Wiedererscheinung – Hommage an Käthe Kollwitz – Su Junguo, Chen Yunpu und Si Ankun

Laudatio zur aktuellen Ausstellung im Käthe-Kollwitz-Haus Moritzburg

Drei chinesische Holzschnittkünstler aus Mangshi, dem südlichsten Teil der westlichen Provinz Yunnan, im Käthe Kollwitz Haus Moritzburg.

Künstler: Chen yunpu


Es freut mich sehr, ihnen hier und heute ein paar einführende Worte zu den Arbeiten der drei eingeladenen Künstler aus China geben zu dürfen. Alle drei Künstler kannten das Werk von Käthe Kollwitz schon in China und ihre traditionellen Holzschnitte sind auch direkt beeinflusst von der Denkweise der Künstlerin Käthe Kollwitz. Dichtung, Malerei und Musik bilden für das chinesische Kunstempfinden eine untrennbare Einheit. Malen heißt Bilder schreiben, Schreiben heißt Bilder malen und somit liegt es nahe, dass zur Eröffnung Lyrik von Jiang Hao in Originalsprache, übersetzt und auch in Klängen durch fünf Flöten improvisiert wird.

Doch zunächst ein paar Worte zu den eingeladenen Künstlern. Su Junguo hat in der Kunstuniversität Yunnan studiert und ist derzeit Direktor der Abteilung für Kunst der Dehong Universität der Provinz Yunnan, Professor und Mitglied der Yunnan Künstlervereinigung sowie deren Generalsekretär. Su Junguo präsentiert seine in China bekannte Serie von Druckgrafiken zur dramatischen Gestalt der Vogelscheuche. Im Wind wiegend, wechselt sie Stimmungen von wahr und falsch. In ihrer Darstellung spiegelt sich das Gute und das Böse der Welt. Warum das Thema Vogelscheuche? – Das Sprichwort: die Furcht vor der Gefahr ist schrecklicher als die Gefahr selbst kommt einem in den Sinn, im Besonderen, weil die Vogelscheuche als Symbol des Erschreckens gilt und bei näherem Betrachten doch nur eine leblose Puppe ist. Neben dem Thema Vogelscheuche, beschäftigt sich Su Junguo auch intensiv mit der Darstellung der Landschaft. Widmen wir uns einem Landschaftsbild, dass eine Geschichte vom Krieg, in der sonst ruhigen Berglandschaft erzählt. Auf dem Bild sieht man die beschwerliche Tour mit mehreren Transportern in einer steilen Berglandschaft. Die Straße ist offensichtlich nicht gut ausgebaut und einige Männer arbeiten noch daran. Die Kolonne stöhnt beschwerlich den Berg hinauf, einer der LKW’s liegt bereits im Straßengraben. Eine weitere Bedrohung kommt hinzu, drei Flugzeuge am Himmel sind unterwegs und es fallen Bomben oder große Steinbrocken. Su Junguo wurde in eine Militärfamilie hineingeboren und sein Interesse liegt auch in der Heimatgeschichte. Dieses Bild geht auf eine historische Begebenheit zurück, die Bergstraße zwischen Yunnan und Burma, die im Krieg bombardiert wurde.

v.l. Angelika Heyder Tippelt, Nina Reichmann, Irene Wieland, Fang Han, Sabine Hänisch, Si Ankun, Katharina Sommer, Chen Yunpu, Su Junguo, Yini Tao und Lea Wieland


Alle Druckgrafiken von Su Junguo sind in der Technik vom ölbedruckten Holzschnitt auf Papier festgehalten. Manuell wird jede Linie erst danach geschnitten. Durch die Reduktion, auf im Wesentlichen nur zwei dominierender Farbtöne, kann der Betrachter sich gut auf die lebendigen, erzählerischen Details im Bild einlassen.

Si Ankun zählt zu den jungen Dehong Druckgrafikern. Si Ankun wurde 1992 in Dehong Yingjiang geboren und ist somit der jüngste Künstler in der Ausstellung. 2008 studierte er an der Kunstabteilung der Dehong Normalschule (eine Hochschule die Lehrer für den Kunstunterricht ausbildet). Si Ankum bekam die Auszeichnung des fünfjährigen Kunstmajor der Dehang Normalschule, legte bald den Schwerpunkt auf Druckgrafik und nach einem Jahr direkt nach seinem Abschluss, arbeitet er nun als Lehrer an der Kunstschule mit dem Schwerpunkt Holzschnitt. Er arbeitet im Schwarz-Weiß-Holzschnitt. Seine Gra?ken haben durch die Reduktion eine sehr starke Ausdruckskraft und eine besondere Klarheit.

