25 Jahre Krankenhausneubau Radebeul (Teil 1)

Aufbruch aus 40 Jahren Stagnation

Vor 25 Jahren, am 25. Mai 1994, wurde der Teilneubau für die operativen Fachabteilungen des Radebeuler Krankenhauses feierlich eröffnet. Für Ärzte, Pflegepersonal, die Mitarbeiter im Funktionsdienst, vor allem aber für die Patienten aus Radebeul und aus dem Landkreis Dresden standen nun die gleichen Möglichkeiten zur stationären Krankenhausbehandlung bereit, wie sie in Westdeutschland schon seit Jahrzehnten Standard waren.

Neben der technischen Ausstattung, die mehr intern stattfand, imponierte aber vor allem das neue Gebäude, dessen Planung von Dr. Jürgen Jüchser geleitet wurde. Seines Zeichens Architekt hatte er Kindheit und Jugend in Dresden verbracht. Seine letzten Lebensjahre wohnte er in Schleswig- Holstein, wo er am 06.03.2019 im neunzigsten Lebensjahr verstarb. Er war ein Sohn des Malers Hans Jüchser, dessen Wirkungsstätte u. a. im Künstlerhaus in Dresden Wachwitz gewesen war. In Radebeul gibt es mit dem Glasbild des auferstandenen Christus im Luthersaal der Friedenskirche ein Zeugnis seines künstlerischen Wirkens.

Dr. Jürgen Jüchser war in den 1950er Jahren nach Westdeutschland gegangen und hatte sein Berufsleben dem Krankenhausbau gewidmet. Im riesigen Nachholbedarf, den Krankenhäuser in 40 Jahren DDR angestaut hatten, sahen Ingenieure und Bauplaner aus von Abwicklung bedrohten DDR-Großbetrieben ein neues Tätigkeitsfeld. Auch das Ehepaar Rüpprich, beides Bauingenieure und mit Dr. Jüchser verschwägert, gehörten in der neugegründeten Planungsfirma IPRO, entstanden aus dem VVB Kohle und Energie, bald der neu entstandenen Krankenausplanungsabteilung an. Zufällig waren sie mit einem Mitarbeiter der Bauabteilung im Radebeuler Krankenhaus bekannt. Dadurch rückte unser Haus als ein erstes Planungsobjekt in den Fokus der auftragshungrigen jungen Firma IPRO.
Unvergessen bleibt die Reise einer Krankenhausdelegation im Frühjahr 1990 nach Berlin Tempelhof, an der noch der zunächst weiter amtierende Obermedizinalrat Dr. Altus als Ärztlicher Direktor teilnahm. Hier war Dr. Jüchser mit der Leitung von ihm geplanter Modernisierungen im St.- Josephs- Krankenhaus beschäftigt. Eine Führung durch dieses neugestaltete Haus war mit Blick auf die verschlissene Bausubstanz zu Hause einfach atemberaubend und weckte die schönsten Hoffnungen. Beim Abschied versprach Dr. Jüchser, demnächst einen Entwurfsvorschlag für Radebeul zu erarbeiten und vorzustellen.

Am 15. August 1990 war dann schon der große Tag, an dem die im damaligen Sozialgebäude versammelten ärztlichen Kollegen und Mitarbeiter fasziniert einen Blick in die Zukunft werfen durften, vorausgesetzt, die Ausführung würde auch so gelingen, wie es die Planung im Maßstab 1:100 in Aussicht stellte. Diese Präsentation war eine meiner ersten „Amtshandlungen“ als Leitender Chefarzt. Die Kreistagsmehrheit hatte mich mit Wirkung vom 01.08.1990 nach Rückfrage bei meinen Chefarztkollegen in diese Funktion bestellt und mir damit Verantwortung auch für das Bauvorhaben übertragen. Reichlich unbeholfen mag mein Auftritt als Moderator empfunden worden sein, musste ich doch bei dem an diesem Abend verspätet eintreffenden Landrat Geistlinger möglichst den gleichen Enthusiasmus wecken, der uns zuvor ergriffen hatte. Kurz nach unserer Berlinfahrt hatte die neue Kreisspitze, unser Träger also, Herrn Dr. Altus noch die kalte Schulter gezeigt, als er mit seinem Reisebericht aus Berlin die Kreistagsversammlung von unseren Bauplänen überzeugen wollte. Es bedurfte glücklicherweise keiner großen Überredungskünste. Nach dem Rundgang vor den ausgehängten Planzeichnungen war auch der Landrat begeistert und gab kurzerhand grünes Licht für weitere Planungen. Während wir Krankenhausmitarbeiter erleichtert und froh waren, wenn ich mich recht erinnere, knallten sogar Sektkorken, fielen besonders dicke Steine von den Herzen der Bauplaner. Waren doch für sie die nächsten Jahre beruflich abgesichert, während die Wende für so manchen einen Umbruch im Lebenslauf, oder gar das Ende der Berufstätigkeit mit sich gebracht hatte.

Wohl schon am nächsten Tag machte man sich bei IPRO daran, die nächsten Planungsphasen nach den Vorgaben von Dr. Jüchser auf die Zeichenbretter zu bringen. So lagen Ende 1990 Ergebnisse vor, die natürlich auch ihren Preis hatten. Nun stellte sich aber heraus, dass die Kreisrätinnen und Kreisräte, von deren Zustimmung alles abhing, bisher noch keine Kenntnis von den hochfliegenden Plänen um das Radebeuler Krankenhaus hatten. Landrat Geistlinger hatte den Kreistag Dresden Land bisher nicht darüber informiert. Im Januar 1991 fand dann in der Kaffeestube des inzwischen abgerissenen Sozialgebäudes die denkwürdige Zusammenkunft des Sozialausschusses statt, die man schon in die Kategorie Krisensitzung einordnen konnte. Vertreter von IPRO, Günter Böhm und ich konnten die über die Selbstherrlichkeit ihres Landrates empörten Abgeordneten durch Demonstration der inzwischen weiter ausgereiften Planungen mühsam besänftigen. Die Abgeordneten, für die ja wie für uns alle auch erst vor einem Jahr eine völlig neue Zeit begonnen hatte, waren bald genau so begeistert wie wir über das, was da entstehen sollte. Am Ende gab es grünes Licht und wir fanden von da an stets ein offenes Ohr. Das Krankenhaus war unser gemeinsames Vorhaben geworden.

Dr. Bernd Uhlemann

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