Der Radebeuler Schauspieler Jürgen Stegmann, über viele Jahre hinweg Ensemblemitglied der Landesbühnen Sachsen (bis 2012), machte bereits früher mit einem Balladen-Programm auf sich aufmerksam, das auf Schüler zugeschnitten war und deshalb gern von Schulen gebucht wurde. Nun, da er als freischaffender Schauspieler nicht mehr den Zwängen des Proben- und Spielplans eines überregional tätigen Reisetheaters unterworfen ist, hat er für mancherlei Projekte Zeit und Muße. Initiiert durch die Dresdner Zweigstelle der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), deren Mitglied Stegmann ist, entwickelte er während der letzten Monate ein neues Solo-Programm, das Mitte Mai am Gymnasium Dresden-Plauen seine Premiere erlebte. Unter dem Titel „AUSSPRÜCHE – EINSPRÜCHE – SINNSPRÜCHE. Literatur zum Mitlachen und Nachdenken“ trat er in Begleitung des jungen türkischen Pianisten Burgehan Terlan (im Hauptberuf als Chemiker am Max-Plack-Institut tätig!) in der fabelhaft restaurierten Jugendstilaula des altehrwürdigen Gebäudes auf und unterhielt das Publikum – darunter erfreulicherweise etliche Schüler, aber auch Lehrer und andere Interessierte – über zwei Stunden hinweg mit einer ebenso verblüffend vielseitigen wie überraschend stimmungsvollen Darbietung. Er entführte das gebannt lauschende Publikum in literarische Sprachwelten, indem er einen weiten Bogen spannte, der Texte von Klassikern wie Lessing, Goethe und Heine ebenso umschloss wie Aperçus von Meistern wie Heinz Ehrhardt, Georg Kreisler und Ernst Jandl. Ob die vorgetragenen Stücke nun kurz und knackig daherkamen (Peter Flache: Angelsächsisches) oder getragen und gedankenverloren (Hans Eckhardt Wenzel: Jedes ICH braucht auch ein DU), ob Stegmann in atemberaubendem Stakkato bis an die Grenzen des Artikulierbaren gehen musste (Arno Holz: Worte) oder einzelne Silben fast unartig genüsslich ausreizte und mit den Erwartungen des Publikums spielte (Karl Valentin: Sie Ochs) – stets präsentierte er sein Programm im kongenialen Wechselspiel mit dem Pianisten, der die Reichhaltigkeit der literarischen Genres und Gattungen (Sentenzen, Sprichwörter, Anekdoten, Balladen, Glossen, Reden u.a.) mit vielfältigen musikalischen Ausdrucksformen und Klangfarben auf seine Weise illustrierte. Aber damit nicht genug: Stegmann band das Publikum auch geschickt mit ein und ließ es z.B. Zungenbrecher aufsagen. Und vielleicht hat so mancher an diesem Abend erst erkannt, wie viel Poesie auch durch eine Klopapierrolle, ein Stück Seife und eine Zahnbürste hervorgerufen werden kann (Thomas Rosenlöcher sei Dank!).
Das begeisterte Publikum entließ Stegmann und seinen Partner am Piano mit viel Applaus, und ganz gewiss soll das bedeuten: Dieses neue Programm hat es in sich und lohnt, von Gymnasien gebucht zu werden. Allerdings ist Stegmann gut beraten, das Programm so zu kürzen, dass er damit eine runde Schulstunde füllt. Vielleicht lässt diese dann straffere Fassung Raum für Reflexionen mit den Schülern darüber, was Sprache mit uns Menschen macht und wie wir sie zu einem Werkzeug der Verführung und Betörung, der Manipulation und Suggestion, des Spottes und der Anklage gemacht haben. Denn dann erst wird aus Unterhaltung Bildung.
Bertram Kazmirowski
Kontakt zu Jürgen Stegmann: www.theaterstegradebeul.de bzw. info@theaterstegradebeul.de