Aus eigener Tasche

Advent: Zeit der Vorbereitung auf etwas Niedagewesenes, das zu erkennen nicht immer ganz einfach ist. Das macht es „Trittbrettfahrern“ leicht: Konsumzwang und Kaufrausch führen rasch in die Welt zurück, und das Eigentliche kommt unter die Räder.

Wie Denkmalpfleger wissen, ist nicht nur das Neue, sondern in hohem Maße auch das Bewahrenswerte in ständiger Gefahr. Hier sind nämlich ebenfalls „Trittbrettfahrer“ unterwegs, allerdings, wenn wir so wollen, in entgegengesetzter Richtung: kleinliche Egoismen und kurzfristige pseudoökonomische Tagesinteressen werden unter dem Deckmantel des Fortschritts gegen dauerhafte (Lebens-) Qualität ins Feld geführt. Diesem Trend zu begegnen, wurden eine Hand voll gesetzlicher Schutzmechanismen geschaffen. So gibt es neben geschützten Flächen- und Einzeldenkmalen auch ganze Denkmalschutzgebiete. Besonders wertvolle Ensembles werden als „Weltkulturerbe“ sogar unter die Obhut der ganzen Welt gestellt. Natürlich ist das – wie in Dresden und Umgebung hinreichend bekannt ist – auch kein Allheilmittel. Dennoch möchte ich die Zeit des beschaulichen Jahresausklangs nutzen einen diesbezüglichen Vorschlag zu machen:

Der Verein könnte einen Antrag formulieren, das – in meinen Augen hochgradig gefährdete – Bargeld in das Weltkulturerbe aufzunehmen.

Seit mindestens dreitausend Jahren ist Geld als Mittel des Austausches von Waren und Leistungen im Gebrauch, denn in differenzierten Gesellschaften ist reiner Naturalienhandel (Radeberger gegen Autoreifen oder Fliesen …) nicht uneingeschränkt möglich. Bereits im siebenten vorchristlichen Jahrhundert wurden in Griechenland Münzen geprägt, spätestens seit Cäsar kam von Rom aus die Prägung von Gold- und Silbermünzen in Gebrauch. Hatte das „Geld“ zuvor in Form von Kauri-Muscheln, Stein- oder Keramikscheiben rein ideellen Wert gehabt, waren die Münzen nun für ein reichliches Jahrtausend echter „Gegenwert“: der Nennwert war mit dem Materialwert weitgehend identisch. Dagegen ist das bunt bedruckte Papiergeld der Gegenwart eher mit Kaurimuscheln vergleichbar. Und auch unsere immerhin schwerwiegenden Münzen haben kaum noch Eigenwert. Dennoch erfüllen die einen wie die anderen einen gesellschaftlich bedeutenden Zweck: sie vermitteln zwischen Wert und Leistung und ermöglichen den Austausch.

Der „Arbeiter im Weinberg“ – eine der Symbolfiguren eines für das christliche Abendland grundlegend wichtigen Buches – erhielt zu Schichtschluss seine Münzen, und er konnte den Wert seiner Arbeit in der Tasche getrost nach Hause tragen. Ich selbst erinnere mich an Ferienarbeit in Schülertagen, wo es am Ende der Woche einen Umschlag mit ein paar Scheinen gab, die wir ebenso stolz heimtrugen. Heute ändert sich, wenn wir Glück haben, von uns völlig unbemerkt an geheimer Stelle eine Zahl – der Bezug zwischen Arbeit und Entgelt ist weitgehend verloren gegangen. Bezahlen wir dann auch noch irgendwo „mit Karte“, gerät leicht alles außer Kontrolle.

So sitze ich also in der Gastwirtschaft meines Vertrauens beim Bier und beobachte, dass auch an der Bar die Barzahlung immer mehr aus der Mode kommt. Wege, die Tendenz umzubiegen sehe ich nicht. Allzu bereitwillig vertrauen unsere Menschen unsichtbaren Mächten ihr Innerstes an, wenn diese nur in Gestalt des sogenannten Fortschritts daherkommen. Die Finanzämter freuts, ihnen entgeht kein Trinkgeld mehr. Am Grunde des Glases denke ich, wenn der Bismarckturm betreppt und die Aussicht in Aussicht ist, könnte der Verein – siehe oben – das Bargeld auf die Liste des (inzwischen) immateriellen Kulturgutes stellen lassen. Dann hätte zumindest ich die zusätzliche Aussicht, für den Rest meiner Tage mein Bier oder meinen Wein von den „Gesichtsbüchern“ dieser Welt weitgehend unbemerkt und im wahrsten Sinne des Wortes aus meiner Tasche bezahlen zu können.

Advent: Zeit, etwas Ungewöhnliches zu denken…

Thomas Gerlach

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