Die erhabene Sprache der Natur

Zur Ausstellung über Alte Bäume im Rathaus Radebeul

Sylvia Preißler, Hobby-Fotografin aus Radebeul, war mal wieder unterwegs in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Diesmal aber nicht, um Landschaften (s. Vorschau & Rückblick, Heft 10/2011?) , sondern um gezielt alte Bäume zu fotografieren. Sie war so beeindruckt von uralten Baumriesen, dass sie diese zu verschiedenen Jahreszeiten aufgesucht hat, um ihre Wirkung bei Sonne, unter Wolken und im Schnee fotografisch festzuhalten.

Das Ergebnis ihrer Exkursionen ist seit Mitte Juli im Technischen Rathaus Radebeul, Pestalozzistraße 6, im 1. OG zu sehen. Das Besondere dabei ist die gelungene Kombination aus Fotos und Aphorismen – Lebensweisheiten, die dem Betrachter gewissermaßen eine erweiterte Sicht der Dinge anbieten. Beispielsweise kann man neben einem fein verästelten Baum noch innerhalb des Rahmens ein Zitat von Li Taipe lesen: „Die Welt ist voll von kleinen Freuden, die Kunst besteht nur darin, sie zu sehen, ein Auge dafür zu haben.“ Dass Sylvia Preißler ein Auge für diese Dinge hat, beweist sie mit jedem einzelnen Foto auf der ganzen Etage des Rathauses.

Eine alte Eiche, umgeben von Schnee und einer winzigen Sitzbank, macht bspw. deutlich, wie klein und schwach die Holzkonstruktion von Menschenhand angesichts des mächtigen Eichenstammes wirkt.

Auf die Frage, ob sie bei ihren Beobachtungen auch gewisse Lieblingsbäume für sich auserkoren hat, sagt die 37-jährige Hobby-Fotografin: „Lieblingsbäume habe ich

»Tausendjährige Linde« in Schmorsdorf (Müglitztal, Sachsen)

nicht, aber sehr beeindruckt haben mich die tausendjährigen Eichen in Ivenack in Mecklenburg-Vorpommern.“ (Dazu gibt es auch eine Legende: Nicht alle Nonnen sollen hinter den Mauern des dortigen Zisterzienserinnenklosters glücklich gewesen sein. Sieben von ihnen gingen daher einen Pakt mit dem Teufel ein: der versprach, ihre Flucht zu organisieren. Allerdings stellte er eine Bedingung: Bis Stavenhagen durften die Nonnen sich nicht umdrehen. Doch ihre Neugierde siegte: Sie schauten zurück und verwandelten sich augenblicklich in Eichen.)

Fotografisch am schönsten fand sie die Schmorsdorfer Linde im Müglitztal, die auch den Flyer ihrer Ausstellung schmückt. Das Alter ist unbekannt, aber schon um 1630 in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wird dieser Baum erstmals schriftlich erwähnt. Und – um noch einen Superlativ zu nennen – für das älteste Bild in der Ausstellung hat die 800 Meter lange Kastanienallee zum Schloss Granitz auf Rügen Modell gestanden.

Manche Bildtafeln (leider hinter spiegelndem Glas) muten wie Studien an, wenn die Künstlerin beispielsweise dasselbe Motiv nicht nur in Farbe, sondern auch in schwarz/weiß und sepia-braun wiedergibt – da soll wohl der Betrachter selbst entscheiden, wie unterschiedlich die Wirkung ist. Oder wenn sie einen Baum aus derselben Perspektive zu verschiedenen Jahreszeiten präsentiert.

Mit der Ausstellung verbindet Sylvia Preißler auch einen ganz konkreten Zweck als Mitglied des BUND. Von Spendengeldern, die innerhalb der Ausstellung gesammelt werden, möchte sie im Herbst eine Baumpflanzung in Radebeul vornehmen – eine Blutbuche (Fagus sylvetica) soll im Stadtgebiet von Radebeul gepflanzt werden. Am Eröffnungstag sind dafür schon 220 € zusammen gekommen. „Der Mensch bringt in all seinem Tun seine Seele zum Ausdruck“ – eine Sufi-Weisheit, die ganz besonders auch für Sylvia Preißlers Fotos gilt. Und wo wir gerade bei Zitaten sind: Die Überschrift soll hier noch vollendet werden: „Die erhabene Sprache der Natur…lernt nur der Wanderer kennen.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Wer zumindest diese Foto-Ausstellung „BaumAlt“ noch erwandern will, hat dazu bis zum 11. Oktober Gelegenheit!

Karin Funke

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