Die Bahnhofstraße geht alle an!

Wird die Kreuzung Kötitzer-/Emil-Schüller-Straße künftig zu einem Verkehrsknotenpunkt?

Betrachtung zum Verkehrskonzept Radebeul-West

Das von der Stadtverwaltung vorgestellte Verkehrskonzept – reichlich drei Jahre nach dem Start des Sanierungsprojektes Radebeul-West – erregt die Gemüter und das zu Recht. Man möchte es schon als typisch für die Stadtverwaltung bezeichnen, wenn die nun dazu eingeforderte Bürgerbeteiligung mal wieder in die Sommermonate verlegt wurde. Da könnte man schon vermuten, dass die Bürger möglichst fern gehalten werden sollen. Auch wundert man sich – zumindest laut eines Beitrages aus der Wochenendausgabe der SZ vom 8./9. August –, dass über das Verkehrskonzept der Bahnhofstraße nur 900 Haushalte aus dem Sanierungsgebiet abstimmen sollen. Den Rest hat das offensichtlich nichts anzugehen. Wer nach Altkötzschenbroda will, kann ja mit der Straßenbahn kommen und von der Meißner aus zu Fuß durch den künftigen „Boulevard“ (Variante 1) schlendern. Die Bahnhofstraße aber geht alle an! Allerdings muss der Richtigkeit halber angemerkt werden, dass es die Abstimmungskarten auch am ehemaligen Bürgertreff in Radebeul-West gegeben hat. Sie haben richtig gelesen „am“, denn „im“ ging nicht: Der modifizierte Bürgertreff soll bekanntlich erst ab 1. September wieder öffnen.

Seitens der Stadtverwaltung wurden jedenfalls weder Mühen noch Mittel gescheut, ein international renommiertes Beratungsunternehmen zu beauftragen, Varianten für eine optimale Verkehrsführung im Sanierungsgebiet Radebeul-West auszuarbeiten. Die Voruntersuchungen der VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH förderte „überraschende Erkenntnisse“ zu Tage, wie die WESTPOST-Ausgabe vom Juni dieses Jahres zu berichten weiß. So z.B., dass der „Durchgangsverkehr […] kaum verlagert werden“ kann. Aha…?! Die dann vom Unternehmen vorgeschlagenen drei Varianten, über die nun einige Bürger bis zum 28. August abstimmen konnten, fielen dementsprechend aus. So sollen in der Variante 1 auf dem mittleren Teil der Bahnhofstraße die Parkplätze wegfallen und dafür die Fahrzeuge auf der Festwiese und in der Güterhofstraße abgestellt werden können, was sicherlich als Zumutung empfunden wird, auch wenn die Entfernungen maximal 230 Meter betragen. Die Folge wird sein, dass der jetzt schon um seine Existenz bangende Einzelhandel noch stärker belastet wird, wenn die vorwiegend ältere Kundschaft ihre alltäglichen Versorgungen dann anderswo erledigen.

Einige Bewohner haben bereits energisch ihr Unverständnis bekundet (SZ, 25./26.7.2020). Die erst nach den 1990er Jahren für den beruhigten Verkehr umgebaute Hermann-Ilgen-Straße soll nach diesem Konzept erneut verändert werden. Nach den Vorstellungen der Entwickler wird in zwei der drei vorgestellten Varianten diese Straße dann den größten Teil des Verkehrs aus der Kötzschenbrodaer Straße und einen Teil von der Ostausleitung Altkötzschenbroda (Gradsteg) aufnehmen. Der Leser reibt sich vermutlich verstört die Augen und fragt sich: „Wie soll das gehen?“ Kein Problem werden die Planer einwerfen: Die Parktaschen werden „zurückgebaut“ und Fußwege gibt es nur noch auf einer Seite. – Das war nicht ganz ernst gemeint. Der Autor bittet um Entschuldigung. Aber da kommt schon die Frage auf, warum nun gerade die schmalere Straße den Hauptstrom des Verkehrs aufnehmen soll, während die deutlich breiter ausgebaute Wilhelm-Eichler-Straße im ersten Abschnitt nun als Einbahnstraße in Richtung Bahnhofstraße fungieren soll? Ihre Bedeutung sinkt insofern weiter, wenn, wie in der Variante 1 dargestellt, dieser Verkehr nur noch über Altkötzschenbroda geführt werden kann. Ob dann dort der Erholungspegel steigt scheint höchst fraglich, wo doch schon aktuell das hohe Verkehrsaufkommen in Altkötzschenbroda verbunden mit der Missachtung der Geschwindigkeitsbegrenzungen für beständigen Ärger sorgt.
Die Umkehrung der Richtungen der beiden Einbahnstraßen Hermann-Ilgen- und Wilhelm-Eichler-Straße aber haben mit der eigentlichen Problematik einer optimalen Verkehrsplanung im Sanierungsgebiet nicht das Geringste zu tun. Beide Straßenzüge sind nur bis zur Höhe des ersten Grundstückes der Wilhelm-Eichler-Straße ins Sanierungsgebiet einbezogen. Es geht hier also nicht um das Sanierungsgebiet als vielmehr um den Schulstandort in dieser Straße. Das ungelöste Verkehrsproblem in Verbindung mit dem Schulneubau im ersten Abschnitt der Hermann-Ilgen-Straße – Standort der Oberschule Kötzschenbroda – spielt offensichtlich in der Verkehrsplanung für das Sanierungsgebiet keine Rolle. Sollen hier die Bürger für dumm verkauft werden? Und wie war das gleich noch mal, sollte es ursprünglich nicht um die Belebung und Aufwertung des innerstädtischen Zentrums gehen?

Offensichtlich hatte auch das Beratungsunternehmen erkannt, dass es wohl gescheiter wäre, wenn alles beim Alten bliebe und deshalb den Urzustand als „Variante 0“ ausgewiesen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man laut lachen. Doch nicht nur den betroffenen Bewohnern der Hermann-Ilgen-Straße aber wird es wohl anders zumute sein. Die Lebensqualität und der Wert der Grundstücke in den Straßen mit erhöhtem Verkehrsaufkommen werden bei der Umsetzung der Varianten 1 oder 2 erheblich verlieren.

Karl Uwe Baum

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Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht am Fr, 4. Sep. 2020 um 17:24 | Permanenter Link

    Es ist wie bei allen Verkehrsprojekten in Radebeul:
    Die Bürger dürfen zwar darüber reden, jedoch nicht mitreden! Fahrradwege werden zurückgebaut, Straßen und Brücken für den Autoverkehr breiter gebaut als gesetzlich notwendig, Fahrräder bekommen nur noch einen schmalen Streifen mit einer Stichellinie vom Autoverkehr getrennt: Sanierung Meißner Straße, Planung „An der Schiffsmühle“…Alles Projekte , die unser Straßenbauamtsleiter Herr Lange „unterscheibt“

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