Tag des Offenen Denkmals

verein für denkmalpflege und neues bauen
Der verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul e. v. lädt im September zu folgenden zwei öffentlichen Veranstaltungen ein:
„Tag des Offenen Denkmals 2013“ am 8. September

Der Tag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale“. Eine Themenwahl, die zu grundsätzlichen Fragestellungen der Denkmalpflege anregt: „Was ist wert, erhalten zu werden und weshalb? Was macht Denkmale unbequem und warum? Gibt es überhaupt „bequeme“ Denkmale?“
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf begannen wir nach der Suche „unbequemer Denkmale“ in Radebeul. Die Liste der Ideen war lang: Gedenkstätten wie das Salvador-Allende-Denkmal auf dem Hörningplatz, die bereits als Denkmal errichtet wurden, künstliche Ruinen in Parkanlagen wie dem Mohrenhaus-Park oder auf dem Jägerberg, deren Verfall nie endgültig gedacht war, Villen, die dem heutigen Eigentümer unbequem geworden sind, ehemals stolze Gebäude, die heute „nutzlos“ sind wie Bahnhöfe, Gasthöfe oder Postämter, Erinnerungsorte, die nicht mehr erinnern, da uns der Bezug abhanden gekommen ist.
Einladen möchten wir Sie herzlich zu folgenden bei Weitem nicht nur unbequemen Orten in Radebeul:
einladung
Vortrag „100 Jahre Wiederbelebung des Weinbaus in der Lößnitz – das Wirken Carl Pfeiffers und seine baulichen Spuren“ am 20.September 19.30 Uhr im Festsaal der Hoflößnitz
Wenn man heute die Rebhänge in der Lößnitz sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Weinbau aus diesem Landschaftsbild fast völlig verschwunden war. Nachdem die Reblaus 1885 in der Lößnitz festgestellt worden war, verlor der Lößnitzweinbau jede wirtschaftliche Bedeutung. Die Rebfläche der Ober – und Niederlößnitz ging von ca. 150 ha vor dem Befall auf ca. 10 ha (1910) zurück. Die seit Jahrhunderten vom Weinbau geprägte Kulturlandschaft hatte ihr Hauptelement verloren. Ein Teil der ehemaligen Weinberge wurde in Erdbeer- und Pfirsichkulturen umgewandelt. Andere Teile verwilderten oder wurden in Bauland umgewidmet.
Die Wiederbelebung des Weinbaus in der Lößnitz ist eng mit dem Namen Carl Pfeiffer verbunden.
Der 1872 in Namslau in Schlesien Geborene folgte mit seiner Frau Paula nach einer Gärtnerlehre mit Schwerpunkt Weinbau und Jahren der Tätigkeit an verschiedenen gartenbauliche Lehranstalten dem Ruf des „Rebschulvereins Meißen“ als Fachlehrer bzw. Wanderlehrer für Obst und Weinbau. Was mochte ihn bewogen haben, seine Stellung als Lehrer und Abteilungsvorstand an der Großherzoglichen Wein- und Obstbauschule in Oppenheim aufzugeben und nach Sachsen zu gehen?
1913 – und da kommen wir zu den 100 Jahren – verlegte er seinen Dienstort und das Zentrum seines Wirkens von Meißen nach Oberlößnitz.
Grundlage und Möglichkeit zur Wiederbelebung des Weinbaus in der Lößnitz, in Deutschland und Europa war und ist die Pfropfrebe. Diese besteht aus zwei Teilen, einem Edelreiß einheimischer Rebsorten und einer amerikanischen Unterlage (Wurzel). Die Unterlage ist ein Rebstück einer amerikanischen Wildrebe. Die Reblaus wurde von Amerika nach Europa eingeschleppt und die dortigen Wildreben sind gegen diesen Schädling resistent. Damit gelingt es, eine resistente Wurzelunterlage (die Reblaus greift die Wurzeln, nicht das Blatt, an) mit den einheimischen Rebsorten und damit mit Erhaltung des erwünschten Geschmacksbildes zu kombinieren.

