Gemeinschaftsausstellung anlässlich des 30-jährigen Bestehens der städtischen Galerie
Dass die Radebeuler Stadtgalerie auf drei Jahrzehnte ihres Bestehens zurückblicken kann, ist keine Selbstverständlichkeit und spricht für den kulturellen Anspruch der Lößnitzstadt. Natürlich verlief die Galeriegeschichte in all den Jahren nicht immer homogen. Und so galt es bis zur Eröffnung am 16. Dezember 1982 in den Räumen eines ehemaligen Tapetenladens (heute Hauptstraße 20) am Einkaufsboulevard von Radebeul-Ost zahlreiche Widerstände zu überwinden und hartnäckige Zweifler zu überzeugen, dass eine solche Einrichtung vor den Toren der Kunst- und Kulturmetropole Dresden ein Publikum findet. Doch letztgenannte Bedenken stellten sich schließlich als unbegründet heraus. Der Besucherkreis wuchs beständig und die Galerie mit einer Grundfläche von 40 qm stieß schon bald an ihre Grenzen. Bemühungen um eine Erweiterung scheiterten immer wieder an fehlenden finanziellen Mitteln und räumlichen Kapazitäten.
Mit der politischen „Wende“ eröffneten sich neue Möglichkeiten, die vorher undenkbar schienen. Als sich die Galeristinnen im Jahr 1990 in Vorbereitung einer Ausstellung mit dem Tabu-Thema Altkötzschenbroda auseinandersetzten, wurde die Idee geboren, einen der verfallenden Dreiseithöfe in städtischer Regie zu sanieren und als künftigen Galeriestandort auszubauen. Noch im gleichen Jahr erarbeitete das Architekturbüro Clausnitzer eine erste Nutzungsstudie. Der entscheidende Stadtratsbeschluss hierzu wurde 1994 gefasst, so dass die Kündigung der alten Galerieräume durch die neuen Hausbesitzer im Jahr 1995 nicht zwangsläufig das Aus für die kulturelle Einrichtung bedeutete und lediglich zwei Jahre im Exil überbrückt werden mussten.
Das dritte Kapitel der Galeriegeschichte begann mit der Wiedereröffnung in Altkötzschenbroda am 25. September 1997. Den Auftakt bildete unter dem Titel „Radebeuler Künstler – Heute“ eine Gesamtschau aller in Radebeul wirkenden Künstler, die als Zyklus im fünfjährigen Rhythmus ihre Fortsetzung gefunden hat. Und so sagten in diesem Jahr für den nunmehr vierten Teil der Ausstellungsfolge über 60 Maler, Grafiker, Bildhauer, Fotografen, Objekt- und Installationskünstler ihre Teilnahme zu. Deren Handwerkszeug reicht vom Haarpinsel über den Computer bis zur Kettensäge. Der Altersunterschied zwischen der jüngsten und ältesten Künstlerin ist immens und beträgt nahezu sechs Jahrzehnte. Dementsprechend groß ist auch die stilistische Bandbreite, wenngleich die Tradition der „Dresdner Schule“ nach wie vor im Schaffen der Radebeuler Maler und Grafiker dominiert.
Die koordinierende Funktion der Stadtgalerie wird von den Künstlern sehr geschätzt, da sie überwiegend in Einzelateliers arbeiten und Gelegenheiten, welche den Kontakt zu Kollegen und Publikum bieten, recht gern nutzen. Künstler(Arbeits)gemeinschaften wie „Atelier Oberlicht“ oder „Alte Molkerei“ bilden in Radebeul die Ausnahme. Eine projektgebundene Zusammenarbeit auch über Genregrenzen hinaus ist schon etwas häufiger der Fall. Beispielgebend sind zahlreiche Buchprojekte, die Skulpturengruppe im Bürgerpark von Radebeul Mitte oder themenorientierte Workshops und Ausstellungen. Die Möglichkeit zur Arbeit im preiswerten Einzelatelier, Wand an Wand mit mehreren Kollegen, bietet sich bisher nur in den privatwirtschaftlich betriebenen Räumen der ehemaligen Radebeuler Schuhfabrik, was aus künstlerischer Sicht als sehr befruchtend empfunden wird.
Seit Eröffnung der Galerie vor drei Jahrzehnten hat sich die Zahl der ortsansässigen Künstlerschaft vervierfacht. Und es stellt sich die Frage, was macht die Lößnitzstadt vor allem für musisch ambitionierte Menschen so attraktiv? Zweifellos lebt es sich ruhig und schön in der Kleinstadt Radebeul. Die Kommunalpolitik bemüht sich um Ausgleich und Balance. Die Alt- und Neuradebeuler sind gebildet, aktiv und aufgeschlossen. Ihr Wille zur Mitgestaltung drückt sich nicht zuletzt in der Vergabe von Bauherren-, Kunst- oder Couragepreisen aus. Kulturelle Angebote werden freudig angenommen und vor allem auch reflektiert. Man kennt sich, man trifft sich und man tauscht sich aus. Ob Rückzug oder Kommunikation, beides ist jederzeit möglich. Die Atmosphäre regt an zu schöpferischer Produktivität, denn Geben und Nehmen bedingen einander. Hinzu kommt, dass Städte wie Dresden, Leipzig und Berlin in kürzester Zeit erreichbar sind und zusätzliche Anregung bieten. Tristesse sieht anders aus.
Radebeul hat kein Zentrum, wo sich alles konzentriert. Doch vielleicht liegt gerade in diesem oft beklagten Mangel die Stärke der Stadt. Zusammengewachsen aus zehn Ursprungsgemeinden haben sich bauliche Zeugnisse der einstmals höfischen, bäuerlichen, industriellen und bürgerlichen Strukturen erhalten. Motive finden sich in dieser von der Natur privilegierten Stadt quasi vor der eigenen Haustür. Architektur und Landschaft ergänzen sich hier in seltener Harmonie. Das Vordringen monotoner Beliebigkeit erzeugt Widerspruch und entzündet auf lustvolle Weise die Phantasie, denn was des Ästheten Leid ist des Künstlers Freud, könnte die provokante Schlussfolgerung lauten. Doch genug der Theorie. Womit sich die Radebeuler Künstler gegenwärtig tatsächlich auseinandersetzten wird die neueste Gemeinschaftsausstellung zeigen. Alle Exponate durfte die Galerieleitung in den Ateliers der Künstler selbst auswählen. Das Resultat dieser vierzehntägigen „Kunstreise“ lässt sich vom 1. Februar bis zum 3. März 2013 in der Radebeuler Stadtgalerie besichtigen.
Epilog: Natürlich wäre es wünschenswert, dass sich zu den Künstlern endlich wieder in existenzsicherndem Maße Mäzene, Sammler und öffentliche Auftraggeber gesellen, dass all die sanierten und neu errichteten Gebäude, die wunderbaren Vorgärten und öffentlichen Plätze der Stadt Radebeul durch Originalkunstwerke eine weitere Bereicherung erfahren und dass Überblickspräsentationen wie diese hierfür den Blick schärfen helfen. Auch Galeristen haben manchmal Träume!
Karin Gerhardt, Sachgebietsleiterin Kunst/Kultur/Stadtgalerie