Von Neujahrsempfängen und andern Ereignissen
Bei der heutigen Fülle von Nachrichten, die täglich in den Gazetten und modernen Medien verbreitet werden, haben es die Politiker nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Verständlich wird da jede Gelegenheit genutzt, eine Botschaft abzusetzen. Besonders Fest- und Feiertage sind willkommene Anlässe, Reden an das Volk zu halten, ob es sie hören will oder nicht. Angela Merkels Rede zum Jahreswechsel zum Beispiel hat mir diesmal Ausnahmsweise gut gefallen, hatte sie doch die Last des „Wie-weiter?“ ganz pragmatisch an eine Jüngere übergeben können. Manch andere haben da nicht so viel Glück. Sie müssen noch einige Jahre weiter wursteln.
Sehr beliebt sind auch Grüße zum Jahresende sowie die sogenannten Neujahrsempfänge. Letztere freilich sind mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn meist werden deren Gäste durch eine persönliche Einladung zur Teilnahme gebeten. Ablehnen will da reiflich bedacht sein.
Nun mag sich mancher bisher nicht Bedachte nach einer derartigen Aufmerksamkeit für seine Person sehnen oder auch glauben, dass er sie eigentlich verdient hätte. Aber mit dem Verdienst ist das so eine Sache. Wer bekommt heutzutage schon das was er verdient hat? Meine Mutter schimpfte häufig: „Junge, verdient hast Du eine Tracht Prügel!“ Bekommen aber habe ich sie nie. Auch sind vermutlich die Vorstellungen über eine solche Veranstaltung bei den meisten Bürgern eher vage. Zugegeben, Neujahrsempfang ist nicht gleich Neujahrsempfang. Da mag es gewaltige Unterschiede geben. Die einen wählen ihre Gäste persönlich aus, da man hat das Gefühl „vom Hofe geladen zu sein“. Andere wiederum fordern die gesamte Stadtgesellschaft zum Kommen auf, obwohl der größte Saal des Ortes nur über 750 Plätze verfügt. Wieder andere laden zum Beispiel 200 ehrenamtlich tätige Bürger ein und bewirten sie mit Speis und Trank sowie Kultur.
Blöderweise kann man sich in der Regel nicht aussuchen, von wem und wohin man für einen derartigen Empfang eingeladen wird. Nie weiß man deshalb genau, ob man sich nicht lieber vorher zu Hause noch eine Stulle schmieren sollte, weil die wenigen Fingerfoods, von denen man ohnehin nicht satt wird, erst drei Stunden nach Veranstaltungsbeginn den Gästen gereicht werden.
Eins haben aber all die Neujahresempfänge gemeinsam: Die Kultur – oder das was mancher dafür hält – und die Reden kommen vor dem Fressen. Allein das ist suspekt. Nein, nicht die Reihenfolge, vielmehr der Inhalt der Reden. Die einen sprechen vom „Optimismus“, der alle Bürger im neuen Jahr begleiten soll und motivieren ihre Gäste für die künftigen Aufgaben mit dem Auftritt einer gefragten Künstlerin, die bereits alle „Kleinkunstbühnen Deutschlands“ kennt. Oder umgekehrt? Ist auch egal… Beschwingt und vielleicht sogar beschwipst, auf alle Fälle frohen Mutes tritt man dann den Heimweg an. Die andere „drohen“ mit gewaltigen Herausforderungen und teuren Investvorhaben. Die dabei abgelassenen Moralpredigten gibt es gratis oben drauf. Und wenn man dann in langer Schlange vor dem Tresen nach einem alkoholfreien Bier ansteht und in allen Taschen nach Kleingeld sucht, ist die anfänglich gute Laune schließlich endgültig im Keller.
Was dann manchmal nach diesen Reden als sogenannter Kunstgenuss geboten wird, will ich hier gar nicht erst groß erörtern. Da ist es mir schon passiert, dass einem bei einen Neujahrsempfang Gesangsstücke aus „Dem weißen Rössl“ untergejubelt wurden, von dem mancher Kritiker glaubt, dass derartige Unterhaltung generell nicht mehr auf eine Theaterbühne gehört.
Ja, wer auf sich hält, gibt heutzutage einen Neujahrsempfang. Eigeninitiative ist gefragt. Riskant wird es nur, wenn die dafür benötigten „begnadeten“ Künstlerinnen nicht reichen… Da lassen ich mich doch lieber wieder einladen und kann mich wenigsten hinterher darüber so richtig aufregen.
Motzi