Nicht tot zu kriegen!

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Klubhaus »Heiterer Blick« nach Umbau, Veranstaltungssaal mit Bühne Foto: K.U. Baum

Das Theater „Heiterer Blick“ wird 70

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Gisela und Klaus Kunick im Klubhaus »Heiterer Blick« Foto: K.U. Baum

Man sagt, die Radebeuler sind stolz auf ihre Stadt. Warum nicht?! Und man sagt auch, sie hätten sich nur deshalb dem Landkreis Meißen angeschlossen, um nicht von Dresden „geschluckt“ zu werden. Kann sein.
Es gibt aber auch viel Schönes in der Stadt: der Blick von den Weinbergen, die beschaulichen Siedlungsgebiete mit den schmucken Häusern und ihren Gärten, die Elbe mit den Streuobstwiesen…
Freilich, ein ordentliches Zentrum sucht man vergebens und mit dem Einkaufen hapert es auch ein wenig. Was soll‘s, fahren wir halt nach Dresden. Aber Kultur, Kultur haben wir reichlich. Wackerbarth, Hoflößnitz, Indianer-Museum, Karl-May-Fest, Weinfest, Wandertheaterfestival, DDR-Museum, Kulturbahnhof, Stadtbibliothek, Stadtgalerie, jede Menge Künstler… und natürlich die Landesbühnen Sachsen, gerade für eine große Stange Geld auf Vordermann gebracht. Der „Kultur-Dampfer“ kostet. Obwohl das Theater nicht der Stadt gehört, zahlen die Radebeuler Bürger 400.000 Euro im Jahr Zuschuss. Mächtig gewaltig! Da haben es freilich die kleinen Kulturanbieter schwer. Sicher kommen sie mit weniger Geld aus. Aber etwas mehr als gegenwärtig wäre schon angebracht für alle Kulturvereine. Sagen wir, 5 Prozent? Abgemacht!
So ein kleiner unscheinbarer Verein ist das Theater „Heiterer Blick“. Schon jahrelang ein zuverlässiger Partner in der Stadt. Immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Mit dabei u. a. bei Stadtfesten und auch beim diesjährigen Frühjahrsspektakel der Händler auf der Bahnhofsstraße. Nicht immer führte der Verein so ein bescheidenes Dasein wie heute. Damals, vor 30/40 Jahren, herrschten allerdings auch andere Zeiten. Da gab es noch Kulturhäuser, die gehörten meist den Betrieben. Aber das ist schon wieder eine neue Geschichte.
Für das Theater „Heiterer Blick“, seit 1969 Jugendtheater des VEB Druckmaschinenwerk „Planeta“, baute das Kombinat 1972 in ihrem Kulturhaus einen ganzen Theatersaal aus. Die Architekten Klaus Kaufmann und Günter Fischer fertigten die Entwürfe an. Die Radebeulerin Ulrike Kunze entwarf 1976 für die spektakuläre Inszenierung Die Antigone des Sophokles nach Brecht die Kostüme, damals noch Studentin an der Kunsthochschule in Dresden, Abteilung Bühnenbild, und der Maler und Grafiker Günter Schmitz gestaltete Plakat und Programmheft. Diese Produktion erhielt zu den 16. Arbeiterfestspielen 1976 in Dresden eine Goldmedaille. „Die Inszenierung beeindruckte die Zuschauer durch eine schlichte und sehr intensive Spielweise“, schrieb später Michael Hametner, ehemals Mitglied der Zentralen Beratergruppe in der DDR.

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Roswitha Schubert (†) als Amme und Axel Poike als Romeo in der Shakespeare-Inszenierung Romeo und Julia von 1980 Foto: K.U. Baum

