Es muss kurz nach ’89 gewesen sein. Eine beständige Eiseskälte hielt die Stadt seit einer Woche schon fest im Griff. Am Nachmittag eines Januartages spazierte ich inmitten der Weinberge auf den Höhen des Eggersweges, der hier ganz unmerklich die terrassierte Reblandschaft zerschneidet. Der eisblaue Himmel war von dieser wintereigenen Klarheit, wo selbst das fahle Sonnenlicht jede Wärme versagte. Doch im Hinunterblicken war ich erstaunt, das Häusermeer mehr ahnen, als sehen zu können. Ein dichter Dunst legte einen dicken Schleier über die Niederung des Tales. Die Erscheinung war voller farblicher Nuancen. Unter dem großen grauen Grundton, der wie ein Generalbass die Stimmung beherrschte, mischten sich, nahezu aquarellhaft, alle nur erdenklichen (Farb-) Töne. Nein, es war kein wettertypisches Phänomen – sondern das Produkt der unzähligen Ofenfeuerungen vor meinen Augen.
In den folgenden Jahren verschwanden nach und nach die alten Heizungen. Viel später war dieser dunstüberzogene Himmel fast undenkbar. Es war so einfach geworden, ein Knopfdruck befreite einen von Dreck und Schlepperei. Und heute? Die breite gas- und ölheizende Klientel scheint der gewonnenen Bequemlichkeit, zumindest punktuell, ein wenig überdrüssig zu sein.
Nostalgie? Autonomie? Wie auch immer – eine überaus große Rückkehr der Gemütlichkeit scheint das Gebot der Stunde zu sein. Die Zunft der Ofen- und Kaminbauer erlebt eine erstaunliche Renaissance.
Ich zumindest mag den vertrauten Geruch, der mir fahrradfahrend kürzlich wieder ganz bewusst in die Nase stieg. Ein Stück Vergangenheit? Ein Stück Zukunft? So gesehen war gestern vielleicht doch die gute Zeit von morgen? Aber genug jetzt, ich muss Holz nachlegen…
Sascha Graedtke