Editorial Juli 2018

Wer schon einmal in Bayern war, dem fiel es gleich auf: Das ‚Grüß Gott‘ kommt von allen Seiten. Es ist dort eine Selbstverständlichkeit im Alltag. Auch wenn ich es mit dem ‚Lieben Gott‘ nicht so habe, ein ‚Hallo‘ kommt dann dennoch gern von meinen Lippen. Ich finde das gut so.
Bin ich in Sachsen zurück, sieht es beim morgendlichen Lauf auf dem Elberadweg meist ganz anders aus. Nur bei den Sportlern untereinander ist Grüßen die Regel. Viele andere rasen mit gesenktem Kopf und starrem Blick auf dem Fahrrad vorbei oder schauen weg. Wenn ich grüße, erhalte ich fast immer eine Antwort, nur einige verweigern sich tapfer. Auch in den Geschäften und öffentlichen Einrichtungen findet das Grüßen seltener statt und im Straßenverkehr sind ein Stinkefinger oder ein Schimpfwort immer häufiger als Gesten des Dankes für Rücksichtnahme oder Nachsicht bei Fehlern zu bemerken. Dabei sind es doch diese Zeichen, die einem schöne Momente des Beachtetwerden, des freundlich – friedlichen Kontaktes bescheren.
Weshalb vergibt man sich das?
Eine wirklich zum Nachdenken anregende Begebenheit erzählte mir eine Bekannte: Ins Mehrfamilienhaus war eine neue Familie eingezogen. Der Sohn ging ohne Gruß an den Mitbewohner vorbei, was Missfallen hervorrief. Die Mutter des Jungen sagte, als man sie darauf ansprach: „Ich habe meinem Sohn gesagt, er braucht im Haus nicht zu grüßen.“ Na, da fällt einem doch nichts mehr ein, außer: Von den Bayern lernen, heißt Grüßen lernen.
In diesem Sinne, es grüßt ganz herzlich.

Ilona Rau

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