Bittere Fragen – Zum drohenden Verfall der „Villa Heimburg“
Ein Königreich für den Stoff zu einer neuen, fesselnden Geschichte! Und dabei ist’s so friedlich in meiner Schreibstube, so recht zum Arbeiten geschaffen. Der Regen, der sich gegen Abend eingestellt hat, schlägt an die Fenster, der kleine Amerikanerofen steht und sieht mich mit feurigen Augen durch die leichte Dämmerung an, die schon herabsinkt, und die Uhr tickt, die winzig kleine Schwarzwälderuhr, die ich einmal für fünf Mark in Rippoldsau erstand und die seit Jahren ihr Ticktack hören läßt, so traut und lieb, daß ich ihr immer wieder von neuem verzeihe, wenn sie so ganz und gar nicht richtig gehen will. Der Wind heult auch recht hübsch da draußen; aber das macht mein Zimmer noch behaglicher. Wenn nur ein Stoff da wäre für die Geschichte, dann müßte es ein reizender Abend werden. – Denken wir nach!
Es war keine Geschichte, was ich, in der virtuellen Gartenlaube blätternd suchte und fand, es waren zitierfähige Zeilen der vielgelesenen Schriftstellerin Wilhelmine Heimburg, deren 100. Todestages jüngst zu gedenken war und deren Geburtstag sich 2013 zum 165. Male jährt.
Dies ist Grund genug, Dietrich Lohses Beitrag vom Juniheft 2010 in Vorschau und Rückblick Was uns Häusernamen sagen können ein wenig weiterzuspinnen.
Im Alter von 33 Jahren war die am 7. September 1848 in Thale im Harz geborene Emilie Wilhelmine Bertha Behrens nach Kötzschenbroda gekommen. Bis dahin war sie dem Vater, der als Militärarzt öfter versetzt worden war, durch ganz Deutschland gefolgt. 1881, offenbar nach dessen Pensionierung, hatten sie gemeinsam die von ihr so benannte Villa Heimburg auf der heutigen Hermann-Illgenstraße 21 bezogen. Als der Vater im Jahr 1910 im Alter von 90 Jahren starb, erwarb sie die Villa Borstraße 15, die sie Haus Heimburg nannte.
Seit 1887 schon war Wilhelmine eine der wichtigsten und meistgelesenen Autorinnen des Familienblattes Gartenlaube. Die meisten ihrer zahlreichen Romane erschienen hier zunächst in Fortsetzungen, bevor sie auch in Buchform herauskamen. In allen ihren Werken wendete sie sich, wie Manfred Altner in seinem ihr gewidmeten Beitrag1 schreibt, den Unterprivilegierten (zu), ihre besondere Aufmerksamkeit galt den Sorgen und Nöten von Frauen. Einer ihrer erfolgreichsten Romane trug den Titel Lumpenmüllers Lieschen.
Wer mag, kann aus ihrem Künstlernamen Wilhelmine Heimburg, den sie so auf ihre Heimstätten übertragen hatte, einen gewissen lutherischen Trotz herauslesen, mit dem sie während des unfreiwilligen Nomadenlebens an der Seite ihres Vaters ihre Sehnsucht nach einem festen Ort und später ihr Angekommensein dokumentierte. In der späten Novelle Alte Liebe klingt schließlich an, daß Wilhelmine wohl einst auch für sich selbst ein ganz anderes Leben erträumt hatte. Offenbar hatte der äußere Erfolg den gelebten Verzicht auf eine eigene Familie nie vollständig zu kompensieren vermocht. So hatte sie einen besonderen Blick für die in Pflicht und Verzicht aufgehenden Frauen ihrer Zeit.
Wilhelmine Heimburg starb am 9. September 1912 in Niederlößnitz und wurde auf dem Friedhof Radebeul-West in einem Familiengrab beigesetzt.
Im Juli 2011 hatte Ursula Martin in „Vorschau & Rückblick“ über Meine Jahre in der Heimburg berichtet. Die letzten Zeilen dieses Beitrages dürften der Schriftstellerin aus dem Herzen gesprochen sein. Sie hätten aus ihrer Feder ganz ähnlich klingen können:
„Und das Haus Heimburg? Es steht seit vielen Jahren leer und bietet einen traurigen Anblick. Jedes Mal, wenn ich daran vorübergehe, hängt die Dachrinne über der Haustür etwas weiter herunter. Es ist ein Jammer, die einst so prächtige Villa in diesem Zustand zu sehen.“
Woran liegt es? Ist es wieder der fehlende Wille zur Einigung, mit dem hier eine Erbengemeinschaft ein Denkmal ruiniert? Besteht gar die Absicht, den nach gängiger Meinung ohnehin zu großen Denkmalbestand der Stadt auf diese Weise zu reduzieren? Gibt es niemanden, der dem Verfall Einhalt gebieten kann?
Denken wir nach!
Nicht nur Wilhelmine Heimburg wird es uns danken.
Thomas Gerlach