Gemeinschaft trotz Abstand-Probe

42. Radebeuler Grafikmarkt in Zeiten von Corona

Wenn dieser Beitrag erscheint, befinden wir uns bereits zum zweiten Mal im Zustand der verstärkten kulturellen und sozialen Abstinenz. Museen, Kinos, Theater, Gaststätten, Konzert-, Vereins- und Kulturhäuser wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt oder bis auf Weiteres verschoben.

Dass der 42. Radebeuler Grafikmarkt vom 31.10. bis 1.11.2020, dem letzten Wochenende vor dem „Teil-Lockdown“, in der Elbsporthalle Radebeul-West stattfinden konnte, war mehr oder weniger Glück. Doch vom Grafikmarkt, wie wir ihn bisher kannten, unterschied sich dieser erheblich. Waren die Veranstalter in Vor-Corona-Zeiten immer sehr stolz auf die hohen Besucherzahlen, so versuchte man nun alles, um diese möglichst niedrig zu halten. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde auf das Notwendigste beschränkt. Die Erarbeitung von Hygienekonzepten hingegen kostete sehr viel Zeit. Bis zuletzt war man sich nicht sicher, ob diese Großveranstaltung würde stattfinden können.

Allerdings sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es immer wieder in der langen Geschichte des Radebeuler Grafikmarktes Situationen gab, wo dessen lückenlose Folge ernsthaft in Frage gestellt wurde. Das war z.B. 1990 durch die Auflösung der bisherigen Organisationsstrukturen (VUR 1990/12 „Grafikmarkt – nur noch eine Legende?“) und 2015 durch die brandschutzertüchtigende Umgestaltung der traditionellen Veranstaltungsräume (VUR 2015/10 „Der 37. Radebeuler Grafikmarkt zieht um von Ost nach West“) der Fall.

Das diesjährige Grafikmarktgeschehen konnte die Redaktion von „Vorschau und Rückblick“ aus unmittelbarer Nähe erleben. An beiden Tagen waren wir mit einem eigenen Stand vor Ort. Die Atmosphäre schien verständlicherweise ein wenig gedämpft. Einerseits freute man sich, dass der Grafikmarkt in Radebeul noch möglich war, andererseits lag über allem etwas Wehmut, wusste doch niemand, wie es danach weitergehen würde. Bei einem Großteil der freischaffenden Künstler ist die finanzielle Decke mehr als dünn. Das zweite Standbein, in Form von oftmals geringfügig vergüteten Tätigkeiten, brach für Viele ebenfalls weg.

Hatten sich in anderen Jahren bereits vor der Eröffnung des Grafikmarktes immer lange Schlangen gebildet, wartete diesmal nur eine Handvoll Interessierter unter Regenschirmen. Doch von Stunde zu Stunde trafen immer mehr Menschen ein. Trotzdem wirkte das Publikum in der 900 qm großen Elbsporthalle etwas verloren. Die Anzahl der Stände war deutlich reduziert. Auch sagten einige der angemeldeten Künstler kurzfristig ab.

Kamen in den Vorjahren an einem Tag in 8 Stunden ca. 4.000 Besucher, so wurden nun an zwei Tagen in 14 Stunden 887 Besucher gezählt. Es war nahezu paradox: Obwohl sich weniger Künstler präsentierten, wurden wesentlich mehr Helfer benötigt. Zusätzlich galt es die Besucher am Ein- und am Ausgang gewissenhaft zu zählen, denn es durften sich nicht mehr als 120 Besucher gleichzeitig in der Halle aufhalten. Außerdem war akribisch auf die Einhaltung aller Hygienevorschriften zu achten.

Die organisatorischen Fäden liefen beim zweiköpfigen Team der Stadtgalerie, Alexander Lange und Magdalena Piper, zusammen – erstmals auch unter Ober-Regie der neuen Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Lorenz. Spontan hatten sich viele ehrenamtliche Helfer gemeldet. Kollegen aus der Stadtverwaltung zeigten sich ämterübergreifend solidarisch. Kunstfreunde und Künstler halfen darüber hinaus beim Auf- und Abbau mit. Einige technische Neuerungen trugen zur Arbeitserleichterung bei. Dass es diesmal während des Grafikmarktes kein Gedränge gab, wurde als sehr angenehm empfunden. Die meisten Besucher kamen zielgerichtet, waren kauffreudig und sehr interessiert.

Fotos 1-5 Karin (Gerhardt) Baum

Zweifellos sind Grafikmärkte ganz besondere Märkte, bei denen – wie es der Name „Grafikmarkt“ besagt – das breite Spektrum der künstlerischen Druckgrafik im Mittelpunkt steht. Eine besondere Würdigung erfuhr dieses Genre im Jahr 2018 durch dessen Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.

Insgesamt hatten sich an zwei Tagen ca. 80 Künstler (je 40 Künstler im alphabetisch geordneten Wechsel) aus Radebeul, Dresden sowie der näheren und ferneren Umgebung mit ihren Werken präsentiert. Zum Verkauf wurden neben Grafiken auch Aquarelle, Collagen, Scherenschnitte, Fotografien, Künstlerbücher, Kalender, Karten u.v.m. angeboten. Unter den Teilnehmern befand sich in diesem Jahr der Fotograf Michael Lange aus Quoren, dessen Fotokalender von hiesigen Sammlern, als auch in Japan sehr geschätzt werden. Vertreten waren ebenso die Radebeuler Maler und Grafiker Markus Retzlaff und André Uhlig, bei denen man übrigens auch Kurse buchen kann, um verschiedene grafische Techniken einmal selbst auszuprobieren. Heiterkeit und Zuversicht strahlen die Cartoons des Radebeuler Karikaturisten Lutz Richter aus. Auch die einstige Mitbegründerin des Radebeuler Grafikmarktes, die 94-jährige Malerin und Grafikerin Lieselotte Poser, ließ es sich nicht nehmen, ihren Stand persönlich zu betreuen. Zusätzlich wurden Arbeiten aus den Nachlässen bereits verstorbener Künstler angeboten. Das diesjährige Grafikmarktplakat hatte der Freiberger Maler und Grafiker Holger Koch entworfen. Zu sehen sind darauf viele putzmuntere Vögel, die die fröhliche Botschaft verbreiten: Der Grafikmarkt lebt!

Wie gesagt, der Radebeuler Grafikmarkt ist für die Region ein wichtiger kultureller Höhepunkt, wo Kontakte geknüpft werden können, wo man sich zum Schauen, Plaudern, Fachsimpeln, Kaufen und Verweilen trifft.

Allen, die zum Gelingen des diesjährigen Grafikmarktes beigetragen haben, sei an dieser Stelle gedankt. Was allerdings die digitale Präsens des Radebeuler Grafikmarktes anbelangt, sollte man sich u. a. an der vorbildlichen Homepage des Dresdner Grafikmarktes orientieren. Was einem kleinen Dresdner Verein gelingt, müsste doch erst recht für eine Große Kreisstadt möglich sein.

Bleibt zu hoffen, dass der 43. Radebeuler Grafikmarkt im nächsten Jahr wieder mit Schaudrucken, Mal-Ecke, Künstlercafé und all seinen spezifischen Besonderheiten vollumfänglich stattfinden kann.

Karin (Gerhardt) Baum

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