Auszüge aus den biographischen Notizen zu Bernhard Theilmann von Detlef Krell

Unser Monatsheft trägt den Untertitel: „für Radebeul und Umgebung“ und so haben wir uns für unsere Lyrikseiten 2021, den leider 2017 verstorbenen Dresdner Lyriker Bernhard Theilmann ausgesucht.

Erinnerungen an Bernhard Theilmann. Den Freund. Den Dichter. Den Familienvater. An das Räuspern des Geschichtenerzählers, an seinen Humor. An den Feingeist. Alexis Sorbas an der Elbe. Billardspieler, Skatfreund, Blueskenner, Chansonliebhaber, Tazabonnent, Bergsteiger, Koch, Hundefreund, Bocciabahnbauer, Maultrommelspieler. An den Raucher, Trinker, den Einzelgeher.
Den Leser, den Wortwerker, den Handwerker. Den Erkrankten. Den Dichter. Den Freund.
Am 28. März 1949 wird Bernhard Theilmann im Kurort Rathen in der Sächsischen Schweiz geboren.
Nach dem Abschluss der 10. Klasse erlernt Theilmann in der Victoria Heidenau den Beruf des Druckmaschinenbauers.
Nach dem Arbeitstag erwirbt er ab 1967 auf der Abendschule in Pirna das Abitur. Sein besonderes Interesse gilt der Literatur, er schreibt Gedichte.
Theilmanns Wehrpflicht endet mit der Ausmusterung wegen eines Herzfehlers.
Theilmann beginnt ein Studium der Kulturtheorie und Ästhetik an der Karl-Marx.Universität Leipzig und beendet es im Dezember offiziell mit der Begründung, er müsse sich um seine Familie kümmern. Mit dem Ausstieg aus dem Studium kommt er seiner Exmatrikulation zuvor.
Am 11. Mai 1972 heiraten Hanna-Rose [Faust] und Bernhard in Leipzig. Er nimmt [ Hanna-Roses
drei Kinder] als Söhne an. Das gemeinsame Kind […]wird 1972 geboren. Bernhard arbeitet als Werkzeugmacher in einer Fabrik für Blechspielzeug. Die Familie wohnt auf 35 Quadratmetern.
Als die Bildhauerin Kathrin Steisinger nach Berlin umzieht, übergibt sie ihre geräumige Wohnung in Dresden an Bernhard Theilmann.
Theilmann arbeitet als Maschinenschlosser, Hanna-Rose führt eine Betriebskantine.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist Bernhard Theilmann als Lokalreporter unterwegs für das Sächsische Tageblatt. Nach dem unmissverständlichen Angebot eines inoffiziellen Mitarbeiters der Staatssicherheit, die weitere journalistische Karriere durch IM-Tätigkeit zu befördern, betritt er die Redaktion nie wieder.
Gemeinsam mit Michael Wüstefeld wird Bernhard Theilmann aus der Dresdner Arbeitsgemeinschaft
Junger Autoren ausgeschlossen. Beide haben offen ihre Sympathie für Wolf Biermann und ihren Protest gegen dessen Ausbürgerung erklärt.
Beim Rat der Stadt Dresden beantragt Theilmann am 14, Juli 1977 die Druckgenehmigung für fünf Gedichte, die mit fünf Grafiken von [Eberhard] Göschel [dem langjährigen Freund] veröffentlicht werden sollen. Schließlich wird die Druckgenehmigung doch […] erteilt.
Während der Arbeit an der Auflage wissen Göschel, Theilmann und [Jochen]Lorenz [Drucker], daß sie nun einfach weitermachen werden. Gemeinsam mit Peter Herrmann und Ralf Winkler gründen sie die
Obergrabenpresse. Sie ist Druckwerkstatt, Galerie und Verlag. Etwas, das es unter den Verhältnissen der DDR gar nicht geben soll. Die Obergrabenpresse unternimmt mit der Herausgabe von Grafik-Lyrik-Editionen mit höchstem künstlerischen Anspruch nichts direkt Verbotenes, sondern etwas in den Hirnen der damaligen Macht Undenkbares. Theilmann: „Regen von unten.“ Das Credo der Gruppe ist nicht , eine Opposition zu formieren, sondern für sich selbst und ausgewählte Künstler Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, ohne Reglementierung.
