Die Antwort ist ein klares „Jein“! Nein, weil keiner der großen Bauhausmeister wie Walter Gropius oder ein Schüler der Bauhausschulen in Weimar, Dessau oder Berlin in Radebeul gewirkt und seine Spuren hinterlassen hat. Nein auch, weil die Stadt Radebeul, bzw. ihre Ursprungsgemeinden Ober- und Niederlößnitz als eher konservativ galten. Diese Gemeinden waren auch etwas überaltert, weil sich hier gern Leute, die ihr Geld in Dresden oder anderen Städten verdient hatten, Land kauften und gefällige Häuser als Altersruhesitz bauen ließen. Ja, weil natürlich die Ideen des Bauhauses auch in Radebeul bekannt waren und z.B. Max Czopka auch in der Richtung experimentiert hat.
Schade, ich bin mit diesem Thema etwas spät dran – das Bauhaus hatte 2019 seinen hundertsten Geburtstag. Zufällig, nein, ein bisschen geplant war es schon, weilte ich im Herbst 2019 in Weimar, wo sich viele Ereignisse auf das Thema bezogen hatten, u.a. die Eröffnung eines neuen Bauhausmuseums am Schwanenteich.
Woran erkennen wir eigentlich den Bauhausstil? Auf jeden Fall sollte er anders als bisherige Baustile oder Stilrichtungen sein. Die Gründerzeit mit baulichen Zitaten von Gotik, Renaissance und Barock war schon überwunden, der Jugendstil mit bewegten Formen nach Tier- und Pflanzenmotiven sollte endgültig abgelöst werden. Einige Ideen des Deutschen Werkbundes wurden im Bauhaus aufgenommen, man wollte aber
konsequenter, strenger im Erscheinungsbild sein und sparsamer, also moderner bauen. Das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus betrachtete Handwerk, Kunst und Bauen als eine Einheit, neue Techniken und Materialien wurden gesucht und man wollte nach dem Krieg preiswert für Arbeiter und die Mittelschicht bauen, worin eine soziale Komponente des Bauhauses erkennbar wird. Die Architektur zeigte deutlich eine horizontale Betonung der Geschosse, z.B. mit horizontalen Fensterbändern und neuen Flachdachkonstruktionen. Gleichzeitig gehörte eine helle Farbigkeit der Fassaden in Weiß, gebrochenem Weiß, Beige und Ocker mit wenigen farblichen Akzenten z.B. gelegentlich Stahlblau für Fenster oder Weinrot für Türen dazu. Selbstverständlich hatten die Bauhausmeister auch Vorschläge für die Ausstattung der Häuser; hier ein paar Beispiele: lederbezogene Stahlrohrsessel von Marcel Breuer, moderne Lampen von Marianne Brandt, Keramikgeschirr von Otto Lindig oder Grafik und Gemälde von Lyonel Feininger. Man kann sagen das Bauhaus endete in Deutschland 1933, denn die Nazis erkannten und bekämpften im Bauhaus eine linke Bewegung. Interessanterweise nahmen einige der zur Auswanderung gezwungenen Bauhausmeister wie Gropius und Mies van der Rohe die Bauhausideen mit in die USA oder auch in das spätere Israel, so dass wir auch dort noch Bauhausarchitektur finden können.
Eigentlich war die Radebeuler Kommune (s.o.) von vornherein gegen solche modernen Bauideen eingestellt. Aber in zwei Fällen können wir bei Neubauten mehr oder weniger Bauhausgestaltungen erkennen. Wenn wir das Schaffen der etwa zeitgleich in der Lößnitz tätigen Architekten Albert Patitz, Dr. Alfred Tischer und Max Czopka vergleichen, so erkennen wir zumindest bei letzterem Ansätze von Bauhausarchitektur, wenn auch nur vereinzelt. Es ist nicht allein der Architekt, der etwas Neues zeigen will, es gehört ein aufgeschlossener Bauherr dazu und auch die jeweilige Genehmigungsbehörde kann sich so oder anders entscheiden. 1925 war man im benachbarten Dresden-Trachau jedenfalls mutiger als in
Radebeul, als man eine ganze Siedlung mit Flachdächern nach Plänen von Architekt Hans Richter bauen ließ.
