Liebe Leserinnen und Leser,
“Ich glaube, hilf meinem Unglauben” – dieses biblische Leitwort aus dem Markusevangelium (9,24) begleitet in den christlichen Kirchen das vor uns liegende Jahr 2020.
Eigentlich ein Stoßgebet, auch in der Erzählung, der es entnommen ist. Für sich genommen klingt es paradox und beschreibt doch eine Lage, die jeder kennt und jede. Das griechische Wort “pisteuein”, von Luther hier mit “glauben” übersetzt, bedeutet zunächst einmal “vertrauen”. Vertrauen kann man anderen Menschen, sich selbst oder überhaupt dem Leben entgegenbringen – oder auch nicht. Oder der Zukunft, obwohl kein Mensch wissen kann, was sie bringt – ihm persönlich oder uns allen miteinander. Nun liegt ein neues Jahr vor uns wie ein noch unbeschriebenes Blatt. Manche werden mit Vorfreude darauf schauen, andere eher sorgenvoll. Zumeist aber wird jeder Mensch in sich selbst von beiden Empfindungen etwas finden. Für den oft schmerzlich vermissten Zusammenhalt in unserer Gesellschaft scheint mir die “Zweistimmigkeit” hilfreich zu sein, die im Bibelwort für das neue Jahr zu hören ist – in ein und demselben Menschen. Es gibt eben nicht hier die Glaubenden und da die Ungläubigen. Hier die immer nur Starken und da die immer nur Schwachen. Hier die Zuversichtlichen und da die von ihrer Angst Gesteuerten. Jeder trägt in sich selbst auch etwas vom anderen. Ich halte das für eine hilfreiche Perspektive, um sich und andere besser zu verstehen. Das werden wir nicht erleben können, wenn wir vor unseren Endgeräten vereinsamen und über den verlorenen Zusammenhalt klagen.
Vielleicht kann es ein guter Vorsatz für das neue Jahr sein, die vielen Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung besser zu nutzen.
Christof Heinze
Pfarrer der LutherkircheRadebeul