Corona-Tagebuch eines Verwaltungsangestellten
Montag
Der am Freitag von der EDV übergebene Laptop fürs Homeoffice funktioniert nicht. Ich fahre mit der S-Bahn ins Büro, logge mich für zehn Minuten ein, in denen mir ein Kollege das Gerät neu einstellt und fahre wieder nach Hause. War das jetzt schon Arbeitszeit? Ich daddele zwei Stunden am Gerät herum, rege mich über das nervige Mousepad auf, lese E-Mails und die internen Hausmitteilungen, telefoniere mit einigen Unternehmen und erfahre, dass die Situation gerade schwierig sei. Für einen „Vermerk“, der einen Minister oder Staatssekretär vom Hocker reißen sollte, ist die Informationslage etwas dünn. Dazwischen sprenge ich meinen frisch gesäten Rasen und gehe Einkaufen. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Am Ende habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich für mein Empfinden nichts gearbeitet habe. Ich denke: Homeoffice ist wohl nichts für mich. Der
Dienstag
verläuft ähnlich. Die fünf elektronischen Aktenvorgänge am
Mittwoch
beschäftigen mich eine Weile. Wie lange? Keine Ahnung. Ich gucke nicht ständig auf die Uhr. Eine Ahnung macht sich immer stärker breit: Homeoffice ist nichts für mich. Am
Mittwoch
dürfte ich tatsächlich neun Stunden gearbeitet haben. Dazu gehörte der Entwurf einer Pressemitteilung zur Pandemie-bedingt gestundeten Biersteuer. Ob unser Pressesprecher etwas draus macht? Mit einer Kundin telefoniere ich noch um 20 Uhr eine halbe Stunde. Wegen der Rufweiterleitung vom Büro kennt sie jetzt meine private Handynummer. Endlich hat sie ihre zwei Kinder im Bett und kann ungestört arbeiten. Dafür versäume ich die Tagesschau. Wenn das so weiter geht, verlange ich Nachtzuschlag. Nee, Leute: Homeoffice ist nichts für mich. Am
Donnerstag
lese ich im Intranet die Anleitung zum elektronischen Stundennachtrag, was mich veranlasst, eine wütende Mail an die Verwaltung zu schreiben. Darf ich dafür eine Stunde ansetzen? Besser zwei. Eine brauche ich, um von der Decke wieder runter zu kommen. Am
Freitag
darf ich für eine Video-Konferenz ins Büro. Endlich was Reelles. Zuhause wage ich nicht mal aufs Klo zu gehen, weil sich das wie Arbeitgeberbeschiss (was für eine schöne Analogie) anfühlt. Doch die eine Stunde – plus eine für Hin- und Rückfahrt – macht noch keinen Arbeitstag. Zuhause sitze ich daher noch ein wenig vor dem Rechner und stiere ins Leere. Nein, ich sag Euch, was ich jetzt mache: Ich geh raus, Rasen sprengen.
Nein, ich muss einen 30 Seiten langen Anhang am Minibildschirm des Laptops lesen. Wer macht sowas? Nach drei Seiten brauche ich fünf Minuten Pause für die Augen und gucke zum Fenster hinaus. Es werden 10. Nein, 20! Ach, keine Ahnung! Bei meinen Untermietern, den Blaumeisen im Walnussbaum, hat sich offenbar Nachwuchs eingestellt. Die beiden Alten lochen um die Wette ein und aus. Ich gehe raus und mache ein Handy-Video für die Familien-Whatsapp. Schon mal draußen, sprenge ich auch den Rasen.
Nach einer ganzen Weile sitze ich wieder vor meinem Laptop und frage ich mich: Soll ich den Job am privaten Drucker ausgeben? Ihm fehlt schwarze Farbe, sagt der Brother. Und die Nachfüllstation hat geschlossen. Wegen Corona.
Nee, Leute, Homeoffice ist nix für mich. Zu stressig. Wo bleibt der gesunde Büroschlaf?
Burkhard Zscheischler