »Sweet Georgia Brown« (die eigentlich – so Stefan Lasch – ein sehr loses Weib gewesen sei) sammelte sie gleich in der ersten halben Stunde jede Menge Pluspunkte. Was sie im Grunde aber gar nicht nötig hat, denn vierzig Jahre Jazzgesang auf der Konzertbühne inklusive einer zwanzigjährigen Dozententätigkeit für Jazz und Chanson an der Musikhochschule »Hanns Eisler« in Berlin ließen die kleine große Frau allen nur möglichen Stürmen trotzen. Noch immer steckt in ihrer Stimme nicht nur eine unbändige Kraft, sondern auch ein wunderbar swingendes Timbre. Das ermöglicht es ihr, mühelos auch die schwierigsten Klippen im Jazzgesang zu meistern. Die öffnen sich z.B. in Ray Charles Hymne »Hallellujah« oder in der zwar volkstümlichen, aber dennoch nicht unkomplizierten Dixienummer »Oh When The Saints Go Marching In«, aber auch in Gershwins »’S wonderful« und nicht zuletzt in dem Mitsinger »Bye, bye Blackbird«.
Dass der Pianist Behrsing und der Bassist Lasch trotz der enormen Präsenz von Ruth Hohmann immer auch mit eigener Virtuosität punkten konnten, ist wohl in der jahrzehntelangen Zusammenarbeit begründet. Und beide haben natürlich Gewichtiges einzusetzen. So komponierte Behrsing beispielsweise einst die Titelmusik zur Krimireihe »Polizeiruf 110«, und Stefan Lasch leitet nicht nur das Jazz Collegium Berlin, sondern outet sich auch als Freund und Sammler von Kontrabasszitaten. Dazu gehört auch der folgende, einst von Hanns Eisler geprägte Ausspruch »Höre ich den Bass nicht, scheiß ich auf die Melodie!« Etwas ungehörig zwar, aber gleichzeitig sehr wahrhaftig.
Das Publikum im Gemeindezentrum war bunt gemischt; selbst einige Kinder waren mitgekommen und verfolgten genauso aufmerksam wie ihre Eltern oder Großeltern das Konzert. Und sie wurden von deren Begeisterung angesteckt. Beim »Entertainer«, der ersten Zugabe des Abends, klatschten sie im Rhythmus und bei dem von Johannes Brahms komponierten, sanften »Guten Abend, gut Nacht« summten sie leise die Melodie mit. Was für ein stimmungsvoller Abschluss eines Konzertes.
JAZZ im GZ gibt es wieder am 8. April 2011; dann wird mit The Shy Boys ein Trio Latin Jazz spielen.
W. Zimmermann