Die Truppe unter der Leitung von Klaus Kunick, Theaterwissenschaftler, Regisseur und Schauspieler, war so potent, dass sie ein Theateranrecht für ihr Publikum einrichteten konnte, trotz den Landesbühnen Sachsen, die sich drei Kilometer weiter befanden.
Das bereits 1945 als „Theatergruppe Hoflößnitz“ der Antifa-Jugend gegründete Jugendtheater entwickelte sich über mehrere Stationen hinweg schließlich unter dem Dach des Druckmaschinenwerkes zum wahren Leistungsträger. Bis 1976 wurden „ungefähr 70 Stücke und geschlossene Programme zur Aufführung“ gebracht. Von 1965 bis 1976 gaben die rund 60 Mitglieder jährlich 30 bis 50 Vorstellungen! Rechnet man die Sommerpause ab, war das mindestens eine Aufführung pro Woche!
Ich habe das Jugendtheater 1977 im Klubhaus der Sachsenwerker zum Bezirksleistungsvergleich kennengelernt. Sie zeigten die Aufführung Die feuerrote Blume, die mir so gar nicht gefallen wollte. Romeo und Julia, drei Jahre später, war schon eher nach meinem Geschmack. Nicht so sehr wegen des ollen Klassikers. Es war die jugendliche, frische, fast unbekümmerte Spielweise, die mir gefiel. In der Gruppe herrschte offensichtlich eine arbeitsame Atmosphäre, in der sich viele Persönlichkeiten und Talente entwickeln konnten. Da wurde aber nicht nur geprobt und Vorstellungen „gefahren“. Gemeinsame Ausflüge und Feiern standen ebenso auf den Plan wie Weiterbildungen. In etwa 1.500 freiwilligen Stunden wurde 1966 eine Freilichtbühne in der Oberlößnitz errichtet und auch beim Umbau des Theatersaales 1972 waren die Mitglieder wieder zur Stelle. Wenn ich mich heute in der professionellen Theaterlandschaft umsehe, erkenne ich viele ehemalige Mitglieder dieser Gruppe wieder. Manuel Schöbel, gegenwärtig Intendant an den Landesbühnen Sachsen, Hasko Weber, z. Z. Generalintendant am Nationaltheater Weimar, Jürgen Stegmann, freier Schauspieler oder Axel Richter, em. Prof. der Kunstuniversität Graz, um nur einige zu nennen. Mit allen hatte ich auf die eine oder andere Weise zu tun, einzig deshalb, weil es mich Anfang der 1970er Jahre nach Dresden verschlug und ich mich der Amateurtheaterszene zugewandt hatte. In Kunick?s Gruppe wollte ich allerdings nicht eintreten, das war mir zu stressig. Mit dem Trägerbetrieb hatte er sich schließlich 1980 überworfen und die Truppe sich selbst überlassen. Das fand ich damals ziemlich mies. Die großen Zeiten waren damit für das Jugendtheater vorbei.
In den wilden Tagen 1989/1990 retteten ein paar Enthusiasten, unter ihnen Jan Dietl, die Truppe. Die Planeta musste selbst die eigene Haut in Sicherheit bringen. Folglich wurden 1989 erst die Kulturgruppen abgestoßen und danach das Klubhaus. Der Veranstaltungsort wurde später geschliffen. Die Theatergruppe mauserte sich zum Verein. Unterschlupf fand man mehr schlecht als recht im Radebeuler Vereinshaus. Die Technik und Requisiten sollten ja nicht auf den Müll. Da standen sie nun ohne künstlerischen Leiter und ohne Spielort. Ein kurzzeitiger Zusammenschluss mit der Radebeuler Neugründung „Grüne Gans“ unter dessen künstlerischen Leiter Friedemann Nawroth brachte gute Inszenierungen aber nur

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Birgitte Heizel (heute Putzker) von der Laienspiel-gruppe Hoflößnitz in der Komödie Diener zweier Herren von Carlo Coldoni als Rosaura im Juli 1948 Foto: K.U. Baum

vorübergehend Entspannung. Jan Dietl nahm dann selbst das Zepter in die Hand, schrieb Stücke, führte Regie und leitete die Gruppe. Es schien wieder aufwärts zu gehen. Man wurde Mitglied im Landesverband Amateurtheater. Gastspiele im Westen waren angesagt. Zu den Internationalen Amateurtheatertage in Hanau zog es die Gruppe immer wieder. Langsam aber ging dann doch die Luft raus. Die Mitgliederzahl schwand, häufig befand man sich kurz vor der Auflösung. Heute hält ein kleiner Trupp von Unentwegten das Fähnlein aufrecht, unterstützt von einigen Jüngeren. Man ist wieder am Ball, spielt Märchen, Programme und auch größere Stücke. Wen es wirklich erwischt hat, der lässt eben nicht so schnell wieder los.

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Jan Dietl als Hutter und Uwe Wittig als Graf Orlok in einer Szene aus Nosferatu – Harmonie des Grauens, Kulturbahn-hof Radebeul 2010 Foto: K.U. Baum

Zum 30. Jahrestag des Jugendtheaters mit dem Kunstpreis des FDGB geehrt, winken vielleicht zum 70. Gründungsjahr ein paar Euro, aber auch nur, wenn sie Uwe Wittig, das jetzige „Mädchen für alles“, beim Kulturamt der Stadt Radebeul beantragt. Dann könnte die geplante Fete in Oktober im Kulturbahnhof in Radebeul-Ost doch noch eine richtige Sause werden.
Federico García Lorca, der große spanische Lyriker und Dramatiker schrieb im 20. Jahrhundert dem Volk und damit auch der Politik ins Stammbuch: „Ein Volk, das seinem Theater nicht hilft und es nicht fördert, ist, wenn nicht tot, so doch todkrank.“ Es sei dem Theater „Heiterer Blick“ zu wünschen, dass es nicht so endet, wie der Dichter selbst.
Karl Uwe Baum

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