Das Rote Haus in Moritzburg

Geschichte, Wellness, Kulinarisches

»Welches rote Haus meinst du?«, werde ich manchmal gefragt, wenn ich von DEM Roten Haus erzähle. Und dann geht die Verwirrung noch weiter: »in Dippelsdorf, in Friedewald oder in Moritzburg, wo denn nun? Wahrscheinlich hatte ich vorausgesetzt, dass alle Leute, mit denen ich zu tun habe, es eben kennen (müssen). Denn dafür gibt es gute Gründe.

Rotes Haus, Gartenseite mit dem Liedermacher Esteban aus Ecuador

Das Beste ist die Lage: direkt am Dippelsdorfer Teich, idyllisch zwischen Wanderwegen und der Kleinbahn unweit vom Haltepunkt »Friedewald-Bad« gelegen, lädt es zum Verweilen ein, oder auch zum Mieten oder zum Besichtigen, denn im­ mer wieder locken Kunstausstellungen in die oberen Räume. »Ich fühle mich dem Expressionismus verbunden und begeistere mich auch immer wieder an den Farben«, sagt Ulrich Schütte, der Geschäftsführer des Anwesens und erinnert an die Zeit der Brücke-Maler, die sich hier an derselben Stelle vor etwa hundert Jahren im Vorgänger-Gebäude trafen – und nach den Diskussionen genau hier entspannten und hin und wieder ein Bad nahmen.

»Vier Badende«, Ernst-Ludwig Kirchner (1910)

»Im Jahre 1905 wurde das Strandbad am Dippelsdorfer Teich eingerichtet. Ein Bestandteil war ein um 1900 errichtetes rotes Badehaus. Es wurde ebenso wie der markante Höhenzug am Südufer des Teiches zum bestimmenden Element eines ganzen Komplexes von Zeichnungen und Gemälden der Künstlergruppe DIE BRÜCKE. Deren Mitglieder hielten sich in den Sommern von 1909 bis 1911 mehrfach in Dippelsdorf auf.«1 Zur Künstlergruppe zählen Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt-Rottluff.

Nachdem der Ort lange Zeit fast in Vergessenheit geraten war, ist es der Initiative des Moritzburger Bürgermeisters Georg Reitz zu verdanken, dass genau hundert Jahre später an derselben Stelle wieder ein rotes Gebäude steht – größer, schöner und vielseitiger als jemals zuvor. So steht nun seit 2005 anstelle des alten Badehauses eine moderne Neuinterpretation des Gebäudes, das Künstlern, aber auch einfach interessierten Menschen für Feierlichkeiten zur Verfügung steht. Neu interpretiert heißt: nach altem Vorbild neu gebaut hat es der regional bekannte Architekt Stephan Eichler. Er hat auch die Mehrzweckhalle an der Célestin-Freinet-Schule in Dippelsdorf oder das Sportstättengebäude in Weinböhla konzipiert und bauen lassen.

Das Rote Haus ist inzwischen ein Ort der Entspannung, der Kunst, Kultur und gesunden Lebensart. Es baut symbolhaft Brücken zwischen allen diesen Welten, die sonst separat angeboten werden. So ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sich im Bereich des Roten Hauses der neu errichtete Bilzpark (Bilz-Lehrpfad) sowie ein Kräutergarten befinden. An dem im Übrigen die Brücke-Künstler wohl Ihre Freude gehabt hätten. Denn aus einiger Entfernung betrachtet scheint man die Konturen eines, in leuchtend expressionistischen Farben gemalten, Bildes zu erkennen. Doch das Ganze ist nicht nur zum Anschauen da: finden doch die Kräuter bei den Kursen rund um das Thema Kochen und zur gesunden Ernährung gleich nützliche Verwendung. Ob es nun Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Weiterbildungsveranstaltungen oder therapeutische Kurse sind: Das Rote Haus am See ist aus seinem Schlaf erwacht und verspricht für die Zukunft zu einer richtig interessanten Adresse für Kultur und gesunde Lebensweise zu werden.

»Kulinarische Genüsse sind wichtig für alle Sinne«, sagt der Geschäftsführer Ulrich Schütte, »ich selbst koche leidenschaftlich und bin immer offen für Neues.« So präsentierte er, mit Hilfe seiner Assistentin, beispielweise Ende Mai typisch afrikanisches Essen aus Namibia – in Verbindung mit einer beeindruckenden Diaschau aus dem westafrikanischen Land. Im August ist das Angebot natürlich dünner als sonst, aber am 9. August soll es hier um Rosen gehen, um frische essbare Rosenblüten – für den Genuss wie auch zur Entspannung. Ergänzt wird der Abend mit Entspannungsübungen und verspricht »sinnliche Erlebnisse für Genießer.«

Am 7. September soll es ebenfalls um Genuss gehen, diesmal rund um den Apfel. Versprochen wird ein dreistündiger Genussabend »mit einer einzigartigen Menüfolge aus Sinneshäppchen zum Erleben, Nachdenken und Verspeisen.« Apfelweisheit soll die Phantasie beflügeln und Apfelgenuss die Vernunft berühren, heißt es im Ankündigungstext. Mein Tipp: Wer weder das Rote Haus noch die Vorträge kennen gelernt hat, sollte dies unbedingt bald nachholen.

Übrigens: alle drei Ortsbezeichnungen sind richtig. Die Gemeinde »Dippelsdorf mit Buchholz« wurde 1940 in Friedewald umbenannt. Friedewald gehörte Mitte der 90er Jahre für kurze Zeit zu Reichenberg, wurde aber (wie Reichenberg auch) 1999 nach Moritzburg eingemeindet. Aber: Wer das Rote Haus einmal besucht hat, wird sowieso wiederkommen und braucht dann keine Ortsbezeichnung mehr.

  1. Wikipedia
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