Gedanken zum Radebeuler Stadtwappen

Wir haben ein schönes, aussagekräftiges Stadtwappen; möglicherweise beneidet uns manch andere Kommune darum. Es entstand 1924 als Folge der ersten Stadtbildung Radebeuls (zeitgleich erhielt Kötzschenbroda das Stadtrecht und ein eigenes Wappen) und gilt seit 1935 für die Gesamtstadt Radebeul. Es ist also mit 87, bzw. 76 Jahren noch recht jung.

Stadtwappen an der Sternwarte

Die Elemente des Wappens – Weintraube und Rad – gehen auf die älteren Gemeindesiegel zurück. Eine Weintraube hatten u.a. die Gemeinden Kötzschenbroda, Oberlößnitz und Zitzschewig im Siegel, das Rad tauchte in einem Altradebeuler Siegel auf (ein anderes Radebeuler Gemeindesiegel zeigte dagegen den „Wilden Mann“, der aber keine Berücksichtigung im Wappen fand). Die Grafik zeigt in einem unten gerundeten Schild in der oberen Hälfte die Weintraube mit Laub und darunter ein Rad mit sechs Speichen. Die farbliche Gestaltung ist brillant: grüne Traube auf weißem Grund, silbernes Rad vor rotem Fond. Die Symbole des Radebeuler Wappens sind durch jeden Betrachter leicht zu deuten: die Traube steht natürlich für Landwirtschaft, hier die Sonderform des Weinbaus. Das Rad dagegen stellt sowohl das Verkehrswesen als auch die Industrie dar.

Ein erstes Stadtwappen wurde im Rathaus (erbaut 1899/1900), genauer gesagt, im Ratssaal in einem der östlichen Fenster später eingefügt und ist heute noch zu sehen. Seit 1936 sollten wir von Dresden kommend am östlichen Widerlager der Autobahnbrücke durch das in roten Granit gehauene Radebeuler Wappen begrüßt werden. Es konnte in den 90-er Jahren bei der Autobahnverbreiterung geborgen, versetzt und so erhalten werden. Dieses Wappenschild hat damals aus bisher unbekannten Gründen eine Bekrönung durch Stadttürme erhalten, ein Wappenzubehör, das m.E. das Vorhandensein einer Stadtmauer voraussetzt, die es ja in Radebeul nie gab. Schließlich finden wir noch ein weiteres Stadtwappen in einem Sandsteinblock bei der Sternwarte, 1982 vom damaligen Kulturbund initiiert. Dieses Wappen hat mittlerweile ein wenig Patina bekommen. Die Aufzählung von Wappen im öffentlichen Raum erhebt hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Mir scheint es, als wäre unser Wappen nach 1990 etwas in Vergessenheit geraten, ein leise schleichender Prozess, denn es wurde ja offiziell nie abgeschafft. Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts prangte es farbig auf den Briefköpfen der Stadtverwaltung, dann nur noch in Schwarz-Weiß. Bis es schließlich vom „Schwupps“, einer schwungvoll stilisierten Weinranke vom Briefkopf verdrängt wurde. Nun ist es nur noch ganz klein links unten auf Rathausbriefen zu finden. Das aktuelle Amtsblatt verzichtet auch auf dasselbe. Ja, auch bei unserem Blatt „Vorschau und Rückblick“ müssen wir die gleiche Bewegung weg vom Wappen beobachten. Von 1954 bis Anfang 1958 war es relativ groß auf den Titelblättern zu finden, von 1958 bis 1963 war es geschrumpft. Der neue Jahrgang 1990 hatte das Wappen noch und ab 1991 fehlt das Wappen auf allen Titelblättern.

Stadtwappen Radebeul

Warum nun diese Entwicklung, dieser schleichende Prozess des Verschwindens unseres Stadtwappens? Dass die große Stadtgründung und der Autobahnbau in die Zeit des „tausendjährigen Reiches“ fielen, von dem wir uns ja aus verschiedenen Gründen und zu recht abgewandt haben, ist nicht zu ändern und erscheint mir, auf das Stadtwappen bezogen, eher unwesentlich – die Elemente des Wappens sind absolut neutral. Das kann also kaum der gesuchte Grund sein. Dass man in der neuen Stadtverwaltung nach der Wende manches neu anpacken und besser machen wollte als im vorherigen Rat der Stadt, war ein logischer Ansatz. Man wollte schwungvoller und dynamischer in Erscheinung treten. Das sollte der „Schwupps“ rüberbringen, der aber m.E. kein gültiger Ersatz für unser Stadtwappen sein sollte. Man findet diese Ranke inzwischen u.a. auch auf Wegweisern, Begrüßungsplakaten und T-Shirts.