Für die Ausstellung in Moritzburg hat Si Ankun sich den Themenschwerpunkt visionäre Stillleben mit Landschaft ausgewählt. Nimm an, was nützlich ist, lass weg, was unnütz ist und füge das hinzu, was dein Eigenes ist. Seine Auswahl von Grafiken sind oft als Fries in drei Bildsegmente unterteilt. Es leuchtet eine weiße Berglandschaft vor dem dunklem Hintergrund hell auf. Im Bildvordergrund wächst ein imaginäres Lotusfeld, zwischen den Fruchtständen schweben Papierflieger. Der Papierflieger ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Si Ankuns Arbeiten. Mal wirbeln sie im Wind, dann sind sie sogar in der Serie „kaputte Kartons“ anzutreffen, an Fäden hängen noch einige Flieger von oben herab und andere schweben leicht zu Boden. Die Landschaftsserie lässt Leben ahnen, im Inneren befindet sich ein Vergnügungspark kleiner Leute. Ein kaputter Karton mit neuem Innenleben, aus allen Ritzen krabbeln kleine Menschlein, die aufgeregt ihre neue Behausung untersuchen. Seine menschlichen Figuren sind abstrahiert, verlieren aber nicht den Bezug zur Realität, sodass auch menschlichen Köpfe zu erkennen sind. Der immer wieder neu gefragte Prozess des Suchens, Findens, Erkennens und schließlich Gestaltens macht Si Ankun offensichtlich große Freude. Erstaunlich ist die Linienführung. Und ich wundere mich, welche Werkzeuge hier wohl im Spiel waren. So fabuliert er mit einer außerordentlichen Formenvielfalt und erfreut uns mit abwechslungsreichen Details. Im ständigen Wechselspiel, mit wiederkehrendem Klängen von Kreisen und Dreiecken, so komponiert Si Ankun seine ausdrucksstarken Schwarz-Weiß Holzschnitte.

Künstler: Su junguo


Ich lese Ihnen zuletzt noch aus einer direkten chinesischen Übersetzung ein paar sehr schöne Charakterzüge über Si Ankuns Persönlichkeit vor: „Ankun ist ein junger Mann aus der Dai-Nationalität, er ist weiß und stark, schreit nicht und spricht gelegentlich ein paar Worte, aber es ist ein sanftes Flüstern, das für die Dai-Leute einzigartig ist.“
In China wird immer etwas sehr persönliches über den Charakter der einzelnen Person formuliert, was in Europa vielleicht als etwas befremdlich wirken könnte, steht in China selbstverständlich vor dem Lebenslauf. Übrigens wurde über alle drei hier anwesenden Künstler eine sehr feine und zurückhaltende Art beschrieben.

Der Künstler Chen Yunpu wurde in Mang geboren. Er studierte in Dehong an der Kunstuniversität. Derzeit ist er stellvertretender Vorsitzender und Generalsekretär der Künstlervereinigung in Mang. Seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Holzschnitt. Chen Yunpus Holzschnitte umkreisen das Thema Mensch in kräftigen und strahlenden Farbtönen gehalten und in lockeren Linien, freihändig geschnitzt. In seinen Gesichtern kann man den Seelenzustand der Menschen lesen, — nimm dir Zeit zu lachen – das ist die Musik der Seele – die Rettung der Menschen liegt in der Liebe und kommt durch die Liebe. Wir stehen vor seinem Portrait. Das in die Leere blickende Gesicht, der vom Leben Gezeichneten, lässt die guten und schweren Momente des Lebens ablesen. Die Menschen bewahren offensichtlich ihre innere Stärke, haben den Blick nach vorne gerichtet und stellen sich ihrem Schicksal. Man spürt förmlich eine Verwandtschaft durch die Kraft und der Dynamik in seinen Portraits die auch in Käthe Kollwitz Bildern zu spüren ist. Das Werk von Käthe Kollwitz kann wie ein Gedicht gelesen werden, in ihren Portraits widerspiegelt sich das Elend und die Trauer. Sie hatte den Existenzkampf und den Zusammenschluss und schließlich das sich Erheben des Volkes thematisiert und in ihren Holzschnitten bearbeitete sie den Krieg mit Kummer, Trauer, Hunger Obdachlosigkeit und Tod. Chen Yunpu beschäftigt sich auch intensiv mit der künstlerischen Umsetzung von Männern, Frauen und Kindern in ihren traditionellen, farbenfrohen Gewändern. Die genaue Beobachtung seines unmittelbaren Umfeldes, werden sorgfältig und mit gezieltem Umgang mit dem Messer aus dem Holzbrett geschnitzt. Auch die realistische Bildfindung hat deutliche Parallelen zu Käthe Kollwitz‘ Bildwelten.

Bevor wir den besonderen Stellenwert von Käthe Kollwitz in China erfahren, gibt es noch eine musikalische Performance zur Lyrik von Jiang Hao zu hören. Es lesen: Yini Tao „kleine Dinge“ auf Chinesisch, Lea Wieland liest die Übersetzung und an den Flöten Katharina Sommer, Angelika Heyder Tippelt, Manuela Hielscher und Nina Reichmann, ja und Irene Wieland die fünfte Flöte.

Irene Wieland

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