150 Jahre »Nagelsche Säulen«

Noch ein Jubiläum 2012!

Dieses Jahr ist reich an Jubiläen – Karl May starb vor 100 Jahren, Friedrich der Große wurde vor 300 Jahren geboren und dann gibt es u.a. noch ein 150. Jubiläum – die Aufzählung ist sicher nur
die Spitze des viel bemühten Eisbergs.

Die 150-jährige Wiederkehr betrifft eine Sache, die vor allem mit einer Person verbunden ist und auf den ersten Blick eher unspektakulär erscheint. Sie betrifft Sachsen und ist an einer Stelle direkt mit Radebeul verbunden – es ist ein Landesvermessungssystem, das von August Nagel entwickelt wurde. Ein dazu gehörender Trigonometrischer Punkt (TP) befindet sich auf der Wahnsdorfer Kuppe (249,4m über NN).

Nagelsche Säule in Wahnsdorf

Um brauchbare Vermessungssysteme bemühten sich vor 1862 in Sachsen schon viele, aber drei, bzw. vier Namen sollten hier unbedingt genannt werden. Wenn wir die Karten von Öder/ Zimmermann an der Grenze vom 16. zum 17. Jahrhundert, die seinerzeit große Bedeutung hatten, sehen, staunen wir über die Genauigkeiten in der Wiedergabe der Topografie. Lediglich im Raum Radebeul wurden die Dörfer Naundorf und Zitzschewig verwechselt. Zwar wünschten sich Kurfürsten und Könige auch bessere Karten für ihr Land, aber das Militärwesen, der Bergbau, das Postwesen, Straßen- und später Eisenbahnbau brauchten dringend genauere Karten, die nur durch immer wieder verbesserte Vermessungssysteme zu haben waren. Es begann ein regelrechter Wettlauf der Länder um das beste Vermessungssystem, was dann meist nicht lange Bestand hatte.

So versuchte Adam Friedrich Zürner (1679-1742) mit einem Messwagen auf den Straßen und Wegen, die Entfernungen zwischen Orten in Sachsen und dem Umfeld genauer zu bestimmen. Sein Vermessungssystem ist durch die von ihm aufgestellten Postmeilensäulen (Viertel-, Halb- und Ganzmeilensäulen sowie Distanzsäulen) an den damals wichtigen Straßen dokumentiert. Die von Pöppelmann für Zürner entworfenen Säulen wurden in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts aufgestellt; in Radebeul gibt es keine der Säulen. Das System basiert auf der Postmeile; 1 Postmeile = 9062m. An den, in bzw. vor den Städten stehenden prächtigen Distanzsäulen wird die Entfernung zusätzlich noch in Wegestunden (bezogen auf die Reise mit der Postkutsche) angegeben; 1 Wegestunde = ½ Postmeile = 4531m. An Zürners System, das auch kartiert wurde, aber mit gewissen Ungenauigkeiten behaftet war, erinnern heute nur noch wenige erhaltene Steine. Bald bemerkte man, dass auch dieses System nicht fehlerfrei war und man suchte wieder nach Verbesserungen.

Nagelsche Säule in Wahnsdorf, Detail

Ein solches neues Landvermessungssystem zeigte dann Wilhelm Gotthelf Lohrmann (1776-1840) an, seines Zeichens Vermessungsinspektor, später Professor an der Dresdner Technischen Bildungsanstalt (Vorgänger des königlich-sächsischen Polytechnikums, der TH, bzw. TU Dresden). Lohrmann stellte 1828 in Dresden für sein System eine konstante, genordete Grundlinie zwischen dem Zwinger/ Math.-Phys.-Salon und einer von ihm errichteten Meridiansäule in Rähnitz her, auf der alle weiteren Vermessungen aufbauten. Das System ist zumindest an der Meridiansäule heute noch erkennbar, brachte aber auch nur relativ kurze Zeit Nutzen.

