Die erste Frühlingssonne lockt die Groß- und Kleinwinzer wieder in ihre Weinberge. Der Rebschnitt will beendet sein, bevor der aufsteigende Saft die Stöcke bluten lässt.
Bluten muss der sächsische Weinbau in diesem Jahr wohl auch in artverwandter Weise. Immerhin überschattet seit Jahresanfang ein unschöner „Weinskandal“ die hiesige Kulturlandschaft. Vereinzelte Kleinwinzer im Raum Meißen, die ihre Trauben an große Weinbetriebe lieferten, verwendeten ein für den Weinbau nicht (mehr) zugelassenes Spritzmittel. Bei einigen anderen Obstkulturen kann es jedoch mit Rechtsgrundlage verwendet werden, sodass gar die eher unwahrscheinliche Spritzabdrift benachbarter Felder kolportiert wurde.
Der Tatbestand soll nichts Beschönigen, hingegen auch nicht der antizipierten Hysterie verfallen, wie es diverse Gazetten propagierten. Die Sache gehört aufgeklärt, fraglos und mit allen Konsequenzen! Immerhin geht es um den Ruf einer ganzen Gilde, die mit Herzblut seit der Wendezeit eine Renaissance der regionalen Weinkultur ermöglichten und mit all ihren Winzerhandschriften ganz individuelle vinophile Facetten erschuf.
Also, Augenmaß ist gefragt!
Radebeul hat in Hinblick auf die hiesige Weinbautradition in diesem Jahr immerhin ein kleines Jubiläum zu verzeichnen. Die traditionsreiche „Sektkellerei Bussard“ wurde vor 180 Jahren als „Actienverein zur Fabrikation moussierender Weine“ auf der Moritzburger Straße gegründet. Damit war sie die älteste sächsische und lange Zeit gar zweitälteste Sektkellerei Deutschlands. 1979 wurde die Produktion und einhergehende Namensrechte an Schloss Wackerbarth überführt, sodass das schon zu DDR-Zeiten unter Denkmalschutz stehende Gebäudeensemble seinem Zweck enthoben wurde. Nach langem Leerstand und Verfall beherbergt die aufwendig sanierte Anlage heute zahlreiche Wohnungen.
Sascha Graedtke