Bernhard Theilmann ist nicht [immer] als Lyriker beteiligt.
Er ist der ohne große Worte und ohne Salär anerkannte Geschäftsführer der Obergrabenpresse, bis zu deren Beendigung im Jahr 2003.
Vor den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 engagiert sich Bernhard Theilmann im Bündnis Vereinigte Linke für eine souveräne DDR, die Umwandlung des Staatseigentums in gesellschaftliches Eigentum, Basisdemokratie und Abrüstung.
Im März 1990 erscheint das erste Heft des Stadtmagazins SAX. […] schon im Februar lud er [Bernhard Theilmann] zum Arbeitstreffen in seine Wohnung ein; die Stadt habe eine von der Vergangenheit unbelastete engagierte Zeitschrift nötig. Theilmann wurde als einer der beiden verantwortlichen Redakteure eingestellt.
Bernhard Theilmann vertritt konsequent einen engagierten Journalismus, der sich einmischt in die Belange der Stadt und dabei Haltung bewahrt. Bis 1993 wird er als Redakteur streitbar und geradlinig die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in seiner Heimatstadt hinterfragen und das Profil jeder Ausgabe des Monatsheftes schärfen, auch mit Ausstellungsbesprechungen, Buchrezensionen, Restaurantkritiken, mit Interviews, Porträts und immer wieder gern, bissigen Glossen. Theilmann wird namhafte Autoren für die Mitarbeit gewinnen, jungen Leute entdecken und ermutigen, Anzeigenkunden begeistern, Redaktionsbesprechungen bis in die Nachtstunden führen, wenn es das nächste Heft nötig hat.
Am 4. Oktober 1990 liest der Dresdner Lyriker im Deutschlandsender Kultur seine Gedichte zu Musik des Jazzgitarristen Joe Sachse. Unter den ausgewählten Gedichten: „Ich bin Miguel begegnet“ für Miguel Hernandez Gilabert, der am 28.März 1942, vom Franco-Regime zu dreißig Jahren Haft verurteilt, und im Gefängnis verstorben ist.
Von 1993 an schreibt Theilmann auch für die wöchentliche Szene-Seite der Sächsischen Zeitung.
Theilmann und der Drucker Jochen Lorenz reisen im Sommer 1995 auf Einladung der Künstlerkolonie ArtsAcre nach Calkutta zur Eröffnung der Ausstellung „Shuttle“. Sie ist ein Projekt der Obergraben-presse und der indischen Künstler.
Wieder in Dresden, wird Bernhard Theilmann plötzlich von schweren Krankheitssymptomen befallen. Eine konkrete Ursache wird nicht diagnostiziert.
1996 lädt ein Dresdner Reisebüro Journalisten ein, nach Peru zu fliegen und über die Reise zu berichten. Theilmann schreibt und fotografiert eine Reportage über die Salzterrassen von Maras bei Cuzco und die Menschen, die dort wie zu Zeiten der Inkas das Salz gewinnen.
Bald darauf brechen erneut Symptome seiner Erkrankung hervor. Die Ärzte stellen Borreliose fest.
Im Sommer 2001 erhält der Lyriker ein zweimonatiger Stipendium im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf. Er präsentiert dort die im Vorjahr bei der burgart-presse Rudolstadt verlegte Mappe „Piratensegel“ mit neun Gedichten von ihm und zehn Aquatintaradierungen von Göschel. Die Blätter hängen an einer Wäscheleine, der Dichter ist ganz in Weiß gekleidet. Er spielt auf der Maultrommel und liest seine Texte.
Aus einem Brief vom 23. August 2004:

zerbrochen ist meine maultrommel
die stählerne
geschmiedet
in der form des herzens
die mit mir sang
weil sie mich im atmen verstand

Am 13. August 2017 fällt Bernhard Theilmann ins Koma. Er stirbt im Kreis seiner Familie am 22.August. Seine letzte Ruhestätte findet er im Familiengrab auf dem Johannisfriedhof.

Detlef Krell

Gekürzte Fassung mit freundlicher Genehmigung
von Hanna-Rose Theilmann

 

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