Meine alte Schule, dass ich sie erfolgreich verließ, ist jetzt 55 Jahre her, wächst und wächst und wird, wie mir scheint, dabei immer jünger. Über die fast 150 Jahre der Schule (ob man das feiern wird?) hatte sie verschiedene Namen und Funktionen. Das „Luisenstift“ war bis nach dem 1. Weltkrieg eine kirchennahe, reine Mädchen-schule, gemischte Klassen mit Mädchen und Jungen kamen erst in den 40er Jahren auf. Als ich die Schule besuchte, war es eine Erweiterte Oberschule und erhielt später den Namen des sowjetischen Kosmonauten „Juri Gagarin“. Bald nach der Wende hieß die Schule dann auch wieder „Luisenstift“.
Aber Moment mal, den ersten Satz habe ich mit „meine alte Schule“ begonnen. „Mein“ ist jedoch ein besitzanzeigendes Fürwort, doch gehört mir die Schule? Juristen könnten das schnell widerlegen und Makler würden vielleicht fragen, ob ich ihnen die Schule verkaufen möchte. Doch die meisten Schüler und auch Lehrer werden leichthin von ihrer Schule sprechen. Man möge mir bitte die Sentimentalität verzeihen, wenn ich wider besseren Wissens weiter von meiner Schule in der Straße der Jugend 3 sprechen möchte.
Hier zunächst ein kurzer Abriss zur Baugeschichte insgesamt. Eindeutig das älteste Gebäude ist das „Luisenstift“ von 1870, entworfen und gebaut von der Baufirma Gebr. Ziller in nur zwei Jahren. Um 1900 erfolgte ein zweiteiliger Anbau auf der Westseite. Die freistehende Turnhalle mit schönen Proportionen und Mehrzweck-raum wurde 1926 gebaut. Eine nach der Zillerstraße hin orientierte Plattenbauschule Typ Dresden steht seit 1979. Im südlichen Gelände kam etwa 1995 eine neue, größere Turnhalle hinzu. 2008 konnte der Plattenbau erfolgreich umgebaut und um einen Flügel erweitert werden und noch mehr Schüler aufnehmen. In diesen Komplex wurden eine Aula und ein Aufzug integriert. 2015 erkannte man die Notwendigkeit eines weiteren Neubaus vor allem für die naturwissenschaftlichen Fächer. Dazu schrieb die Stadt Radebeul einen Architektenwettbewerb nach EU-Richtlinie aus, der dann 2016 ausgewertet und entschieden werden konnte: den 1. Preis bekam das Dresdner Büro Pussert Kosch Architekten zugesprochen. Grundsteinlegung für den 5,3 Mio € teuren Neubau war am 14. August 2018 und mit der Fertigstellung kann im Februar 2020 gerechnet werden. Unter heutigen Verhältnissen scheint mir das ein recht zügiger Bauablauf zu sein – man denke nur an den Flughafen Berlin-Brandenburg! Für die Baufreiheit wurde ein kleineres Gebäude abgerissen, das als Gärtnerhaus bekannt war und daran erinnerte, dass das „Luisenstift“ ursprünglich mal Selbstversorger von den umliegenden Feldern, Beeten und Obstbäumen war.
Durch den neuen Baukörper, der dem ältesten Gebäude zugeordnet und mit ihm verbunden ist, werden neue Freiräume und Verbindungswege zwischen allen Häusern entstehen. Ich hoffe aber, dass vom alten Schulpark mit gutem Baumbestand möglichst viel erhalten werden kann.
Was wäre noch über den Neubau zu sagen? Beste technische Bedingungen für die Spezialkabinette hatte ich oben bereits erwähnt. Dazu kommt eine Photovoltaik-anlage auf dem Dach, die den Strombedarf des gesamten Gymnasiums abdecken soll und in ein neues Blockheizwerk einspeist. Die Architektur ist eher logisch, aber spannungsarm, eine regelmäßige, zweigeschossige Lochfassade, darüber ein Flachdach. Eine Schule ist nun mal in erster Linie ein Zweckbau und kann auch ohne „Kunst am Bau“ oder Verspieltheiten auskommen. Durch die im Entwurf bestimmte Lage des Neubaus im gering nach Süden abfallenden Gelände konnte auf der Südseite ein Teil des Kellergeschosses freigestellt und künftig als Cafeteria genutzt werden.
Ich hoffe, dass das dann mit den Höhen klappt! Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, war an eine solche komfortable Einrichtung nicht zu denken.
Meine Frage an Frau Stolzenhain, die Direktorin, ob mit dem Neubau nun ein Schul-campus entstehen würde, verneint sie. Da müssten noch andere Bedingungen erfüllt werden. Zur schon erkennbaren Farbgebung „Mausgrau“ sagten mir ein paar Rade-beuler, dass es ihnen so nicht gefiele. Die Farbe heißt laut Siegerentwurf „Graubraun“ und will wohl die Farbe der Plattenschule (Gelbgrün) keinesfalls über-trumpfen. Man wird sich sicherlich bald an die „Maus“ gewöhnt haben.
Als ehemaligen Schüler und Denkmalpfleger würde ich mich freuen, wenn die Sanierung des alten „Luisenstift“ bald nach der Fertigstellung des Neubaus, wie versprochen, erfolgen könnte. Und auch da wird man sich auf eine Fassadenfarbe nach denkmalpflegerischen Befunden und anderen Gesichtspunkten einigen und das Farbzusammenspiel mit dem Neubau überprüfen müssen. Ich halte diese große Bauaufgabe in der relativ kurzen Bauzeit für gut gelungen und sehe darin insgesamt eine Bereicherung für Radebeul.
Dietrich Lohse