Slawomir Mrožeks schrille Komödie „Tango“ hatte an den Landesbühnen Sachsen Premiere
Es sind bereits die ersten Minuten dieses Abends die so ganz anders verlaufen, als man das eigentlich vom Theater gewohnt ist. Denn die Distanz zwischen Zuschauerraum und Bühne wird quasi schon in der ersten Szene aufgehoben. Als die Familie nämlich die Oma ins Bett schickt. Die alte Dame (Olaf Hörbe) hört auf den Namen Eugenia, trägt ein knallbuntes Kleid, schmückt sich mit einer überdimensionalen Halskette und trägt zudem quer auf dem Kopf ein Basecap spazieren. Schriller kann eine Bühnenfigur kaum gezeichnet werden. In der Inszenierung von Klaus-Peter Fischer für die Studiobühne der Landesbühnen Sachsen bettet man die Oma zum Schlafen inmitten der Zuschauer auf einen „Katafalk“- Den leisen Protest der alten Dame erstickt Schwiegertochter Eleonore (Julia Vincze) mit dem rigorosen Befehl „Hinlegen Oma!“
Oma Eugenia hat zu jenem Zeitpunkt allerdings bereits ein wahrhaft aufsehen erregendes Leben hinter sich gebracht und wundert sich eigentlich über gar nichts mehr. Schon gar nicht über ihre völlig sinnentleerte Existenz, die sie nicht nur mit ihrem Eugen (Michael Heuser) und den anderen nächsten Angehörigen, sondern eigentlich mit der gesamten menschlichen Gesellschaft teilt. Echte Partnerschaft aber war vorgestern, heute dominiert längst die freie Liebe. Eugenia war dafür so etwas wie eine Vorreiterin und vererbt ihre diesbezüglichen Vorlieben dem eigenen wie auch dem angeheirateten Nachwuchs. Als da sind, jene leichtlebige Eleonore und deren gut genährter Lebenspartner Stomil (Matthias Henkel). Da passt auch gut hinein, dass es Eleonore mit der Ehe nicht ganz so genau nimmt und sich – während Stomil sich die Zeit mit allerlei Experimenten wider das Establishment vertreibt – in der Kampfarena der Liebe andere und jüngere Gespielen sucht. Wovon einer bspw. der reichlich mysteriöse Edek (Grian Duesberg) ist.
„Tango“ entstammt der Feder des polnischen Schriftstellers und Bühnenautors Slawomir Mrožek (1930 – 2013) und erweist sich als schrille und bitterböse Satire, die weder ein Blatt vor den Mund nimmt, noch sich um irgendwelche andere Konventionen schert. Die Uraufführung von „Tango“ fand bereits 1964 und noch in Mrožeks Heimat Polen statt. Er selbst hatte Polen zu diesem Zeitpunkt aber längst schon den Rücken gekehrt. Erst 1996 – nach dem Zusammenbruch des Sozialismus‘ – kehrte Mrožek in die alte Heimat zurück.
Derweil sind seine Stücke längst auf den Bühnen der Welt angekommen und gehören auch lange schon zum Repertoire vieler großer Schauspielhäuser.
In „Tango“ wird tatsächlich ein Tango gespielt. Doch der bildet eigentlich so etwas wie den Abgesang. Ganz am Ende, als Oma gstorben ist, wird er gespielt und man tanzt nach ihm. Das die alte Dame tot ist verleitet die Hinterbliebenen zudem zu wunderbar schrägen Einlassungen. Während Eugen droht „Segne oder ich schieße!“ und Stomil noch an seinen merkwürdigen Erfindungen arbeitet und selbstbewusst tönt „Gebt mir Gott und ich mache ein Experiment aus ihm!“ kommentiert seine Eleonore den Tod der Schwiegermutter mit der Feststellung „Merkwürdig, dabei war die doch so unseriös!“ Artur (Michael Berndt) aber möchte nun mit Ala (Codula Hanns) vor den Traualtar treten. Die Geschichte wird sich also fortsetzen. Mit einem eindeutigen Loblied auf die Anarchie. Denn Eleonore nutzt die Abwesenheit ihres Gatten und sucht sich einen anderen Tanzpartner. Das ist Opa Eugen, den sie mit den Worten auffordert „Na Herr Eugen, machen wir ein Tänzchen?“
Wolfgang Zimmermann
Weitere Vorstellungen von„Tango“ 12./13.12. am 17.1. und 8.2.2015 (jeweils um 20.00 Uhr) auf der Studiobühne der Landesbühnen Sachsen