Stadtwappen Dresden

Kommen wir noch einmal auf die o.g. Autobahnbrücke über die Meißner Straße und die dortigen Stadtwappen zurück. Es mag Zufall sein oder nicht, das Dresdner Wappen auf der Westseite der Brücke ist nach wie vor deutlich zu sehen, während man das Radebeuler Wappen, was ja auch eine Begrüßungssymbolik haben könnte, vergeblich sucht. Grundsätzlich ist es noch da, aber man findet es hinter einer Firmenwerbung (KFZ-Branche) und einem Spitzahorn-Wildwuchs kaum.

War für die Aufstellung der Werbetafel eine Genehmigung erforderlich, wenn ja, wer hat sie gegeben und hat derjenige das Wappen nicht gesehen? Wäre die Stadt zuständig oder doch die Autobahnaufsicht? Das hinter der Werbung stehende Gewerbe ist sicherlich ein Radebeuler Gewerbesteuerzahler, aber kann man mit ihm deswegen nicht noch mal über den Standort seiner Werbetafel reden? Mit wem und wie könnte man das Schild so versetzen, dass das Wappen ganz zu sehen ist? Kann das hiesige Gartenamt die Fällung des Ahorns veranlassen oder ginge das auch nur über die Autobahnaufsicht? Wem gehört die Böschung neben der Autobahn eigentlich? Fragen über Fragen …

Vor ein paar Jahren hatte ich über die Denkmalschutzbehörde einen vergeblichen Versuch hinsichtlich der Freistellung unseres Wappens unternommen, leider waren Brücke und Wappen nicht in der Radebeuler Denkmalliste enthalten und eine Aufnahme in diese durch das Landesamt für Denkmalpflege nicht vorgesehen. Damals fand ich zu diesem Thema keinen im Rathaus, der sich zuständig fühlte, aber heute frage ich als Bürger.

Mir ist auch klar, dass eine schnelle Antwort kommen könnte, wie, wir haben doch gerade Wichtigeres zu tun, z.B. in Naundorf einen besseren „Kreisel“ zu bauen. Das sehe ich ein, aber ganz unwichtig ist das Thema Stadtwappen doch auch nicht, oder?

Vielleicht versandet im behördlichen Getriebe so mancher Blick auf das fast Alltägliche, sodass ein waches bürgerliches Engagement daher nicht schaden kann. Ein Stadtwappen ist auch im Computerzeitalter kein alter Zopf, Erhalt und Pflege desselben ist Tradition und ehrenvolle Aufgabe, der sich jede Stadt stellen sollte. Hierzu müsste sich auch der jeweilige Oberbürgermeister bekennen, was doch sicherlich auch für Radebeul gilt.

Sehr viele Städte in Deutschland zeigen im öffentlichen Raum, bei Korrespondenzen und Zeitungen immer noch stolz ihr Wappen, wie Dresden, Berlin, Hamburg und Mainz – nehmen wir uns ein Beispiel und erinnern uns daran, dass wir auch ein vorzeigbares Stadtwappen haben!

Quellen:

Werte unserer Heimat, Bd. 22, „Lößnitz und die Moritzburger Teichlandschaft“, Autorenkollektiv, Akademie Verlag Berlin, 1973

„Aus der Geschichte Radebeuls – Entwicklung der Lößnitzgemeinden zur Stadt“ (Broschüre), Kulturbund der DDR / OG Radebeul, IG Heimatgeschichte, L. Schließer, M. Richter, 1989

Stadtlexikon Radebeul – Historisches Handbuch für die Lößnitz, Autorengruppe um F. Andert, Herausgeber Stadtarchiv der Stadt Radebeul, 2005

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