Nun zum ersten Standort einer bauhausähnlichen Villa in der Eduard-Bilz-Straße 60 in Oberlößnitz. Der 1931 noch junge Zahnarzt Dr. dent. Erich Schönherr, ein offenbar aufgeschlossener, zielstrebiger, nicht unvermögender Mensch, erwarb eine größere, vom Haus-Sorgenfrei-Grundstück abgetrennte Fläche als Bauland und bestellte bei Architekt Czopka den Entwurf eines Wohnhauses mit mehreren Etagen, Balkonen und Terrassen und einem Flachdach. Das zur Genehmigung bei der zuständigen Amtshauptmannschaft Dresden eingereichte Projekt wurde abgelehnt, weil der beteiligte Sächsische Heimatschutz eine zu große Verschiedenheit des Neubaus gegenüber dem Haus Sorgenfrei – Bauhaus neben Zopfstil – festgestellt hatte. Ein vom Zahnarzt bei der höheren Behörde, der Kreishauptmannschaft, eingelegter Widerspruch hob die Ablehnung auf und die Amtshauptmannschaft musste dem modernen Entwurf von Czopka nun zustimmen, so dass der Bau 1932 endlich begonnen werden konnte.
Sanitätsrat Dr. Schönherr hatte sich in der DDR als Zahnarzt auf Kieferorthopädie und die entsprechende Behandlung bei Kindern spezialisiert und wurde weit über Radebeul hinaus bekannt. Er verfasste fachliche Artikel und Bücher, die z.T. international veröffentlicht wurden. In seinem Fachgebiet hat er bis ins hohe Alter (über 90!) gearbeitet. Nach seinem Tod besaß eine Immobilienfirma das als Kulturdenkmal eingestufte Haus und hatte in kürzester Zeit den Putz abgeschlagen, Fenster und Türen herausgebrochen und Details entfernt. In dem Zustand erwarb eine Privatperson das Anwesen, die nun entsprechende Vereinbarungen mit der Denkmalpflege traf und beim Aufbau den Bauhauscharakter des Hauses wieder erreichte. Die Farbe – ein sehr helles Blaugrau – war der Wunsch des Bauherrn und kommt der Bauhausfarbpalette zumindest nahe. Das schon immer begrünte Grundstück wurde nach der Sanierung noch dichter bepflanzt, so dass man leider die charakteristischen Formen von der Straße aus kaum noch sehen kann. Heute bewohnt wieder eine Arztfamilie die Villa.
Die zweite Adresse eines privaten Wohnhauses, das dem Bauhausstil recht nahe kommt, ist der Pfeifferweg 46 im Radebeuler Ortsteil Wahnsdorf. Hier haben wir kein Kulturdenkmal vor uns. Vom Jagdweg aus über den Lößnitzgrund geschaut, erkennt man das Haus oberhalb des großen Steinbruchs – eine unverbaubare Lage mit guter Aussicht! Laut Plan von Architekt Conrad Baum sollte es 1936 ein Steildach erhalten. Ausgeführt wurde aber nach zeichnerischer Tektur ein sehr flach geneigtes Dach, im Prinzip ein Flachdach, somit wurde hier spät noch mal mit Bauhausmerkmalen gearbeitet. Größere Fenster auf der Westseite betonen die Horizontale. Die heutige Fassadenfarbe, ein helles Ocker, entspricht auch dem Farbspektrum des Bauhauses. In der Zeit nach 1933 kann es sich nur um Nachwirkungen des Bauhauses handeln, die die Behörde übersehen oder gerade noch hat durchgehen lassen. Wenn man beide Häuser hinsichtlich Bauhaus vergleicht, so ist schon die Eduard-Bilz-Straße 60 näher dran als der Pfeiferweg 46.
Man merke, Bauhaus hatte eine politische Komponente!
Dietrich Lohse