Zur Premiere von »Die Drei von der Tankstelle« am 3. März 2012
Der ganz persönliche Rahmen dieses Premierenabends stimmte: Eingerahmt vom Dauerschmunzeln des sympathischen Mittvierzigers zu meiner Linken und dem anmutigen Lächeln eines jüngeren weiblichen Ensemblemitgliedes der Landesbühnen zu meiner Rechten hatte ich ungehinderte Sicht auf die Bühne, während hinter mir eine offenbar erinnerungstrunkene Seniorin leise vor sich hin sang oder summte, wann immer die Handlung ihr dazu Gelegenheit gab. Auch sonst schien alles angerichtet für einen erbaulichen Theaterabend, an dem sich in ein altersmäßig sehr weit gespanntes Publikum (8 bis 80 Jahre) auch viele bekannte Gesichter aus der hiesigen Theaterszene, Wirtschaft und Politik gemischt hatten. Und jene, die gekommen waren, wurden mehrheitlich sicher nicht enttäuscht: Die Drei von der Tankstelle, womit Peter Kube sein Regiedebüt in Radebeul feierte, bescherte zwei Stunden guter Unterhaltung, in denen wohl so mancher beim Wiederhören von Gassenhauern wie etwa »Ein Freund, ein guter Freund…« oder »Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder…« Szenen aus dem legendären UFA-Streifen von 1930 mit dem jungen Heinz Rühmann vor seinem inneren Auge ablaufen ließ.
Ähnlich wie bei anderen Produktionen, die einen erfolgreichen Film auf die Bühne bringen (man denke dabei etwa an Amadeus, 2006/07 in Radebeul zu sehen), muss auch diese erstmals 2005 in Berlin zur Aufführung gekommene Bühnenfassung (Tatzel/Struppeck/ Gergen) dagegen anspielen, mehr als nur ein farbiges Abziehbild des beliebten filmischen schwarz-weiß Originals zu sein. Und das gelingt dem Ensemble alles in allem überzeugend. Geführt von einer einfallsreichen Regie, getragen von einer farbenfroh-funktionalen Bühnenausstattung (Barbara Blaschke) und untermalt von der (zuvor eingespielten) vertrauten Musik in frischem Gewand agieren die drei Hauptdarsteller (Holger Uwe Thews, Marc Schützenhofer, Mario Grünewald) sympathisch unabhängig von ihren Vorbildern aus dem Kino. Kubes Inszenierung verlegt die Handlung in die brandenburgische Provinz und spart nicht mit aktuellen Bezügen: E10 spielt ebenso eine Rolle wie der aktuell hohe Benzinpreis (auf der Zapfsäule waren realistische 1,62€ für den Liter E10 angegeben) und Altkanzler Schröders Verstrickungen in den Bau der Ostseepipeline. Ja, selbst die aktuelle Malaise um die Zukunft der Landesbühnen wird thematisiert: Willy, Hans und Kurt Anatol sind nach ihrem Urlaub arbeitslos, weil sie Schauspieler sind und ihre Bühne dichtgemacht hat. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und dazu gibt es immer wieder reichlich Anlass. Etwa, wenn Rechtsanwalt Dr. Kalmus (Matthias Henkel) sich als Pflanzenliebhaber gibt, die Liebe der größten Pflanze in seinem Büro (Dörte Dreger als Sekretärin Fräulein Mondschein) aber erst sehr spät und verschämt wahrnimmt. Oder, wenn die Aktenkoffer der beiden geheimnisvollen russischen Geschäftsleute (Olaf Hörbe und Jost Ingolf Kittel) aus dem Parallelschwung geraten, aneinanderknallen und sich der ältere der beiden immer wieder mit einem knurrig-empörten »Nu schto?« (»Was ist los?«) nach hinten wendet. Oder, wenn Lilian Cosman (sympathisch agil agierend und tänzerisch sowie sängerisch auf der Höhe der Aufgabe: Franziska Hoffmann), die Tochter des Autohausbesitzers Hagen-Ludger Cossmann, an der Tankstelle auf die drei sehr unterschiedlich balzenden Tankwarte trifft und sich daraus Tanzeinlagen entwickeln, an deren Beginn sie sich stets ihrer Handtasche schwungvoll entledigt. Sandra Maria Huimann entfaltet in ihrer Rolle als Nachtclubbesitzerin Edith von Turoff einen Hauch von verruchter Noblesse, die in Anmutung und Gestalt an berühmte Darstellerinnen der UFA-Zeit erinnert (Zarah Leander, Marlene Dietrich). Tom Hantschel dagegen bleibt in seiner Rolle als Hagen-Ludger Cossmann, Direktor des Autohauses, etwas eindimensional, denn sein aufgeregt-nervöser Grundgestus wirkt auf Dauer aufgesetzt und trägt nicht bis zum Ende des Stückes.Wer in Radebeul Die Drei von der Tankstelle erlebt, kennt die Antwort auf die Frage, warum dieses Stück (in anderer Inszenierung freilich) in der Spielzeit 2010/11 fünfundsiebzig Mal am Aachener Theater lief und auch jetzt fast zeitgleich in Bremen auf dem Spielplan steht. Hier geht es nicht um Tiefgang, sondern um unbeschwertes Vergnügen, nicht um hohe Schauspiel- oder Sangeskunst (wenn wie an den Landesbühnen ein Musical ohne professionelle Sänger auskommen muss, ist das fast schon ein Widerspruch in sich), sondern um die Freude, die ein gewitzter Plot in Verbindung mit eingängigen Melodien Ensemble und Publikum gleichermaßen machen. Ist man bereit sich darauf einzulassen, dann dürfte auf der Bühnenzapfsäule das Etikett »Super« geklebt werden. Wer allerdings hofft, dass aus einem harmlosen Musikfilm mehr als nur ein netter Bühnenspaß werden kann, der muss sich eines Besseren belehren lassen und einsehen, dass mehr als »Normal« bei so etwas nicht herauskommen kann.