Zum 90. Geburtstag von KMD i.R. Hans-Bernhard Hoch
Schon beim Eintritt in die Wohnung höre ich Klavierspiel, sanft flutet es die Räume und schafft eine Stimmung, die mich willkommen heißt. Hans-Bernhard Hoch sitzt am Instrument, die Finger gleiten unangestrengt über die Tasten, mit lockerer Hand durchmisst er die Oktaven, ein Lächeln schenkend dem Besucher. Noten braucht der KMD i.R. nicht, dazu hat er sich viel zu viele Jahrzehnte im Improvisieren geübt und seine Intuition dafür geschärft, welche Töne angeschlagen werden müssen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wüsste man nicht, dass hier der älteste noch lebende Kunstpreisträger der Stadt Radebeul musiziert (Hans-Bernhard Hoch erhielt ihn 2004 in Würdigung seines fast vierzigjährigen Schaffens als Kantor an der Friedenskirche Kötzschenbroda), würde man einen jüngeren Menschen erwarten. Wie gut, dass Musik durchs Ohr (und nicht durchs Auge!) ins Herz und ins Hirn geht, denn so ist man nicht voreingenommen davon, dass der bald 90-Jährige natürlich heute nicht mehr derjenige sein kann, als den ihn viele langjährige Freunde der Kirchenmusik in Erinnerung haben: als energiegeladenen, beweglichen und mitreißenden Kantor, der Chöre, Kurrende und Orchester einst zu Höchstleistungen führte. Dass das Alter von jedem Menschen Tribut fordert ist eine Binsenweisheit, aber Altkantor Hoch scheint (s)ein Mittel schon lange gefunden zu haben und beharrlich zu pflegen, womit er sich dagegen so gut wie möglich wehrt: Musik in hoher Dosis! Nicht nur tägliches eigenes Spiel, sondern auch regelmäßige Konzertbesuche gemeinsam mit seiner Frau Ilse verschaffen ihm nach wie vor Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt Dresden, wohin das seit 1954 verheiratete Paar nach mehr als 60 Jahren in Radebeul 2016 gezogen war, um in einer altersgerechten Wohnanlage der Diakonissenanstalt bessere Bedingungen für die verbleibende Zeit zu finden. Auch Konzertübertragungen im Fernsehen, wie etwa vor Weihnachten der Auftritt des Kreuzchors im Dresdner Stadion oder das Adventskonzert aus der Frauenkirche, verfolgt der Altkantor mit Interesse, denn natürlich bemerkt er als langjähriger Kenner der Materie Entwicklungen in der Aufführungspraxis, vor allem bei chorischen Werken. Achtete man zu seiner aktiven Zeit strenger darauf, dass sich die Musik als Diener am Text verstand, so ist es heute manchmal umgekehrt, gilt der musikalische Effekt mehr als die Botschaft des Textes. Einmal, so erzählt mir Kantor Hoch mit Schmunzeln, kam er darüber sogar mit Christian Thielemann ins Gespräch. Der renommierte Stardirigent der Staatskapelle war für seine Interpretation des Bachschen Weihnachtsoratoriums kritisiert worden, denn Thielemann hatte dieses in unseren Breiten sehr bekannte und beliebte Werk zuvor noch nicht dirigiert und es mit seinem romantischen, an Bruckner, Wagner und Brahms geschulten Musikverständnis überformt. Verübeln könne man ihm das zwar nicht, so Hoch, aber einige wohlgesetzte Einlassungen bestimmter Aufführungstraditionen das WO betreffend, das Hans-Bernhard Hoch selbst zwei Dutzend Mal zum Erklingen gebracht hatte, hörte sich Thielemann dann doch mit Interesse an. Apropos Interesse: der Altkantor verfolgte aufmerksam aus dem Zuschauerraum die Aufführung des geliebten Weihnachtsoratoriums in „seiner“ Friedenskirche im Dezember 2017 unter der erstmaligen Leitung seines Nach-Nachfolgers, Peter Kubath. Obwohl die beiden noch immer Mitglieder der Kantorei sind, so hat Hans-Bernhard Hoch dennoch inzwischen von der aktiven Mitwirkung Abschied genommen, denn zu beschwerlich ist ihm das lange Stehen geworden. Seine Frau dagegen singt nach wie vor mit Hingabe im Alt. Hans-Bernhard Hoch freut sich darüber, dass die Kantorei weiter blüht und mancher Samen, den er vor Jahrzehnten legte, aufgegangen ist. Auch die Arbeit seines unmittelbaren Nachfolgers, Karlheinz Kaiser, schätzt er. Die Breite an Chorliteratur, die während dessen Amtszeit erarbeitet wurde, nötigt ihm Respekt ab und lässt ihn dankbar auf die mehr als 20 Jahre zurückblicken, in denen er unter Kantor Kaiser den Bass im Männerchor verstärkte.
