Stand Radebeul im Mittelpunkt eines bayrisch-sächsischen Tauschgeschäfts?
Nein, wohl eher nicht, aber so ähnlich fing es schon an. Es war nicht alltäglich, als ein Investor aus Nürnberg, der in Radebeul ein Grundstück mit einer Villa von Architekt Oskar Menzel besitzt, im Bauamt die Frage stellte, ob er in seinem großen Grundstück ein Doppel-Carport, bestehend aus elf reich verzierten Gussstützen mit
passendem Glasdach, errichten dürfe. Die Denkmalschutzbehörde hatte nach kurzem Nachdenken dann keine Einwände, wollte aber gern wissen, wo denn die schmucken, durchaus denkmalrelevanten Gussstützen jetzt fehlen würden. Darauf der Investor: sie stammen von einem Nürnberger Bahnhof, wo im Zuge des Ausbaus einer ICE-Strecke die Bahnsteigüberdachungen abgebaut und die Gussstützen sonst verschrottet worden wären. Gesagt, getan – unser Carport steht, ist aber m.E. selbst kein Kulturdenkmal geworden.
Wir im Amt fanden das zunächst seltsam, ahnten aber damals (etwa Ende der 90er Jahre) bereits, dass das Thema Hochgeschwindigkeitsstrecken auch auf uns noch zukommen könnte. Inzwischen, nach meiner Schätzung 2010, sind auch in Radebeul-Ost und -West die alten Bahnsteigüberdachungen „abrasiert“ worden. Das geschah fast ohne Gegenwehr des Denkmalschutzes, denn auch im Landesamt für Denkmalpflege war klar, dass diese Teile der „Kulturdenkmale Bahnhof“ gegen die gigantischen Pläne der DB AG (schon immer Staat im Staate) nicht zu erhalten seien würden. Hochgeschwindigkeitszüge verlangen eben andere Lichtraumprofile und stärkere Luftströmungen sind zu berücksichtigen als bei den Dampfeisenbahnen aus der Kaiserzeit und weitere moderne Voraussetzungen – unsere Überdachungen der Bahnsteige stammten aus der Zeit um 1900. Und wozu braucht man in Radebeul, wo nach Bahnfestlegung eh keine Fernzüge mehr halten, noch Bahnsteigüberdachun-gen? Nur da, wo die S-Bahnzüge halten, gibt es nun neue Überdachungen, ich würde sie als schlicht bezeichnen.
Unsere Gussstützen waren auch mit kapitellartigen oberen Abschlüssen verziert und man hätte damit sicherlich hier, in Nürnberg oder andernorts daraus noch ein paar hübsche Carports bauen können. Aber es ging alles rasch über die Bühne, so dass ich nicht mal dazu kam, unsere Bahnsteigüberdachungen samt Stützen noch mal zu fotografieren, man ist eben nicht mehr der Schnellste. Wahrscheinlich sind daraus etliche Tonnen Schrott geworden, was ja volkswirtschaftlich gesehen, nicht ganz unwichtig ist! Ein ähnliches Schicksal haben auch die kräftigeren und säulenartig verzierten Gussstützen einiger Radebeuler und Dresdner Brücken (Rehefelder Straße, Friedrich-List-Straße …) erlitten – die neuen, nüchterneren Bahnbrücken mögen unbestritten andere Vorteile haben.
Also, wir wissen nichts Genaues über den Verbleib unserer Radebeuler Gussstützen der Bahnhöfe Radebeul-Ost und –West, aber der Zufall wollte es, dass wir jetzt ein paar schöne Nürnberger Stützen am Augustusweg bewundern können! Ob das Nürnberger Touristen, die mal auf einen Sprung Radebeul besuchen, wissen?
Dietrich Lohse