Ein Nachruf für Tilo Kempe

Die Nachricht, dass Tilo Kempe, Radebeuler Architekt und Kommunalpolitiker, nicht mehr lebt, hat viele Menschen – Freunde, Kollegen oder solche, die ihn nur kannten – überrascht und sehr betroffen gemacht. Am 6. April 1963 in Dresden geboren und am 24. August 2015 gestorben, war er nur 52 Jahre alt geworden. Das ist eigentlich keine Zeit zum Sterben und nur durch seine schwere Krankheit in den letzten Monaten zu erklären.

Er stammte aus einer Dresdner Familie mit bekannten Bauingenieuren und Statikern und hatte Architektur an der TU Dresden studiert. Etwa 1990 lernte ich ihn als jungen Architekten, der erste Recherchen über Zustand und Lösungen für Altkötzschenbroda anstellte, kennen. Im Ingenieurbüro Dr. Jäger fertigte er eine Mappe an, die Grundlage zur Rettung und teilweisen Umgestaltung dieses alten Dorfkerns werden sollte. Viele der Entwürfe zur Sanierung einzelner Gehöfte und auch Lückenschließungen stammen von ihm, man erkennt sie an der eher traditionellen Form, im Einzelfalle auch an den Materialien Lehm und Holz. Dass dieses alte Radebeuler Dorf nach 1989 langsam wieder auf die Beine kam und mit meist neuer Nutzung heute ein Anziehungspunkt für Radebeuler und ihre Gäste ist, verdanken wir auch der beharrlichen Arbeit von Tilo Kempe über viele Jahre.

Natürlich konnte das nicht einer allein schaffen, da wären viele Namen zu nennen – aber er hatte das Geschick in Zusammenarbeit (manchmal auch in Konkurrenz) mit Kollegen aus anderen Büros, mit Bauherrn wie Familie Dross und mit der Stadtverwaltung die Gesamtge-staltung von Altkötzschenbroda nie aus dem Auge zu lassen.

"Haus Lorenz", Weinbergstraße 28 Foto: D. Lohse

„Haus Lorenz“, Weinbergstraße 28
Foto: D. Lohse


Wichtig im Leben von Tilo Kempe war der frühe Erwerb von „Haus Lotter“, einem ehemaligen Winzerhaus und Kulturdenkmal in der Niederlößnitz, der behutsame Ausbau zu seiner Wohnung und einem eigenem Architekturbüro sowie die Bereitstellung des Festsaales als Begegnungsstätte des Vereins für Denkmalpflege und neues Bauen; Winzerstraße 83 war in Radebeul eine gute Adresse! Sein Entwurfsbüro beschäftigte sich entsprechend dem Vereinsnamen mit Rekonstruktion (meist Denkmalsanierungen) und Neubauten. Zur ersten Gruppe gehören u.a. Altkötzschenbroda 20 (nur eines von vielen Objekten am Anger), das Spitzhaus, der Grundhof, das Meinholdsche Turmhaus und Haus Lorenz (Abbildung), aus der zweiten Gruppe seien hier An der Wilhelmshöhe 3, Obere Bergstraße 18 und Weintraubenstraße 8 genannt. Doch er hatte auch Aufträge außerhalb Radebeuls als Entwurf bearbeitet und realisiert, wie die „Blaue Mühle“ in Mohorn oder das fantasievolle „Schneckenhaus“ in Moritzburg. Diese Auswahl ist keine Wertung und hat auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Laufe der Jahre waren wir Freunde geworden mit gemeinsamen Interessen zur Stadtgeschichte, Denkmalpflege und zu bemalten Holzbalkendecken, wie eine im „Haus Lotter“ vorhanden ist.

Als Stadtrat für die CDU hatte sich Tilo Kempe viele Jahre eingebracht und war auch eine Zeit lang im Kreistag Meißen tätig gewesen. Ich erinnere mich auch an eine beratende Tätigkeit Kempes für die Lutherkirche; die Realisierung einer anderen Planung für das Gemeindezentrum kann er leider nicht mehr erleben. In den Fluttagen 2002 war er einer von vielen unermüdlichen Helfern, besonders wertvoll war seine Idee, einen alten Dammplan zur Rettung des ehem. HAW und anderer Betriebe zu realisieren. Einige waren überrascht, als er im Jahr 2008 als Kandidat für den ersten Bürgermeister (Baubürgermeister) in Radebeul antrat. Er ist es dann nicht geworden, aber dazu braucht man Sachverstand und Mut – beides hatte er. Nicht zu vergessen ist sein Engagement als Organisator im Radebeuler Bauherrenpreis und schließlich war er auch unter den Preisträgern.

Ein Umzug nach Weinböhla konnte zT. realisiert werden, den Verkauf von „Haus Lotter“ hat er nicht mehr geschafft. Eine damit verbundene Abwendung von Radebeul war nur schwer zu verstehen, hatte aber nichts mit seiner Einstellung zu unserer Stadt zu tun. In zwei aufeinander folgenden Ehen konnte Tilo auf die gute Entwicklung von insgesamt drei Kindern schauen, denen der Vater sehr fehlen wird.

Wir müssen feststellen, dass Tilo Kempe die Lebensleistung eines Architekten wegen seiner schweren Krankheit in nur 25 Jahren beenden musste. Darin steckt eine große Dichte an Entwurfsarbeit, Organisation und Engagement auch für Radebeul. Dafür sollten wir ihm dankbar sein und ihn so ehrend in Erinnerung behalten.

In der Zwischenzeit fand am 4. September 2015 die Beerdigung von Tilo Kempe auf dem Friedhof Weinböhla statt. Außer der Familie waren viele, ihm nahestehende Menschen – Architektenkollegen, Radebeuls OB und Mitarbeiter aus der Verwaltung, Bauherren und Handwerker, Vertreter der CDU und anderer Parteien, Vereinsmitglieder und Freunde – gekommen um Abschied zu nehmen. Der christlichen Feierstunde, die von einem gemischten Chor begleitet wurde, wohnten etwa 300 Trauergäste bei, insgesamt eine würdige und sehr berührende Abschiedsfeier für Tilo Kempe.

Dietrich Lohse

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