Carl Pfeiffer

Carl Pfeiffer


Carl Pfeiffer war von der Güte des hiesigen Weines unerschütterlich überzeugt. Auf Basis der Pfropfrebe trieb er die Wiederaufrebung brach gefallener Weinberge voran. Aber nicht nur das, er hob insgesamt die Qualität des hiesigen Weinanbaus durch Maßnahmen, wie mineralischer Vorratsdüngung, der Einführung der Motor-Seilwinde, er hielt Rebschnittlehrgänge und Weinbauschulungen für die privaten Winzer ab. Er legte Musterweingärten an, darin Klongärten, die die hiesigen Sorten erhaltungszüchterisch bearbeiteten. Unter anderem legte er die Grundlage für den Klon „Schlosstraminer“, den Rainer Rossberg hier in der Vorschau schon beschrieb.
1927 fanden seine unermüdlichen Bemühungen zur Verbesserung des Weinbaus in der Hoflößnitz einen Fixpunkt – durch die Gründung der Weinbauversuchs- und Lehranstalt, deren Leitung er übernahm. Und da kommen wir zu den baulichen Auswirkungen der Wiederbelebung des Weinbaus.
Viele der aufmerksamen Leser werden im Winter, wenn Schnee liegt, in bewaldeten Bereichen der Lößnitzhänge die Trockenmauern erkannt haben, die früher auch hier in Weinbergen standen. So sähen wohl alle nicht garten- oder baulich zu nutzenden Hangbereiche aus, wäre der Weinbau zum Erliegen gekommen. Neben der Reblaus drängte auch die Grundstücksspekulation den Weinbau zurück. Wäre dessen Wiederbelebung nicht gewesen, wie viele Straßen und Häuser wären in den Hang gebaut worden. Der heute wieder landschaftsprägende Charakter der Weinberge wäre für immer verloren gewesen. Auch im Bereich des Prof. – Wilhelm – Rings standen einstmals in größerem Umfang Reben. Aber es kam auch zur Errichtung neuer dem Weinbau gewidmeter baulicher Anlagen, die Einfluss auf das Aussehen der Lößnitz nahmen.
Zwei Vereine, der Verein für Denkmalpflege und neues Bauen und der Verein Kulturlandschaft Hoflößnitz laden am Freitag, dem 20.September 19.30 Uhr alle Interessierten in den Festsaal der Hoflößnitz zur gemeinsamen öffentlichen Veranstaltung 100 Jahre Wiederbelebung des Weinbaus in der Lößnitz – das Wirken Carl Pfeiffers und seine baulichen Spuren ein. Der sich schon seit Jahren mit der Person Carl Pfeiffer befassende Radebeuler Winzer Frank Förster und Frau Dr. Giersberg vom Weinbaumuseum Hoflößnitz werden das Thema näher beleuchten. Neben dem Interesse für Baulichkeiten eint die zwei Vereine die Bewahrung und Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaft. In diesem Bestreben fühlen sie sich mit vielen weiteren den Charakter Radebeuls prägenden Aktivitäten verbunden. Ganz besonders würden sie sich freuen, wenn auch viele Winzer, die ja einen ganz erheblichen Anteil an der Fortführung der Bestrebungen Pfeiffers – an der Pflege der landschaftsprägenden Rebflächen , Trockenmauern und Treppen haben, dieser Einladung folgen (einen guten Tropfen soll es auch geben).
Den Autor beeindruckt, dass Niedergang und Wiederbelebung, Bauwille und Bauverhinderung, Verfall und Erhaltung, Arbeit und Genuss, die Kraft der vielfältigen und zu bewahrenden Natur an offen gelassenen Stellen und die harte (manchmal auch mit Krach verbundene Arbeit) der Winzer dieses Identität stiftende und einen Teil des „besonderen Charakters“ von Radebeul ausmachende Landschaftsbild prägen. Es ist ein Bild der Harmonie und des Widerstreits in Vielfalt. Ich hoffe, Sie sind neugierig geworden – herzliche Einladung.

Michael Mitzschke

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