Ein Weg nach oben

Das Minckwitz´sche Anwesen
Aus der Reihe „Häuser und ihre Besitzer“

Es ist nicht zwangsläufig so, dass nach Regen Sonnenschein folgt. Aber diesmal hatten wir Glück. Nach der Verlegung der Veranstaltung vom 2. Juni auf den 21. Juli konnten uns Frau Stiller und Herr Wolfram von Minckwitz bei schönstem Sommerwetter, bei strahlendem Sonnenschein und einer fast unglaublichen Fernsicht empfangen. Und wie bei einer romantischen Nacht, war am Ende des Abends auch der Vollmond zur Stelle, zuerst ganz groß und weiß am Horizont und dann immer leuchtender und gelber werdend. Man kann sich vorstellen, dass es allen schwer fiel, sich vom Ausblick auf dem Minckwitz´schen Weinberg zu trennen, zumal auch der Weißwein vom eigenen Hang vorzüglich mundete.

Für die etwa 30 Teilnehmer des Vereins hatten wir genau solch ein Wetter und diese Stimmung für die Besichtigung des so schönen barocken Ensembles erhofft, ein Grundstück, das in seiner Gesamtheit fast unbeschadet die Zeiten überdauert hat. Unsere Führung zur Familien-, Bau- und Zeitgeschichte begann im Eingangsbereich der Oberen Bergstraße 30. Einst für eine Familie gebaut, bewohnen und besitzen jetzt drei Familien das Grundstück: die Gastgeber von Minckwitz, die Familie Wagner und die Familie Röhricht.

Die rechtliche Trennung ist aber von außen nicht spürbar. Jeder Besitzer schuf sich zwar ein eigenes wundervolles Refugium mit Wohn- und Arbeitsräumen, Innenhöfen, Brunnen, Waldstücken, Gärten und Alleen, aber sein Teil bleibt immer Teil eines Ganzen, eines Komplexes, der Großzügigkeit und Intimität miteinander verbindet. Das wurde uns an diesem Abend immer wieder bewusst.

Dass die Situation heute mit der nach dem 2.Weltkrieg, nach Bombardierung und Ver- treibung, nicht vergleichbar ist, wissen wir alle. Aber wir müssen noch einmal zurückschalten. Damals war es keine Lust, in diesem Grundstück zu leben. Die Räume waren übervölkert und hygienisch dem Ansturm von so vielen Leuten nicht gewachsen. Die 73 Jahre alte Gräfin Elisabeth zu Münster (1873-1953) und verehelichte von Minckwitz musste sich mit einem sehr stark dezimierten Wohnbereich abfinden. Ihr Mann, Hans Friedrich, sächsischer Kammerherr und Oberforstmeister mit Dienstsitz in Moritzburg, war früh (1929) gestorben und die hinterlassene Rente reichte bei weitem nicht, den etwa 4,5 ha großen Besitz zu verwalten. Enteignet war sie nicht worden, aber die Weinberge waren nach Reblausbefall verwildert und die danach angebauten Erdbeeren brachten wenig Erträge. Eine Haushälterin kümmerte sich um sie, manchmal half auch die im Haupthaus wohnende Familie Rietschel. Bezahlen konnte sie nur mit Gegenständen, mal eine Tischdecke, Bettwäsche, dies oder jenes. Da die Gräfin keine eigenen Kinder besaß, vererbte sie ihr Anwesen 1952, ein Jahr vor ihrem Tod, an Hans-Emil August von Minckwitz, den Vater der heutigen Eigentümer.
Der in Gehlberg lebende Forstwissenschaftler stand in freundlicher Verbindung zur Gräfin, die sich vor allem über die Geburt der Kinder Ingrid und Wolfram freute. Wolfram studierte bei der Überschreibung des Grundstückes schon Maschinenbau in Ilmenau und arbeitete später im Institut bei Manfred von Ardenne in Dresden. Nach dem Tod der Eltern erbte er und seine Schwester, Ingrid Wagner, zu gleichen Teilen das Grundstück.
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Auch das geteilte Eigentum zu verwalten und zu erhalten, war in DDR-Zeiten sehr schwierig. Um den Aus- und Anbau einer Wohnung über der Remise zu finanzieren, hatte sich Wolfram von Minckwitz schweren Herzens 1974 entschlossen, das ehemalige Kutscherhaus und den Pferdestall an die Architektenfamilie Röhricht zu verkaufen.

