Baum des Jahres 2014: Trauben-Eiche (Teil 1)

Als 1989 erstmals ein Baum des Jahres gewählt wurde, entschied man sich für die Stiel-Eiche (Quercus robur). 2014 steht nun die nahe verwandte Trauben-Eiche (Quercus petraea) im Mittelpunkt.
Während bei der Wahl des Baumes häufig auch der Gefährdungsgrad einer Art (z. B. Elsbeere oder zuletzt Holz-Apfel) ausschlaggebend war, trifft das für die Trauben-Eiche keineswegs zu. Sie ist eine gängige Waldbaumart, wenn sie auch nicht so häufig wie die Stiel-Eiche vorkommt.
Dennoch gibt es gute Gründe, sich neuerlich mit einer Eiche zu befassen – nicht zuletzt auch, weil sie in unserem Denken gewissermaßen als der „deutsche Baum“ verankert ist, wobei man dabei zwischen den beiden Eichenarten gar nicht so genau unterscheidet.
Auf den ersten Blick sehen sich beide Eichenarten  auch ziemlich ähnlich. Das Borkenmuster weist keine nennenswerten Unterschiede auf, ebenso wenig die Wuchsform, zumal die sehr von den jeweiligen Standortbedingungen abhängt. Nur im Freistand kann ein Baum seine tatsächlichen Eigenarten entfalten, im Bestand dagegen nur mehr oder weniger.
Wirklich markante Unterschiede beider Eichenarten gibt es nur bei den Blättern und bei den Fruchtständen.
Die oberseits dunkelgrünen und unterseits etwas helleren Blätter der Trauben-Eiche haben ca. 2 -2,5 cm lange Stiele, an die sich die Blattspreite keilförmig anschließt. Bei der Stiel-Eiche ist der Blattstiel nur ein paar Millimeter lang, und das Blatt umgibt ihn mit zwei kleinen Öhrchen. Die Blattformen unterscheiden sich kaum. Sie sind eingebuchtet, verfügen über 5 – 7 Lappen und erreichen bei einer Breite von 5 -7 cm eine Länge von 10 – 15 cm.   Allerdings haben die Blätter der Trauben-Eiche im Gegensatz zu denen der Stiel-Eiche lediglich zu den Lappen hin verlaufende  Adern.  Bezüglich der Blattgröße beider Arten, zeigt ein bloßer Blick auf den herbstlichen Waldboden, wie groß die Variationsbreite selbst bei ein und demselben Baum ist.
Noch eindeutiger lassen sich beide Arten – allerdings erst im Herbst und dann nur für kurze Zeit –  anhand ihrer Fruchtstände bestimmen. Bei der Stiel-Eiche sitzen die Becher mit 1 – 3 Eicheln an einem längeren Stiel, während sie bei der Trauben-Eiche zu mehreren traubenartig an einem kurzen Stiel ausgebildet werden.
Ihren Namen verdanken beide Arten also ihren Fruchtständen.
Nicht immer aber sind diese Merkmale so eindeutig, weil beide Arten fertile Bastarde (Quercus x rosacea) bilden können, die dann natürlich  über Merkmale beider Eltern verfügen. Ob es sich tatsächlich um einen  solchen Nachkommen handelt, lässt sich endgültig  nur durch eine Genanalyse klären. Eine derartige Vermischung setzt aber voraus, dass Stiel- und Trauben-Eiche einen gemeinsamen Standort besiedeln. Dabei hat die Stiel-Eiche eine höhere Standortamplitude, ist also in Bezug auf die Boden- und Klimaverhältnisse flexibler, während die lichtbedürftige Trauben-Eiche feuchte Böden oder gar Staunässe meidet und eher an trockenen und wärmebegünstigten Hängen wächst.
Im Radebeuler Raum lässt sich diese Vorliebe der Trauben-Eiche sehr überzeugend an den südexponierten Hängen einstiger, aber längst wieder bewaldeter Rebhänge ablesen. baum
Wie die Stiel-Eiche gehört die Trauben-Eiche zur Familie der Buchengewächsen (Fagaceae).
Ihr Verbreitungsareal erstreckt sich weit über die nördlich Hemisphäre. In Mitteleuropa gilt sie als häufig, wobei es dort wohl kaum noch ganz ursprüngliche Vorkommen gibt, weil die Trauben-Eiche eben auch ein geschätzter Forstbaum ist und so unter menschlicher Einwirkung auch auf ihr zusagenden Arealen gepflanzt wurde.
Sie bevorzugt mäßig trockene Stein- und Lehmböden,  wintermilde Klimalagen und kommt von der Ebene bis ins Mittelgebirge vor.
Charakteristisch für die sommergrüne Trauben-Eiche ist vor allem  der langschäftige Stamm. Die graubraune Rinde ist bei jüngeren Bäumen noch glatt. Mit zunehmendem Alter bildet  sich die längsrissig tief gerippte Borke aus.
Der Blattaustrieb setzt bei der Trauben-Eiche etwa 14 Tage später als bei der Stiel-Eiche ein; dafür fallen ihre Blätter wesentlich später ab, was ihr auch den volkstümlichen Namen „Wintereiche“ eintrug.
Die windblütige Art ist einhäusig und bildet männliche ca. 6 cm gelbe, hängende Kätzchen und recht unscheinbare weibliche Blüten aus, die zwischen April und Mai erscheinen. Die Fruchtreife erfolgt von September bis Oktober. Dann fallen die sehr nährstoffreichen, aber wegen ihrer Bitterstoffe für uns eher ungenießbaren Eicheln aus ihren Bechern und bieten Nahrung für Mäuse, Eichhörnchen, Wildschweine und natürlich für den Eichelhäher, der nennenswert an ihrer Verbreitung beteiligt ist, indem er die Eicheln als Wintervorrat oft weitab von der Fundstelle versteckt. Dort können sie sehr schnell keimen und schon im nächsten Jahr eine kleine Eiche hervorbringen. Im in-vitro-Versuch hatte die Wurzelspitze bereits nach 8 Tagen die hölzerne Fruchthülle durchstoßen, und nach weiteren 20 Tagen hatte die Wurzel schon eine Länge von ca. 3 cm. Wenig später zeigte sich erstes Grün – der Grund der künftigen, aber noch in der Eichel verborgenen Keimblätter.
Ehe solche Pflanzen aber ins blühfähige Alter kommen, vergehen mindestens 15 – 20 Jahre – gemessen an dem möglichen Alter von mehr als 800 Jahren ist das allerdings eine sehr kurze Zeitspanne. Ihre maximale Wuchshöhe von bis zu 40 m haben die Eichen dann längst erreicht und möglicherweise einen Stammdurchmesser von 2 m und mehr. Solche imposanten Veteranen sind jedoch die Ausnahme; denn auch die Trauben-Eiche wird seit jeher vom Menschen genutzt.

Dr. Ulrike Schaksmeier                       (Fortsetzung im  nächsten Heft)

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