Für das nachfolgende Vermessungssystem auf Dreiecksbasis hatte Preußen schon einen kleinen Vorlauf und es bekam schließlich auch deutschlandweite Bedeutung. In Sachsen beschäftigte sich Prof. Christian August Nagel (1821-1903) ab 1862 damit, dieses zu verbessern und hier einzuführen. Zwischen markanten Punkten im Gelände, in der Regel Bergkuppen, aber auch eigens dafür errichtete kleine Bauwerke (Quersa), wurden Dreiecke eingespannt. Sowohl Lohrmann als auch Nagel waren auch Astronomen – Vermessungen auf der Erde konnten von alters her auf Sterne bzw. Sternbilder bezogen und kontrolliert werden. Die Triangulation setzte technisch verbesserte Winkelmessgeräte (Theodoliten) voraus, die es zu Nagels Zeiten schon gab. Nur mit diesem präziseren Vermessungssystem aus vielen Trigonometrischen Punkten war es möglich, den industriellen und verkehrsmäßigen Fortschritt der Gründerjahre in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu realisieren. Dreieckspunkte 1. Ordnung finden wir z.B. auf dem Keulenberg, dem Borsberg oder der Baeyerhöhe, wo man zu diesem Zweck kunstvolle Säulen errichtete. Unser Wahnsdorfer TP von 1865 im Gelände der ehem. Wetterwarte ist Station 64 und gehört zum System der königlich-sächsischen Triangulation 2. Ordnung, wozu schlichtere Steinmarken, hier ein Granitstein mit entspr. Inschriften, genügten. Die Aufstellung solcher Säulen und Steine, auch als Nagelsche Säulen bezeichnet, begann 1862 und erstreckte sich über ein paar Jahre. Radebeul hat also einen Stein aus dieser Serie erhalten. Der TP Station Wahnsdorf ist nicht so leicht zu finden, er steht in der nordwestlichen Ecke des großen Betriebsgeländes von Dienststellen des Landes Sachsen, Altwahnsdorf 12 in Radebeul. Er ist zwar als Kulturdenkmal ausgewiesen, aber leider bisher etwas unsachgemäß (Hausmeister?) behandelt worden: die Schrift wurde weiß ungenau nachgezogen (ich glaube, sie war früher schwarz) und Teile des Schaftes mit grobem Bossen liegen heute über der Erde, was ursprünglich sicherlich nicht so war. Eine fachliche Beratung künftiger Arbeiten sollte deshalb durch das Landesamt für Denkmalpflege, vornehmlich den Referenten für technische Denkmale, erfolgen und auf Antrag des Eigentümers von der unteren Denkmalschutzbehörde genehmigt werden. Wäre es nicht ein lohnendes Ziel, anlässlich des Jubiläums den Stein jetzt zu restaurieren und das Umfeld zu gestalten? Dazu braucht man nicht allzu viel Geld – vielleicht könnten das Land Sachsen (Eigentümer?) und die Große Kreisstadt Radebeul das trotz klammer Kassen gemeinsam machen.

Genau genommen könnte jetzt einer sagen, schön und gut, aber der Wahnsdorfer TP hat ja erst 2015 sein 150. Jubiläum. Dem würde ich entgegnen, nun ja, aber das System der im Gelände nachvollziehbaren Dreiecke wurde von Nagel 1862 begonnen zu realisieren und der wusste da schon, dass auch Wahnsdorf einen solchen Punkt früher oder später bekommen würde. Die Alternative wären dann zwei Feiern, oder?

Dietrich Lohse

Quellen:

  1. Hans Brunner: Historische Landesvermessungen in Sachsen. In: Mitteilungen des LV Sächsischer Heimatschutz, I / 1996, S. 2-13.
  2. Michael Streetz: Die Nagelschen Säulen der Königlich-Sächsischen Triangulierung ab 1862. In: Denkmalpflege in Sachsen, Jahrbuch des LfD 2008, S. 81-85.
  3. Peter Bien: Ein Vermessungspfeiler als Symbol der Verständigung. In: Dresdner Neueste Nachrichten vom 6. Februar 2012, S. 16.
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