Welche Pläne und Wünsche kann einer noch haben, wenn er vor seinem 90. Geburtstag steht? Hans-Bernhard Hoch wiegt den Kopf. Nach Bad Pyrmont möchte er gern wieder im Sommer reisen, dort gefällt es den Hochs sehr gut. Weit entfernt liegende Orte reizen sie nicht mehr, obgleich sie noch immer dankbar dafür sind, in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten u.a. berühmte Städte wie Rom und Athen besucht und ausgiebig Regionen wie Süddeutschland und das Loiretal in Frankreich erkundet zu haben. Seine Kinder, Enkel und Urenkel möchte er gern regelmäßig um sich haben, so wie jetzt am ersten Februarwochenende, wenn die Sippe zum Jubiläum in Dresden zusammenkommt. Und natürlich wünscht er sich, noch möglichst viele Jahre bei passabler Gesundheit zu sein, damit sich seine liebevoll kümmernde Frau nicht zu sehr um ihn sorgen muss. Und, frage ich zum Abschluss des anregenden Gesprächs, wen würde er gern als Überraschungsgäste zum Geburtstag einladen, mit wem würde er gern einmal plaudern, wenn es denn möglich wäre? „Johannes Brahms“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Er ist Hochs Lieblingskomponist, dessen 1. Sinfonie schätzt er besonders. Wen noch? „Den Dirigenten Herbert Blomstedt“, entfährt es ihm. Blomstedt, der bereits 90 ist, sei ein Vorbild für ihn, da er im hohen Alter noch bemerkenswerte künstlerische Leistungen vollbringe. Und welche Sänger? „Adele Stolte, Britta Schwarz und Andreas Scheibner“, braucht er nicht lange zu überlegen. Mit diesen Künstlern hat Kantor i.R. oft zusammengearbeitet, hat sie zu seinen Zeiten als Solisten engagieren können. Aber auch ohne diese Musiker wird Hans-Bernhard Hoch eine würdige Feier begehen können, da bin ich mir sicher! Lieber Hans-Bernhard Hoch, „Vorschau & Rückblick“ schließt sich den vielen Gratulanten mit herzlichem Glückwunsch zum 90. Geburtstag am 30. Januar an!
Bertram Kazmirowski
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Wer mehr über den beruflichen und künstlerischen Werdegang von Hans-Bernhard Hoch erfahren möchte, dem sei das umfangreiche Porträt in der Ausgabe 1/2003 von „Vorschau & Rückblick“ empfohlen.
Ein Kommentar
Danke für den wunderschönen Artikel über einen meiner ehemaligen Singwochenleiter in Schönheide. Ich freue mich besonders über das sehr schöne Foto. Wie schön, dass er seinen 90. Geburtstag feiern durfte. Ich habe Herrn Hoch hinsichtlich meiner schweren Sehbehinderung als einen besonders liebenswerten netten und verständnisvollen Singwochenleiter kennen und schätzen gelernt. Gern und von Herzen dankbar denke ich noch heute an die schönen Erlebnisse zurück. Sie bleiben mir unvergesslich. An dieser Stelle, wenn möglich, alle lieben nachträglichen Wünsche für ihn und seine ebenfalls liebenswerte Frau.
Christa Czech, Leipzig