Nach 1980 begann man in Radebeul, den Weinbau wieder zu beleben. Die Minckwitz´schen Weinberge war eine Bestlage. Die Winzergenossenschaft wusste, dass die Besitzer die Weinberge nicht selbst aufreben konnten. Wieder ein schwerer Entschluss für alle Beteiligten.
Schließlich kaufte am 20.11.1986 die Sächsische Winzergenossenschaft Meißen den Großteil der Berge. Die im und auf dem Berg befindlichen Bauten blieben aber im Besitz der Minckwitze und bestimmten weiterhin auf ihrem exponierten Platz die Silhouette Radebeuls.
Besonders das große Lusthaus mit der Wetterfahne war schon in alter Zeit ein beliebter Treffpunkt zum Feiern und ein Ort der Künstler. Auch Prof. Paul Wilhelm, der eigentlich auf dem Gradsteg wohnte, hatte hier sein Atelier. Über ihn ist eine kleine Episode bekannt. Als ihm am 2. September 1939 mitgeteilt wurde, dass der 2. Weltkrieg ausgebrochen sei, soll er gesagt haben: „Na, da will ich doch noch schnell ein schönes Bild malen.“ Er war gerade dabei, seine hübsche amerikanische Ehefrau auf dem Altan des Hauses im Profil zu zeichnen.

Nach dem Krieg stand das Häuschen leer, es wurde mehrfach eingebrochen und verfiel. Kleinere Reparaturen brachten wenig. Als auch die Wetterfahne herabstürzte und das Dach undicht wurde, stand für Wolfram von Minckwitz fest: „Jetzt muss was gemacht werden!“ Aber das „Jetzt“ zog sich über viele Jahre hin. Als Dipl.-Ing. in DDR-Zeiten hatte man nur wenige Zugriffsmöglichkeiten zu Baumaterialien und Bilanzen. Material wiederum gab es beim Nachbarn, dem Dachdecker Hanspach. Wohlweißlich hatte er sich mit Bieberschwanzziegeln und alten Balken aus Abrisshäusern versorgt. „Ich helfe ihnen“, meinte er. Und er half auch beim Aufbau eines einfachen Holzgerüstes, bei der Fertigung des Dachstuhles, beim Besorgen und Einziehen der Träger und Hölzer. Eine lange Geschichte könnte man über dieses Kapitel schreiben, über eine Zeit, in der Kabelverlegungen, WC-, Wasser-, Strom- und Elektroanschlüsse zum Abenteuer wurden.
Wolfram von Minckwitz könnte, um das Kleinod zu erhalten, über eine Vielzahl von Abenteuern dieser Art erzählen und über eine Bauzeit, die fast 10 Jahren währte. Er berichtete über fast Unmögliches und über Erfolge, die ihn heute noch stolz und glücklich machen.
Wir, die Gäste, die wir über die vielen Treppen hinaufgestiegen waren, ahnten etwas von diesem Glück, aber auch von Mühen, die so große und geschichtsbeladene Grundstücke den Besitzern abfordern.

Am Ende meines Artikels kann ich nur meine Bewunderung aussprechen und danke sagen. Danke an Frau Stiller, die sich gründlich auf die Geschichte des Hauses vorbereitete und für das leibliche Wohl sorgte, danke an Herrn Wolfram von Minckwitz, dem wir die Rettung eines Denkmals verdanken und vieles andere auch. Dank auch an Herrn André Schröder, von dem die Anregung für diese interessante Veranstaltung stammt und der, wie schon so oft, historische Dokumente aus dem Minckwitzschen Nachlass zugänglich machte

Gudrun Täubert

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